gms | German Medical Science

GMS German Medical Science — an Interdisciplinary Journal

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1612-3174

Die Gelehrten-Rolle im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) im Vergleich zu anderen internationalen Rahmenwerken

Originalarbeit Medizinische Ausbildung

  • corresponding author Stefanie C. Hautz - Institut für Medizinische Lehre, Abteilung für Assessment und Evaluation, Medizinische Fakultät, Universität Bern, Schweiz; Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité, Campus Mitte und Campus Virchow Klinikum, Berlin, Deutschland
  • Wolf E. Hautz - Universitäres Notfallzentrum, Inselspital Bern, Schweiz
  • Niklas Keller - Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité, Campus Mitte und Campus Virchow Klinikum, Berlin, Deutschland; Prodekanat für Studium und Lehre, Charité Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • Markus A. Feufel - Prodekanat für Studium und Lehre, Charité Universitätsmedizin Berlin, Deutschland; Max Planck Institut für Bildungsforschung, Harding Zentrum für Risikokompetenz, Berlin, Deutschland
  • Claudia Spies - Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité, Campus Mitte und Campus Virchow Klinikum, Berlin, Deutschland

GMS Ger Med Sci 2015;13:Doc20

doi: 10.3205/000224, urn:nbn:de:0183-0002247

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/gms/2015-13/000224.shtml

Eingereicht: 28. September 2015
Veröffentlicht: 12. November 2015

© 2015 Hautz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: In Deutschland haben die Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und der Medizinische Fakultätentag (MFT) den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) federführend entwickelt. Dieser beschreibt, wie viele internationale Pendants, detailliert Qualifikationen für Absolventen des Medizinstudiums. Die Definition derartiger Rahmenwerke folgt der Bestrebung, Ausbildungsinhalte den Lehrenden und Lernenden sowie der Gesellschaft transparent darzustellen.

Der NKLM ergänzt die Listen von Themen aus Gegenstandskatalogen durch eine Sammlung erlernbarer Kompetenzen. Alle Rahmenwerke sind dabei entweder in Kapitel oder Domänen oder nach ärztlichen Rollen gegliedert. Dabei wirft die Definition der Gelehrten-Rolle zahlreiche Fragen auf, wie Studien gezeigt haben: Welcher Unterschied besteht zwischen den notwendigen Qualifikationen als wissenschaftlich qualifizierter Arzt und denen als ärztlicher Wissenschaftler? Wie werden die Schwerpunkte gesetzt und wie unterscheiden sie sich im internationalen Vergleich?

Methode: In einer systematischen, dreistufigen Recherche wurden 13 internationale Rahmenwerke identifiziert und deren Inhalte durch eine qualitative Textanalyse mit den Inhalten der Gelehrten-Rolle des NKLM verglichen. Die drei Stufen umfassen (1) die systematische Suche, (2) die transparente Auswahl publizierter Rahmenwerke (in- und exclusion) und (3) die Datenextraktion, Kategorisierung und Validierung. Die Ergebnisse daraus wurden mit der Gelehrten-Rolle des NKLM verglichen.

Ergebnisse: Die extrahierten Inhalte aller Rahmenwerke lassen sich in die Komponenten Gemeinsame Grundlagen, Klinische Anwendung, Forschung, Lehren und Bilden, sowie Lebenslanges Lernen gliedern. Im Unterschied zu den verglichenen Rahmenwerken betont der NKLM die zum Forschen und Lehren notwendigen Kompetenzen, während die klinische Anwendung eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielt.

Schlussfolgerung: Die Inhalte der Gelehrtenrolle des NKLM unterscheiden sich von den Inhalten anderer internationaler Rahmenwerke. Die Diskussion der Ergebnisse soll zu Verbreitung und Verständnis des NKLM und damit zur Qualifikation zukünftiger Absolventen medizinischer Studiengänge in Deutschland beitragen.

Schlüsselwörter: medizinsche Bildung, studentische Ausbildung, Wissenschaft


Einleitung

In Deutschland werden die Inhalte des Medizinstudiums bisher durch die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) [1] und die EU-Direktive 2005/36/EC [2], die der Staatsprüfungen durch den Gegenstandskatalog des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) [3] definiert. Dabei haben die einzelnen medizinischen Fakultäten und ihre Lehrenden durch die sehr abstrakten inhaltlichen Vorgaben der ÄApprO erheblichen Gestaltungsspielraum.

