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GMS Health Innovation and Technologies

EuroScan international network e. V. (EuroScan)

ISSN 2698-6388

Invasive Heimbeatmung insbesondere bei neuromuskulären Erkrankungen

HTA-Kurzfassung

  • corresponding author Jens Geiseler - Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Abteilung für Intensivmedizin und Langzeitbeatmung, Gauting, Deutschland
  • author Ortrud Karg - Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Asklepios Fachkliniken München-Gauting, Medizinische Krankenhausorganisation, Gauting, Deutschland
  • author Sandra Börger - Synagon GmbH, Aachen, Deutschland
  • author Kurt Becker - Synagon GmbH, Aachen, Deutschland
  • author Andreas Zimolong - Synagon GmbH, Aachen, Deutschland

GMS Health Technol Assess 2010;6:Doc08

doi: 10.3205/hta000086, urn:nbn:de:0183-hta0000861

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/hta/2010-6/hta000086.shtml

Veröffentlicht: 14. Juni 2010

© 2010 Geiseler et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.

Der vollständige HTA Bericht in deutscher Sprache ist verfügbar unter: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta268_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

Einleitung und Hintergrund

Die invasive Heimbeatmung wird bei Patienten mit chronisch respiratorischer Insuffizienz (unzureichender Atemfähigkeit) durchgeführt. Die aufwendige und technologielastige Beatmung erfolgt über einen künstlichen Zugang (Trachealkanüle) zur Luftröhre. Genaue Zahlen über die Häufigkeit dieser Form von Beatmung in häuslicher Umgebung liegen nicht vor. Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen machen einen großen Anteil aus.

Forschungsfragen

Zu unterschiedlichen Dimensionen Medizin/Pflege, Ökonomie, Soziales, Ethik und Recht werden spezifische Forschungsfragen formuliert und beantwortet. Medizinische Fragen behandeln neben technischen Aspekten der häuslichen invasiven Beatmung, die Symptomatik bzw. die klinischen Befunde der Patienten sowie die Häufigkeit von Komplikationen. Ökonomische Fragestellungen beziehen sich auf die Zusammensetzung der Kosten und die Unterschiede zu anderen Versorgungsformen bezüglich Kosten und Qualität der Pflege. Fragestellungen zu sozialen Aspekten berücksichtigen die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten und Betreuungspersonen. Zusätzlich werden die mit der Entscheidung zu Heimbeatmung verbundenen ethischen Gesichtspunkte betrachtet. Zuletzt werden rechtliche Aspekte der Finanzierung der invasiven Heimbeatmung erörtert.

Methodik

Auf Basis einer systematischen Literatursuche 2008 in insgesamt 31 relevanten Datenbanken wird die derzeit aktuelle Literatur gesichtet und anhand festgelegter Kriterien ausgewählt. Randomisierte kontrollierte Studien, systematische Reviews und HTA-Berichte (HTA = Health Technology Assessment), klinische Studien mit Patientenzahlen über zehn, gesundheitsökonomische Evaluationen, Primärstudien ggf. mit eigenen Kostenberechnungen und Lebensqualitätsstudien mit Bezug zu den Forschungsfragen führen zum Einschluss in die Analyse.

Ergebnisse und Diskussion

Invasive Beatmung kann die Symptome der Hypoventilation verbessern, wie sich aus der Analyse der Literatur ergibt. Darüber hinaus ist eine Lebensverlängerung wahrscheinlich, jedoch aus ethischen Gründen nicht durch qualitativ hochwertige Studien abgesichert. Komplikationen (z. B. Pneumonie) treten relativ selten auf. Für die Durchführung der Beatmung stehen mobile Heimbeatmungsgeräte zur Verfügung, deren technische Performance leider sehr unterschiedlich ist.

