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GMS German Medical Science — an Interdisciplinary Journal

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1612-3174

Bewertung klinischer Prüfungen in Deutschland durch die Ethik-Kommissionen: Erfahrungen von Antragstellern mit dem Bewertungsverfahren klinischer Prüfungen bei den Ethik-Kommissionen - Ergebnisse einer Umfrage bei Mitgliedsunternehmen des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA)

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  • corresponding author Hagen Russ - Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg, Deutschland
  • Susanne Busta - Bristol-Myers-Squibb GmbH & Co. KGaA, Munich, Deutschland
  • Axel Riedel - Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Biberach, Deutschland
  • Gereon Zöllner - Wyeth Pharma GmbH, Münster, Deutschland
  • Bertfried Jost - Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg, Deutschland

GMS Ger Med Sci 2009;7:Doc07

doi: 10.3205/000066, urn:nbn:de:0183-0000663

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/gms/2009-7/000066.shtml

Eingereicht: 12. Februar 2009
Überarbeitet: 7. Juni 2009
Veröffentlicht: 16. Juli 2009

© 2009 Russ et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Das Verfahren bei der Ethik-Kommission (EK) als Voraussetzung für den Beginn einer klinischen Prüfung, wurde in Deutschland im August 2004 mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/20/EG in der 12. AMG-Novelle grundlegend neu geregelt. Die bisherigen Erfahrungen von Antragstellern (Sponsoren, gesetzliche Vertreter von Sponsoren in der EG bzw. Personen oder Organisationen, die von den Sponsoren zur Antragstellung bevollmächtigt sind) in der Zusammenarbeit mit den Ethik-Kommissionen sind im Allgemeinen positiv, besonders was die Einhaltung der Fristen bei der Antragsbearbeitung durch die Ethik-Kommissionen betrifft. Inkonsistenzen existieren allerdings in den formalen und inhaltlichen Anforderungen an die eingereichten Antragsunterlagen und deren Bewertung durch die verschiedenen Ethik-Kommissionen.

Mit dem Ziel einer weiteren Qualitätssteigerung der Antragstellung sowie der Bewertung durch die Ethik-Kommissionen, wurden mittels einer von Januar bis April 2008 durchgeführten Umfrage bei Mitgliedsunternehmen des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) systematisch Art und Häufigkeit von formalen und inhaltlichen Einwänden erfasst sowie qualitativ und quantitativ ausgewertet. Grundlage waren Bescheide der für den Leiter der klinischen Prüfung jeweils zuständigen Ethik-Kommission (federführende Ethik-Kommission) bei Erstantragstellung einer klinischen Prüfung gemäß § 7 GCP-V.

21 der 44 Mitgliedsunternehmen des VFA haben sich an der Umfrage beteiligt. Ausgewertet wurden 288 Antragsverfahren auf zustimmende Bewertung einer klinischen Prüfung der Phasen I bis IV, die im Zeitraum Januar bis Dezember 2007 bei 40 Ethik-Kommissionen gestellt wurden.

In der vorliegenden Umfrage ist etwa jeder sechste Antrag unvollständig bzw. weist formale und/oder inhaltliche Einwände zu den Antragsunterlagen, insbesondere bezüglich der Dokumentation der Prüferqualifikation und/oder Eignung der Prüfstelle auf. Diese Einwände sind zum Teil auf die unterschiedlichen und/oder unklaren Anforderungen der einzelnen Ethik-Kommissionen hinsichtlich Inhalt und Umfang der Antragsunterlagen zurückzuführen. Aber auch von Seiten der Antragsteller ist verstärkt auf die Vollständigkeit und erforderliche Aussagekraft der Antragsunterlagen zu achten. Die meisten inhaltlichen Einwände bezogen sich auf die vorgelegten Patienteninformationen und Einwilligungserklärungen sowie die Prüfpläne. Insgesamt betrachtet, sind die Antragsteller allerdings im Durchschnitt nur 3 von 4 Einwänden nachgekommen, da die von den Ethik-Kommissionen angeforderten Informationen mit den eingereichten Unterlagen bereits vorlagen, aber bei der Bewertung durch die Ethik-Kommissionen nicht berücksichtigt wurden, eine Vielzahl der Einwände nicht gerechtfertigt war oder die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einwände fehlten. In diesen Fällen verwiesen die Antragsteller auf die vorgelegten Unterlagen oder begründeten durch nähere Erläuterungen und Stellungnahmen die Nicht-Umsetzung der Einwände. Dies wurde bis auf wenige Ausnahmen von den Ethik-Kommissionen akzeptiert. Die Umfrage beleuchtet die bestehende Heterogenität in den Bewertungen durch die verschiedenen Ethik-Kommissionen und zeigt Möglichkeiten auf, wie der bestehende konstruktive Dialog zwischen Antragsteller und Ethik-Kommissionen dazu dienen kann, die formalen und inhaltlichen Anforderungen an die einzureichenden Unterlagen sowie die Kriterien im Bewertungsverfahren klinischer Prüfungen bei den Ethik-Kommissionen innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen weiter zu harmonisieren.