Seit 2009 entwickelten die Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und der Medizinische Fakultätentag (MFT) im Auftrag der Kultusministerkonferenz federführend den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) [4], welcher in einem umfangreichen Delphi-Prozess von den 160 in der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) organisierten Fachgesellschaften konsentiert wurde [5]. Der NKLM beschreibt detailliert die Qualifikationen für Absolventen des Medizinstudiums. Dabei bezieht er sich ausdrücklich auf ähnliche Rahmenwerke anderer Länder, insbesondere auf das kanadische [6]. Seit Entwicklung der Canadian Medical Roles [6] in den 1990er Jahren haben zahlreiche Länder eigene Rahmenwerke, teils in Anlehnung an die CanMEDS, entwickelt, die sich meist gegenseitig referenzieren [7]. Die dazu eingesetzten Verfahren unterscheiden sich erheblich: während den CanMEDS ein breiter Konsensprozess innerhalb der Ärzteschaft ebenso wie innerhalb der allgemeinen Bevölkerung zugrunde liegt [8], ist beispielsweise ein in Australien etabliertes Rahmenwerk auf Initiative der Dekane und Studiendekane der medizinischen Fakultäten entstanden [9]. In Europa existiert neben zahlreichen nationalen Rahmenwerken wie dem Schweizer Lernzielkatalog [10], dem Dutch Blueprint [11], dem Scottish Doctor [12] und dem britischen Tommorow’s Doctors [13] mit dem TUNING-Projekt der Versuch, Ziele und Inhalte ärztlicher Ausbildung zu harmonisieren und für Europa zu vereinheitlichen [14].

Alle Rahmenwerke sind entweder in Kapitel oder Domänen oder nach ärztlichen Rollen gegliedert. Die Arzt-Rollen des NKLM orientieren sich weitestgehend an denen der CanMEDS [6] und umfassen den Medizinischen Experten (medical expert), den Kommunikator (Communicator), das Mitglied eines Teams (Collaborator), den Gesundheitsberater und -fürsprecher (Health Advocate), den Verantwortungsträger und Manager (Manager), den Arzt als professionell Handelnden (Professional) sowie den Gelehrten (Scholar). Darüber hinaus umfasst der NKLM [4] die Abschnitte II (Medizinisches Wissen, klinische Fähigkeiten und professionelle Haltungen) und III (Patientenzentrierte Gesundheitsversorgung).

Gerade aber die Definition der Gelehrten-Rolle wirft zahlreiche Fragen auf, wie Studien gezeigt haben [15]: Wie viele und welche wissenschaftliche Qualifikation benötigt jeder zur Weiterbildung befähigte Absolvent eines Medizinstudiums? Welcher Unterschied besteht zwischen den notwendigen Qualifikationen als wissenschaftlich arbeitender Arzt und denen als ärztlicher Wissenschaftler? Wie unterscheiden sich Wissenschaftler und Gelehrter?

Der NKLM [4] gibt in seinem Kapitel „Gelehrter“ Antworten auf diese Fragen für Deutschland. Während jedoch der Medizinstudent seine Rolle als Kommunikator, als Gesundheitsberater und als Manager im Kontext und kulturellen Umfeld des eigenen Landes ausübt, sind die Qualifikationen der Gelehrten-Rolle im Wesentlichen nicht an nationale Grenzen gebunden, denn „Medical knowledge and research have traditionally crossed boundaries“ [16].

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, die Inhalte der Gelehrten-Rolle des NKLM mit anderen nationalen Rahmenwerken zu vergleichen und so Übereinstimmungen und Unterschiede aufzuzeigen. Durch Diskussion der Ergebnisse in der deutschen Ärzteschaft und insbesondere unter den Ausbildungsverantwortlichen und -Interessierten wollen wir zu Verbreitung und Verständnis des NKLM, der kritisch-konstruktiven Auseinandersetzung mit diesem und damit letztlich zur Qualifikation zukünftiger Absolventen medizinischer Studiengänge in Deutschland beitragen.


Methode

Die Inhalte des NKLM wurden mit anderen publizierten Rahmenwerken in einem dreistufigen Verfahren verglichen. Diese drei Stufen umfassen erstens die systematische Suche, zweitens eine transparente Auswahl publizierter Rahmenwerke nach In- und Exklusionskriterien und drittens die Datenextraktion, Kategorisierung und Validierung.

Die Suche wurde im Juni 2013 durch eine erfahrene medizinische Bibliothekarin mit den Suchbegriffen medical education, outcome framework, learning objective, government*, curriculum und Kombinationen daraus in MEDLINE, Embase und Google durchgeführt. Die detaillierte Suchstrategie ist auf Anfrage erhältlich. Alle Ergebnisse aus MEDLINE und Embase sowie die jeweils ersten einhundert Google-Ergebnisse wurden in EndNote gespeichert. Weitere Rahmenwerke wurden aus den Referenzen der Ergebnisse sowie aus Sammlungen der Autoren eingeschlossen.