Studien, die die ökonomischen Aspekte der Beatmung im Krankenhaus mit der außerklinischen Beatmung vergleichen, beschreiben Heimbeatmung als kostengünstigere Alternative zur stationären Versorgung auf einer Intensivstation, jedoch als teuerer im Vergleich zur nichtinvasiven (über Maske) Beatmung. Die höheren Aufwendungen entstehen aufgrund des notwendigen Equipments und des hohen Zeitaufwands für die teilweise 24-stündige Pflege der betroffenen Patienten durch hochqualifiziertes Personal. Jedoch bezieht sich keine der Studien auf den deutschen Versorgungskontext. Die ermittelten Kosten sind stark von nationalen Honorarplänen und Arbeitslöhnen der Pflegedienste abhängig, was eine Übertragung kaum zulässt.

Ergebnisse von Lebensqualitätsstudien sind meistens qualitativ. Die Lebensqualität der Patienten unter Beatmung wird von ihnen selbst überwiegend als gut bewertet. Bei den Pflegepersonen von beatmeten Patienten zeigen sich sowohl positive als auch negative Einschätzungen. Im Hinblick auf die ethischen Fragestellungen wurde untersucht, welche Aspekte bei der Beatmungseinleitung berücksichtigt werden müssen.

Rechtlich gesehen ist die Finanzierung der häuslichen Beatmung, v. a. bei invasiver Beatmung mit der Notwendigkeit einer Behandlungspflege, durch das Sozialgesetzbuch (SGB) V geregelt. Die Übernahme der Kosten verteilt sich auf verschiedene Kostenträger, die häufig, u. a. aufgrund des allgemeinen Kostendrucks im Gesundheitswesen, nicht sich selbst, sondern andere in der Pflicht sehen. Deswegen ergibt sich in der Praxis häufig die Notwendigkeit, die Kostenübernahme vor Gericht einzuklagen, um das Grundrecht auf freie Wahl des Aufenthaltsorts wahrnehmen zu können.

Schlussfolgerung

Positive Effekte der invasiven Heimbeatmung (Gesamtüberleben und Symptomatik) sind aufgrund der analysierten Literatur hochwahrscheinlich, wenn auch nur mit geringer Evidenz belegt. Hier ist durch Aufbau eines Heimbeatmungs-Registers und der Versorgungsforschung die Erhebung valider Daten, zur Verbesserung ambulanter Strukturen, notwendig. Die Erhebung von deutschen Daten ist notwendig, um nationale Versorgungs- und Vergütungskonzepte adäquat darstellen zu können. Eine Differenzierung der Kostenstruktur nach Art der gewählten außerklinischen Versorgung ist aktuell nicht möglich. Literatur bezüglich Unterschiede in der Lebensqualität in Abhängigkeit von der gewählten außerklinischen Versorgungsform (Versorgung in der eigenen Wohnung, in einer betreuten Wohngruppe oder im auf invasive Beatmung spezialisierten Pflegeheim) existiert nicht. Auch hier herrscht weiterer Forschungsbedarf.

Eine frühzeitige und ehrliche Patientenaufklärung ist für eine sogenannte partizipative Entscheidung – die eigenständig durch den Patienten nach eingehender Aufklärung und Beratung getroffen wird – pro bzw. kontra invasive Beatmung notwendig. Neben dem Langzeitüberleben müssen auch Lebensqualität und individuelle, soziale sowie religiöse Aspekte berücksichtigt werden.

Schlüsselwörter: Beatmung, künstliche, Heimbehandlung, Beatmungsgeräte, Beatmungsgeräte, mechanische, ambulante Behandlung, neuromuskuläre Krankheiten, respiratorische Insuffizienz, Hauskrankenpflege, Atmungsinsuffizienz, Patienten, ambulante, Myasthenia gravis, amyotrophische Lateralsklerose, biomedizinische Technologie, Heimbeatmung, invasive Beatmung, häusliche Beatmung, außerklinische Beatmung, Beatmungspflicht, neuromuskuläre Erkrankung, Vitalkapazität, Muskeldystrophie, myotone Dystrophie, kongenitale Myopathie, metabolische Myopathie, spinale Muskelatrophie, Polyneuropathie, Post-Polio-Syndrom, neuromuskuläre Übertragungsstörung, hohe Querschnittslähmung, isolierte Phrenikusparese, Tracheostoma, HTA, Technologiebewertung, ökonomische Analyse, psychische Belastung, Ethik, gesundheitsbezogene Lebensqualität, Lebensqualität