Schlüsselwörter: Ethik-Kommissionen, Antragsverfahren, formale und inhaltliche Einwände, klinische Prüfung


Einführung

Im August 2004 erfolgte mit der 12. Novellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) [1] in Deutschland die Umsetzung der Europäischen Richtlinie 2001/20/EG [2] in nationales Recht. Weitere daraus resultierende Änderungen sowie Vorgaben der späteren Richtlinie 2005/28/EG [3] wurden in der deutschen GCP-Verordnung (GCP-V) [4] umgesetzt.

Mit der Implementierung der Richtlinien haben sich viele grundlegende gesetzliche Änderungen bei der Vorbereitung und Durchführung von klinischen Prüfungen in Deutschland ergeben. Dazu gehört u.a. die Genehmigung einer klinischen Prüfung durch die zuständige Bundesoberbehörde (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM oder Paul-Ehrlich-Institut, PEI) und die zustimmende Bewertung durch die zuständige Ethik-Kommission (federführende Ethik-Kommission) als Voraussetzung für deren Durchführung. Die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der klinischen Prüfung sowie das Verfahren bei der Bundesoberbehörde und der Ethik-Kommission in Deutschland, sind in §§ 40 bis 42 AMG festgelegt. Die bei der Bundesoberbehörde und Ethik-Kommission einzureichenden Unterlagen sowie der Ablauf und die Fristen bei der Bewertung durch die Ethik-Kommission sind in § 7 bzw. § 8 GCP-V genauer spezifiziert. Dabei sind die bei der Bundesoberbehörde und Ethik-Kommission einzureichenden Unterlagen nicht identisch. So sind bei der Ethik-Kommission zusätzlich spezifische Unterlagen zur Eignung der Prüfstelle und der Qualifikation des Prüfers sowie die Patienteninformation und Einwilligungserklärung vorzulegen.

Im Folgenden werden aktuelle Erfahrungen und Erkenntnisse von Antragstellern mit dem Bewertungsverfahren klinischer Prüfungen bei den Ethik-Kommissionen dargestellt. Erfasst wurden die formalen und inhaltlichen Einwände der federführenden Ethik-Kommissionen bei deren Beurteilung des Antrages auf zustimmende Bewertung. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu dienen, die Qualität der Antragstellung zu verbessern sowie eine weitere Harmonisierung des Bewertungsverfahrens durch die Ethik-Kommissionen zu erzielen.