Alle Rahmenwerke, die aus einem nationalen Konsensprozess entstanden und durch eine nationale Fachgesellschaft oder Regierungsstelle veröffentlicht oder bestätigt sind, wurden nach Ausschluss von Dopplungen für die weitere Analyse im Volltext einbezogen. Aus diesen wurden Akkreditierungsstandards, Rahmenwerke einzelner Disziplinen, interprofessionelle Rahmenwerke und studentische entwickelte Rahmenwerke ausgeschlossen. Alle Ein- und Ausschlussentscheidungen wurden auf Basis dieser Kriterien durch zwei Autoren unabhängig voneinander durchgeführt, Konflikte durch Diskussion und Konsens gelöst. Die vollständige Such- und Auswahlstrategie ist in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt.

Die Extraktion der Daten aus den 13 eingeschlossenen Rahmenwerken erfolgte in zwei Schritten. Zunächst wurde der Inhalt des Abschnitts Scholar aller sieben Rahmenwerke, die einen solchen Abschnitt umfassen, im Volltext einbezogen und zu einer generischen Sammlung zusammengefügt. Diese Sammlung wurde in einem zweiten Schritt von zwei Autoren unabhängig voneinander gegen den Volltext der verbliebenen sechs Rahmenwerke abgeglichen und daraus jeder ähnliche oder gleiche Inhalt der Sammlung hinzugefügt. Konflikte wurden durch Diskussion und Konsens gelöst.

Die Quelle jedes der Sammlung hinzugefügten Inhalts – regelhaft ein Satz oder Halbsatz – blieb zu jeder Zeit nachvollziehbar (siehe [17]).

Zum Vergleich mit der Gelehrten-Rolle des NKLM wurden die Inhalte der so entstandenen Sammlung Anforderung für Anforderung denen des NKLM von zwei unabhängigen Bewertern gegenüber gestellt. Im iterativen Diskurs wurden alle Anforderungen aus Sammlung und NKLM in induktiv gebildeten Kategorien (für eine ausführliche methodische Darstellung siehe [7]) zusammengeführt und eine Gegenüberstellung der Anforderungen der Sammlung zu denen der Gelehrtenrolle des NKLM erstellt. Zur Prüfung der Qualität der Zuordnungen wurde die Intraklassenkorrelation der Bewerter berechnet (s. Ergebnisse).


Ergebnisse

Insgesamt erbrachte die Suche 1.816 Artikel, von denen 13 als Rahmenwerke eingeschlossen wurden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Von diesen beschreiben sieben eine Rolle, ein Kapitel oder eine Domäne Scholar (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Dabei bestehen zwischen den Scholar-Definitionen dieser sieben Rahmenwerke erhebliche Unterschiede in Umfang, Inhalt und Detailtiefe.

Die Gelehrtenrolle in internationalen Rahmenwerken lässt sich in fünf Komponenten teilen, in denen alle Inhalte der Rolle abbildbar sind, die aber gleichzeitig jeweils Inhalte aus nahezu allen betrachteten Rahmenwerken umfassen. Diese Komponenten umfassen Gemeinsame Grundlagen sowie Klinische Anwendung, Forschung, Lehren und Bilden, sowie Lebenslanges Lernen [17]. Der NKLM selbst gliedert den Gelehrten (mit insgesamt 47 Lernzielen) in den Lebenslang Lernenden (8 Lernziele), den kritischen Anwender (11), den Lehrenden (13) sowie den Innovator (11). Dabei korrespondieren die Inhalte unter diesen Überschriften nur bedingt mit den Komponenten, die sich aus dem Vergleich internationaler Rahmenwerke ergeben.

Betrachtet man über das Kapitel Gelehrter hinaus alle rund 2.500 Lernziele des NKLM, so finden sich 95 Lernziele (aus der Gelehrten-Rolle und dem Kapitel medizinisch-wissenschaftliche Fertigkeiten), die sich einer der fünf Komponenten des Scholar, Gemeinsame Grundlagen, Klinische Anwendung, Forschung, Lehren und Bilden oder Lebenslanges Lernen sinnvoll zuordnen lassen. Lediglich 2 Lernziele lassen sich nicht zuordnen. Die übrigen 93 Lernziele betreffen zu 57% die Forschung (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Dabei stimmen die Bewerter in Auswahl und Zuordnung der sinnvoll zuzuordnenden Lernziele stark überein (ICC(2,1) = 0,907).