Kurzfassung

Einleitung und Hintergrund

Die invasive Heimbeatmung bei chronisch respiratorischer Insuffizienz (unzureichende Atemfähigkeit) ist eine seit mehreren Jahrzehnten durchgeführte, aufwendige und technologielastige Therapie, die vorwiegend bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen (NME) durchgeführt wird. Unter NME werden zumeist vererbbare Erkrankungen verstanden, die z. B. durch periphere Nervenschädigungen fortschreitende Funktionseinschränkungen der Muskulatur hervorrufen. Bei einigen Krankheitsbildern kommt es zu einer ausgeprägten Beteiligung der Atem- und Herzmuskulatur, die zu einer Limitierung der Lebenserwartung führt. Für die invasive Heimbeatmung werden in Deutschland kleine Heimbeatmungsgeräte verwendet, die sowohl nach dem Prinzip der Volumen- als auch der Druckvorgabe arbeiten.

Genaue Zahlen über die Häufigkeit der außerklinischen Beatmung liegen in Deutschland nicht vor, da ein nationales Register fehlt. Die Daten einer Umfrage von 2001 gehen von einer Häufigkeit von 6,5/100.000 Einwohner aus, von denen ca. 12% invasiv über Trachealkanüle (künstlicher Zugang zur Luftröhre) beatmet werden. Gesetzliche Vorgaben, z. B. der Grundsatz „ambulant vor stationär“ im Sozialgesetzbuch (SGB) XII sowie das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Behinderten, aber auch ökonomische Zwänge mit Knappheit von teuren Intensivbetten erfordern von der Gesellschaft, einen Rahmen für die außerklinische Beatmung zu schaffen. Aber auch die Lebensqualität von Patienten und den sie versorgenden Angehörigen/Pflegekräften darf bei dieser Therapie nicht unberücksichtigt bleiben. Hier besteht ein Spannungsfeld zwischen der Zunahme von Überleben und Lebensqualität einerseits durch die außerklinische Beatmung sowie der Zunahme der Belastung und u. U. nicht gewünschter Verlängerung des Überlebens andererseits. Verlässliche Daten über medizinische, ökonomische, ethische, soziale und juristische Aspekte der invasiven Heimbeatmung sind für die gesellschaftspolitischen Entscheidungen erforderlich.

Der vorliegende Bericht nimmt unter Einbeziehung der vorhandenen wissenschaftlichen Evidenz zu wichtigen Themen aus den oben genannten Bereichen Stellung.

Forschungsfragen

Medizinische Forschungsfragen

  • Welche Techniken kommen bei der invasiven außerklinischen Beatmung zum Einsatz?
  • Welche Auswirkungen hat die invasive Heimbeatmung auf die Symptomatik bzw. klinischen Befunde der Patienten?
  • Welche Komplikationen treten unter invasiver häuslicher Beatmung bei Patienten mit NME mit welcher Häufigkeit auf und wie häufig führen derartige Komplikationen zu stationären Aufenthalten?

Ökonomische Fragestellungen

  • Wie setzen sich die Kosten für die häusliche invasive Beatmung zusammen?
  • Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Versorgungsformen der häuslichen invasiven Beatmung bezüglich Kosten und Qualität der Pflege?

Soziale und ethische Fragestellungen

  • Welche sozialen/familiären/heimischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine invasive Heimbeatmung zu gewährleisten?
  • Welche Auswirkungen hat die invasive Heimbeatmung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten mit NME?
  • Welche Auswirkungen hat die invasive Heimbeatmung auf die Lebensqualität der Pflegepersonen/Eltern der betroffenen Patienten?
  • Gibt es Unterschiede in der Lebensqualität der beatmeten Patienten mit NME bezüglich der gewählten Versorgungsform der häuslichen Beatmung?
  • Welche ethischen Aspekte müssen bei der Entscheidung zu einer invasiven Beatmung berücksichtigt werden?