Methodik

Mit dem Ziel, die Art und Häufigkeit formaler und inhaltlicher Einwände aus Bescheiden der federführenden Ethik-Kommissionen nach Erstantragstellung einer klinischen Prüfung gemäß § 7 Abs. 1–3 GCP-V zu erfassen und auszuwerten, entwarf eine Arbeitsgruppe des VFA Unterausschusses Klinische Forschung/Qualitätssicherung einen Fragebogen (Anhang 1 [Anh. 1], Anhang 2 [Anh. 2]). Gefragt wurde nach der Anzahl der Erstanträge im Zeitraum von Januar bis Dezember 2007, der Studienphase, dem therapeutischen Gebiet und der jeweiligen federführenden Ethik-Kommission. Ferner wurden Angaben zur Anzahl der formalen bzw. inhaltlichen Einwände pro Studienantrag mit einer kurzen Beschreibung des jeweiligen Sachverhaltes, der subjektiven Einschätzung und die Reaktion der befragten Antragsteller auf diese Einwände sowie die jeweilige Entscheidung der Ethik-Kommission abgefragt. Außerdem ordneten die befragten Unternehmen die Einwände 6 vorgegebenen Bewertungskategorien zu. Diese waren: Formale Einwände nach § 8 Abs. 1 GCP-V sowie die 5 Kategorien inhaltlicher Einwände bezüglich Patienteninformation und Einwilligungserklärung, Prüfplaninhalt, Prüfer- und Prüfstellenqualifikation, sonstige Antragsunterlagen nach § 7 Abs. 2 und 3 GCP-V und Andere (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Umfrage

Die Umfrage wurde von Januar bis April 2008 unter den Mitgliedsunternehmen des VFA durchgeführt und bezog sich auf Erstanträge im Zeitraum von Januar bis Dezember 2007. Von den im VFA organisierten und befragten 44 Unternehmen sind 22 Unternehmen im VFA-Unterausschuss Klinische Forschung/Qualitätssicherung vertreten. Von diesen Unternehmen haben sich 21 an der Umfrage beteiligt. Der Auswertung dieser Umfrage liegen die oben beschriebenen Angaben zu 288 Antragsverfahren dieser 21 Unternehmen bei 40 Ethik-Kommissionen zugrunde. Diese stellen rund 21% der 1400 bei den Bundesoberbehörden 2007 gestellten Anträge auf Genehmigung kommerzieller und nicht-kommerzieller klinischer Prüfungen dar [5], [6].


Ergebnisse

Die Verteilung der ausgewerteten 288 Antragsverfahren auf die verschiedenen Phasen der klinischen Prüfung und der therapeutischen Gebiete, ist Tabelle 1 [Tab. 1] und Tabelle 2 [Tab. 2] zu entnehmen.

Häufigkeit der formalen und inhaltlichen Einwände, bezogen auf die Gesamtzahl der Einwände

53% der insgesamt berichteten 1299 Einwände seitens der Ethik-Kommissionen bezogen sich auf Patienteninformation und Einwilligungserklärung, gefolgt von 19% der Einwände, die im Zusammenhang mit dem vorgelegten Prüfplan standen (Abbildung 1 [Abb. 1]). Jeweils 7% der Gesamteinwände ließen sich auf Formmängel nach § 8 Abs. 1 GCP-V bzw. sonstige Antragsunterlagen nach § 7 Abs. 2 und 3 GCP-V zurückführen. Nur 5% aller Einwände bezogen sich auf spezifische Unterlagen zur Prüfstelle und Prüfer. 9% der Einwände verteilen sich auf Forderungen, Hinweise und Empfehlungen, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit gemäß § 7 Abs. 2 und 3 vorzulegenden Antragsunterlagen stehen (hier „Andere“ genannt). Dieses Verteilungsmuster ist bei der Bewertung durch Ethik-Kommissionen der Landesärztekammern oder der Universitätskliniken nahezu identisch.

Zu beachten ist, dass die Antragsteller 24% der Einwände nicht nachgekommen sind, da die relevanten Informationen mit den eingereichten Unterlagen bereits vorlagen, aber bei der Bewertung durch die Ethik-Kommissionen nicht berücksichtigt wurden oder die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einwände fehlten. In diesen Fällen wurde auf die vorgelegten Unterlagen verwiesen oder ggf. durch nähere Erläuterungen die Nicht-Umsetzung der Einwände von den Antragstellern begründet. Dies wurde bis auf 5 Ausnahmen von den Ethik-Kommissionen akzeptiert. Der Anteil der nicht umgesetzten Einwände war in den Bewertungskategorien „Prüfplaninhalt“ (44%), „sonstige Antragsunterlagen nach § 7 Abs. 2 und 3 GCP-V“ (33%) und „Andere“ (46%) am höchsten. Den Einwänden bezüglich „Prüfer- und Prüfstellenqualifikation“ sowie „Patienteninformation und Einwilligungserklärung“ wurde mit einer Umsetzungsrate von 87% bzw. 85% weitgehend nachgekommen.