Die Anzahl der Lernziele im Abschnitt I (Rollen) des NKLM in der Gelehrten-Rolle liegt mit 47 Lernzielen etwa im Durchschnitt aller Lernziele der Rollen (17%, bei 7 Rollen). Im Abschnitt II beträgt die Anzahl der Lernziele aus dem Bereich Medizinisch-wissenschaftlichen Fertigkeiten 3% aller dort genannter Lernziele (48 Lernziele von insgesamt 1.649).

Gemeinsame Grundlagen

Die sich aus den internationalen Rahmenwerken ergebende Komponente Gemeinsame Grundlagen umfasst die wissenschaftliche Haltung, das kritische Denken und Basiskenntnisse der gezielten Informationsbeschaffung, die für ein kompetentes Ausüben der vier anderen Komponenten notwendig sind. Für beispielhafte Zitate aus internationalen Rahmenwerken wie „Critically evaluate medical information and its sources, and apply this appropriately to practice decisions“ [6] oder „Demonstrates a commitment to excellence, evidence based practice and the generation of new scientific knowledge“[18] lassen sich auch im NKLM Entsprechungen finden: „[Die Absolventen] suchen, finden und interpretieren in geeigneter Weise relevante Quellen. Sie können relevante (Sekundär- und Tertiär-) Literatur und andere Informationsquellen mit geeigneten Recherchesystemen und effektiven Suchstrategien recherchieren und eine Auswahl treffen, lesen und interpretieren“ [4].

Klinische Anwendung

Die Fähigkeit zur klinischen Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse und Methoden wird in allen betrachteten internationalen Rahmenwerken sehr umfangreich und detailliert gefordert. Nur teilweise finden sich im NKLM entsprechende Ziele.

Die Formulierung „The physician demonstrates up-to-date knowledge of the evidence-based standard of medical care for common ailments and illnesses and of the basic urgent interventions.“ [10] findet eine teilweise Entsprechung im NKLM als „[Die Absolventen] können evidenzbasierte klinische Entscheidungen treffen und Daten – auch mit der jeweils vorliegenden Evidenz in Beziehung setzend – kritisch bewerten“ [4]. Auch das Ziel „The doctor is able to approach a health problem in a systematic way using theories on hypothesis formation and problem-solving, models, and decision theories." [10] wird im NKLM durch die Formulierung „[Absolventen] integrieren auf kritischer Bewertung basierende Schlussfolgerungen in den ärztlichen Alltag. Sie können das eigene Handeln methodenkritisch hinterfragen“ [4] teilweise aufgegriffen.

Keine Entsprechung in der Gelehrtenrolle des NKLM findet sich für die Ziele „Applies epidemiological data in managing the health of patients and their communities.“ [10], „Applies the concept of specificity, sensitivity, pre and post-test probability to the interpretation of common diagnostic procedures“ [9] und „You must be familiar with guidelines and developments that affect your work“ [19].

Forschung

Die notwendigen Kompetenzen, um selbst in der Forschung arbeiten zu können, nehmen quantitativ den größten Raum im Kapitel Gelehrter des NKLM ein und sind qualitativ im Vergleich zu den übrigen Rahmenwerken stark differenziert (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Während sich die Beschreibung der zu erreichenden Kompetenz bei internationalen Rahmenwerken im Detail auf „Knowledge and appreciation of quantitative and qualitative methodologies, including the difference between them, and their appropriate usage.“ [12] beschränkt, verlangt der NKLM von Absolventen, „die historische Entwicklung von Experiment, Tier und Menschenversuchen und die Epistemologie der medizinischen Forschung [zu] reflektieren“ und „den Unterschied zwischen beschreibenden, empirisch-experimentellen, mathematischen und hermeneutisch-interpretierenden Methoden der Wissensbildung feststellen“ [4] zu können.

Viele Rahmenwerke – auch der NKLM – verlangen Kenntnisse zu Studiendesign, ethischen Rahmenbedingungen von Forschung und statistischen Methoden. Neben dem NKLM fordern jedoch nur zwei [6], [11] von Absolventen, die „eigenen Forschungsergebnisse in geeigneter Weise verbreiten“ zu können.