Juristische Fragestellung

  • Welche juristischen Aspekte sind zu berücksichtigen?

Methodik

Eine systematische Literatursuche in den wichtigsten medizinischen Datenbanken, MEDLINE, EMBASE und Cochrane Library wird initial durchgeführt. Weitere themenbezogene sowie die verschiedenen HTA-Datenbanken DAHTA, INAHTA und NHSEED, werden ebenfalls berücksichtigt. Die verwendete Stichwortauswahl beinhaltet eine umfangreiche Suchwortliste aus den zu bearbeitenden Themengebieten Medizin, Gesundheitsökonomie, Ethik und Recht. Ein eingeschränkter Suchzeitraum ab 2004, für randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) ab 2002 wird hierbei ausgewählt. Für die Handsuche werden Referenzlisten vorliegender Veröffentlichungen und themenbezogene Fachzeitschriften durchsucht sowie die freie Internetrecherche mit der Suchmaschine Google herangezogen.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Fragestellung werden Arbeiten herangezogen, bei denen eine thematische Übereinstimmung der Zielpopulation (Patienten mit NME) und der Zielintervention (Invasive Heimbeatmung) gegeben ist. Zum Einschluss führen RCT, systematische Reviews und HTA-Berichte (HTA = Health Technology Assessment), klinische Studien mit Patientenzahlen über zehn, gesundheitsökonomische Evaluationen, Primärstudien ggf. mit eigenen Kostenberechnungen und Lebensqualitätsstudien. Ausgeschlossen werden vor allem Publikationen der Evidenzklasse V, wie Einzelfallbeschreibungen, Expertenmeinungen, Assoziationsbeobachtungen und Konsensuspapiere sowie eine unzureichende Darstellung der angewandten Methodik. Die Analyse der eingeschlossenen Publikationen wird in einheitlicher Form dargestellt und anschließend diskutiert.

Ergebnisse

Die Treffermenge der beiden Datenbankrecherchen beläuft sich insgesamt auf 1.203 Literaturreferenzen für die Suche nach medizinischen und ethisch-sozialen Inhalten. Bei der Suche nach ökonomischen Inhalten wird im Rahmen der elektronischen Recherche eine Trefferzahl von 361 Referenzen erzielt, die zunächst aufgrund der Abstracts selektiert werden. Im Anschluss an den zweiten Selektionsschritt (Sichtung der Volltexte) werden 24 Publikationen für die Beantwortung der medizinischen Fragestellungen, vier Arbeiten für die ökonomischen Fragestellungen sowie 22 Literaturquellen für die sozialen und ethischen Fragestellungen herangezogen.

Durch eine unterbrochene, im Einzelfall aber auch kontinuierliche Beatmungstherapie können die Symptome der chronischen Unterbeatmung (v. a. schlafbezogene Atmungsstörungen und Tagesmüdigkeit) verbessert werden, in Einzelfällen auch die Belastbarkeit. Eine Lebensverlängerung ist insbesondere durch die invasive Beatmung, die aufgrund fehlender Leckage (Luftverluste durch Undichte bei der Auflage der Maske auf dem Gesicht) und Schutz vor Verschlucken sicherer erscheint als die nichtinvasive Beatmung, wahrscheinlich, was auch für Patienten mit schnell fortschreitenden Erkrankungen wie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS), eine fortschreitende Lähmung der Skelettmuskulatur durch Zerstörung der dazugehörigen Nervenzellen, beobachtet werden kann.