Lehren und Bilden

Auch die notwendigen Kompetenzen zum Lehren sind im NKLM sowohl quantitativ als auch qualitativ umfänglicher beschrieben als in den Vergleichswerken. Diese fordern von Absolventen „We recognize the value of teaching and training others“ [20]. Der NKLM hingegen führt aus: „[Absolventen] können wichtige Unterrichts- und Lernmethoden der Erwachsenenbildung sowie Prüfungs-, Beurteilungs- und Evaluationsverfahren anwenden.“ „Sie können in Form z.B. eines Gespräches, Vortrages oder in anderer geeigneter Weise Patientinnen/Patienten oder Angehörigen Lehrinhalte vermitteln“ [4].

Lebenslanges Lernen

Die Fähigkeit lebenslang zu lernen ist im NKLM einem niedrigeren Abstraktionsniveau beschrieben als in den übrigen verglichenen Rahmenwerken. Während international von „As learners, they recognize the need to be continually learning and model this for others“ [6], oder „You must keep your professional knowledge and skills up to date“ [19] gesprochen wird, beschreibt der NKLM sehr genau, was mit lebenslangem Lernen gemeint ist: „[Die Absolventen] beherrschen die Prinzipien des Lernens im Sinne der Erkennung, Reflexion und Deckung des eigenen Lernbedarfs sowie der Umsetzung von Lernergebnissen.“ „ Sie können Verantwortung für die kontinuierliche Fortbildung zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung ärztlicher Kompetenzen übernehmen, indem sie ihren Entwicklungsstand in den einzelnen Kompetenzbereichen adäquat einschätzen, bewerten und ggf. passende Maßnahmen wahrnehmen“ [4].


Diskussion

Anhand einer qualitativen Textanalyse wurde die Rolle des Gelehrten im NKLM mit 13 internationalen Rahmenwerken verglichen. Dabei ergaben sich teilweise Übereinstimmungen ebenso wie erhebliche Unterschiede im Bezug auf die in internationalen Rahmenwerken identifizierten Kategorien der Gelehrten-Rolle [17].

Ein Alleinstellungsmerkmal der Gelehrtenrolle sowohl im NKLM als auch international ist, dass sie viele verschiedene Kompetenzen bündelt, wie z.B. evidenzbasiert klinische Entscheidungen zu treffen oder kompetentes Lehren und Prüfen, während Rollen wie die des Kommunikators ausschließlich auf kommunikative Kompetenzen beschränkt sind. Hierin mag, ebenso wie in den wenigen Anwendungsbeispielen der Rolle, ein Grund liegen, warum die Rolle des Gelehrten von Lehrenden bisher als schwierig beurteilt und oft schlecht verstanden wird [15].

Vergleicht man die Ergebnisse der Gelehrtenrolle des NKLM mit denen internationaler Rahmenwerke, so liegt der Schwerpunkt im NKLM-Kapitel des Gelehrten im Bereich Forschung, während er bei anderen Rahmenwerken überwiegend im Bereich Klinische Anwendung liegt.

Während die Kompetenzdefinitionen des NKLM im Handlungsfeld Gemeinsame Grundlagen in Umfang und Tiefe denen zahlreicher anderer Rahmenwerke gleichen, sind die Anforderungen im Handlungsfeld Lehren und Bilden erheblich umfassender und detaillierter beschrieben als in den hier vergleichend betrachteten Rahmenwerken.

Über Notwendigkeit, Umfang und Tiefe der wissenschaftlichen Qualifikation eines Medizinstudenten existiert eine breite Diskussion [5], [21]. Während bereits Humboldt mit seinem Humboldt’schen Ideal [22] sowie weitere Autoren [23] einen Zusammenhang zwischen Qualität von Forschung und Lehre implizieren, gibt es dafür kaum empirische Belege [24]. Neuere Daten der Bildungsforschung deuten zudem darauf hin, dass ausgeprägte Kenntnisse naturwissenschaftlicher Grundlagen der Medizin den Erwerb klinischer Kenntnisse und Fertigkeiten eher behindern als fördern [23], was die Autoren auf Unterschiede in den kognitiven Prozessen zu Erwerb und Anwendung beider Wissensarten zurückführen.


Schlussfolgerung

Die Gelehrtenrolle im NKLM betont im Vergleich zu zahlreichen anderen nationalen Rahmenwerken die zum Forschen und Lehren erforderlichen Kompetenzen, während die kritische klinische Anwendung von wissenschaftlichen Ergebnissen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielt. Damit unterscheidet sich der NKLM wesentlich von anderen internationalen Rahmenwerken und setzt damit einen klaren Schwerpunkt in einer methodik-orientierten Ausbildung zum Arzt als Forschenden.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Autorenschaft

Die Autoren Hautz SC und Hautz WE haben zu gleichen Teilen zu dem Artikel beigetragen.


Literatur

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