Medizinische und technische Komplikationen bei der außerklinischen invasiven Beatmung treten relativ selten auf: Eine ineffektive Beatmung kann bei Leckage im Fall der Verwendung von ungeblockten Kanülen vorliegen, ist aber durch Blockung der Kanüle zu beheben. Selten treten lokale Probleme am Tracheostoma auf. Bezüglich der Pneumonierate existiert eine Studie, die von 1,89 Pneumonien/1.000 Beatmungstage in den ersten 500 Tagen der invasiven Beatmung berichtet. Sie ist ein häufiger Grund für eine erneute Hospitalisierung der Patienten, wobei die Prognose günstig ist.

In den ökonomischen Arbeiten wird von höheren Kosten bei invasiver Heimbeatmung im Vergleich zur nichtinvasiven Beatmung berichtet. Die höheren Aufwendungen entstehen aufgrund der notwendigen Ausstattung und durch das hochqualifizierte Fachpersonal. Zudem ist ein hoher Zeitaufwand für die teilweise 24-stündige Pflege der betroffenen Patienten notwendig. Im Vergleich zu den Kosten, die bei der Betreuung auf der Intensivstation eines Krankenhauses anfallen, werden bei der Betreuung zu Hause durch einen ambulanten Pflegedienst in den eingeschlossenen Studien Kosteneinsparungen von 62% bis 74% angegeben. Alle analysierten Studien behandeln kleine Patientenkollektive und stammen nicht aus Deutschland. Die überwiegende Berücksichtigung nur der direkten Kosten sowie die Abhängigkeit der ermittelten Kosten von den nationalen Honorarplänen und Arbeitslöhnen der Pflegedienste lassen eine Übertragung auf den deutschen Kontext kaum zu.

Die Betrachtung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zeigt, dass invasive Beatmung mit einer z. T. guten Lebensqualität einhergehen kann, was in den Studien in Form von qualitativen Beschreibungen dargestellt wird. Lediglich in zwei Studien werden quantitative Angaben gemacht. Nicht so eindeutig sind die Ergebnisse, die die Lebensqualität der Angehörigen bzw. Pflegepersonen von beatmeten Patienten betreffen: hier zeigen sich positive und negative Effekte der außerklinischen Beatmung auf die Lebensqualität.

Bei der Einleitung der Beatmung hat das Selbstbestimmungsrecht des Patienten oder seines Betreuers/Vorsorgebevollmächtigten oberste Priorität. Mehrere Arbeiten zeigen jedoch klar, dass nicht alle Patienten dem Beginn der invasiven Beatmung vorher zugestimmt haben – teilweise ist das in Notfallsituationen nicht möglich. Der Patient muss darüber aufgeklärt werden, dass seine Entscheidung zur Beatmung nicht unumkehrbar ist, sondern er auch, z. B. mithilfe einer Patientenverfügung, die Beendigung der Beatmung fordern kann.

Rechtlich gesehen ist die Finanzierung der häuslichen Beatmung, v. a. bei invasiver Beatmung mit der Notwendigkeit einer Behandlungspflege, durch das SGB V geregelt. Die Übernahme der Kosten verteilt sich auf verschiedene Kostenträger, die häufig, u. a. aufgrund des allgemeinen Kostendrucks im Gesundheitswesen, nicht sich selbst, sondern andere in der Pflicht sehen. Deswegen ergibt sich in der Praxis häufig die Notwendigkeit, die Kostenübernahme vor Gericht einzuklagen, um das Grundrecht auf freie Wahl des Aufenthaltsorts wahrnehmen zu können.

Diskussion

Positive Effekte der invasiven Beatmung auf die Symptome der Unterbeatmung sind aufgrund der Analyse der Literatur hochwahrscheinlich. Aufgrund der Datenlage werden jedoch meistens retrospektive Datenanalysen und Fallserien herangezogen, die maximal den Evidenzgrad III (EG) erreichen. Eine weitere Limitation vieler Studien ist die geringe Patientenzahl. Lediglich wenige kleinere Studien, die sich u. a. mit technischen Aspekten der Heimbeatmungsgeräte beschäftigen, haben den EG II. Eine Cochrane-Analyse über Heimbeatmung bei NME existiert, jedoch werden sowohl Patienten mit invasiver als auch nichtinvasiver Beatmung als gesamte Gruppe untersucht.

In der vorhandenen Literatur wird von hohen Kosteneinsparungen durch die Heimbeatmung berichtet. Die analysierten Studien zur Kostenstruktur invasiver Heimbeatmung und zum Vergleich der Kosten bei verschiedenen außerklinischen Versorgungsmodellen beziehen sich jedoch alle nicht auf die Situation in Deutschland. Die jeweils kleine Patientenzahl, die überwiegende Berücksichtigung nur der direkten Kosten sowie die Abhängigkeit der ermittelten Kosten von den nationalen Honorarplänen und Arbeitslöhnen der Pflegedienste lassen eine Übertragung auf den deutschen Kontext kaum zu. Im Hinblick auf die ethischen Fragestellungen wurde nur untersucht, welche Aspekte bei der Einleitung einer invasiven Beatmung berücksichtigt werden müssen. Aspekte einer manchmal vom Patienten gewünschten Beendigung der außerklinischen Beatmung wurden aus zwei Gründen nicht abgehandelt: fehlende Literatur sowie herrschende Rechtsunsicherheit. Das neue Gesetz zu Patientenverfügungen trat zum 01.09.2009 in Kraft. Bisher existieren nur Einzelfallentscheidungen sowie Unsicherheit und Uneinigkeit unter Sozialethikern über ein derartiges Vorgehen.

Juristisch liegen trotz Vorgabe des SGB V, in dem die Finanzierung der außerklinischen Behandlungspflege geregelt ist, nur Einzelfallentscheidungen vor. Hier wurden Krankenkassen dazu verurteilt, die Kosten für die Behandlungspflege teilweise für 24 Stunden täglich zu übernehmen. Eine höchstrichterliche Entscheidung, in der verbindlich über die Finanzierung geurteilt wird, ist im Interesse der Betroffenen und ihrer Angehörigen absolut erforderlich, um belastende, teilweise langjährige Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Schlussfolgerung

Positive Effekte der invasiven Beatmung, die Symptome der Hypoventilation betreffend, sind aufgrund der analysierten Literatur hochwahrscheinlich, wenn auch nur mit geringer Evidenz belegt. Hier ist, u. a. durch Aufbau eines Heimbeatmungs-Registers und der Versorgungsforschung die Erhebung valider Daten, auch zur Verbesserung der ambulanten Strukturen, dringend notwendig.

Literatur bezüglich der Unterschiede in der Lebensqualität in Abhängigkeit von der gewählten außerklinischen Versorgungsform existiert nicht. Der Aufbau von Netzwerken um den Patienten herum wird als notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche außerklinische Beatmung immer wieder genannt. Auch hier herrscht weiterer Forschungsbedarf.

Eine Differenzierung der Kostenstruktur nach Art der gewählten außerklinischen Versorgung ist aufgrund der vorliegenden Datenlage nicht möglich. Die Erhebung von spezifisch deutschen Daten ist für die Zukunft notwendig, um nationale Versorgungs- und Vergütungskonzepte adäquat darstellen zu können.

Die zur Verfügung stehende Literatur bezüglich Einleitung einer invasiven Beatmung betont die Notwendigkeit einer frühzeitigen und ehrlichen Patientenaufklärung, um eine partizipative Entscheidung, pro bzw. kontra invasive Beatmung, entsprechend dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, zu ermöglichen. Dies erfordert eine entsprechende Schulung auch der die Aufklärung durchführenden Ärzte. Neben dem Aspekt des Langzeitüberlebens müssen Aspekte der Lebensqualität ebenso wie individuelle, soziale und religiöse Gesichtspunkte mit berücksichtigt werden, während die finanzielle Perspektive im Hintergrund stehen sollte. Eine gesellschaftspolitische Entscheidung zur Finanzierung und Durchführung der außerklinischen invasiven Beatmung ist daher notwendig.