Häufigkeit der formalen und inhaltlichen Einwände, bezogen auf die Studienanträge

Betrachtet man die Studienanträge hinsichtlich formaler und inhaltlicher Einwände (vgl. Abbildung 2 [Abb. 2]), so ist festzustellen, dass 78,5% aller Studienanträge (76% Phase I; 79% Phase II–IV) mindestens einen Einwand bezüglich der vorgelegten Patienteninformation und Einwilligungserklärung und 45,1% aller Studienanträge (42% Phase I; 45,8% Phase II–IV) mindestens einen Einwand bezüglich des Prüfplaninhaltes erhielten. Der Anteil der unvollständigen Anträge mit formalen Einwänden lag in der vorliegenden Umfrage bei 16% (10% Phase I bzw. 17,2% Phase II–IV). 24 der 288 Studienanträge (Gesamt 8,3%; 14% der Phase-I- bzw. 7,1% der Phase-II- bis IV-Studien) hatten weder formale noch inhaltliche Einwände, während 3 Studienanträge aufgrund des Studiendesigns abgelehnt wurden. Für nur einen Antrag wurde die 10-tägige Frist für die formale Prüfung durch die Ethik-Kommission nicht eingehalten. Bei insgesamt 8 Anträgen (2,8%) wurde die 60-tägige Bearbeitungszeit für die inhaltliche Prüfung durch die Ethik-Kommissionen überschritten.

Verteilung der Studienanträge sowie Verteilung der Häufigkeit der formalen und inhaltlichen Einwände auf die in der Umfrage involvierten Ethik-Kommissionen

54,9% der 288 Studienanträge wurden bei 14 Ethik-Kommissionen der Landesärztekammern und Länder, 45,1% der Anträge bei 26 Ethik-Kommissionen der Universitätsklinika zur Bewertung eingereicht. Nur 10 (25%) der insgesamt in diese Umfrage involvierten 40 Ethik-Kommissionen bewerteten jeweils mindestens 10 Anträge, insgesamt aber 155 Anträge und damit mehr als die Hälfte (53,8%) aller Studienanträge.

Abbildung 3 [Abb. 3] zeigt die Anzahl der Studienanträge pro Ethik-Kommission.

Stratifiziert man alle in diese Umfrage involvierten Ethik-Kommissionen entsprechend der Anzahl der von ihnen jeweils bewerteten Anträge in 2 Gruppen (s. Tabelle 3 [Tab. 3]) so kann festgestellt werden, dass 23 Ethik-Kommissionen (57,5%) maximal jeweils 5 Studienanträge insgesamt 78 und damit 27,1% aller Studienanträge bewertet haben. Bei diesen Ethik-Kommissionen ist zu beobachten, dass im Mittel mehr Einwände pro Antrag erhoben wurden als in der Gruppe der Ethik-Kommissionen, die jeweils mehr als 5 Anträge bewerteten. Diese Ethik-Kommissionen beurteilten insgesamt betrachtet die Studienanträge wesentlich homogener. Diese Gruppe der Ethik-Kommissionen repräsentiert 42,5% der 40 involvierten Ethik-Kommissionen und bewertete 72,9% der insgesamt 288 Studienanträge.

Auch die Häufigkeitsverteilung der den entsprechenden Bewertungskategorien (Prüfplaninhalt, Prüfer- und Prüfstellenqualifikation etc.) zugeordneten Einwände zeigt ein ausgesprochen heterogenes Bild zwischen den Ethik-Kommissionen (Abbildung 4 [Abb. 4]).

Art der formalen und inhaltlichen Einwände

Gemäß § 8 GCP-V beginnt die inhaltliche Bearbeitung durch die Ethik-Kommissionen erst dann, wenn der Antrag als ordnungsgemäß bewertet ist. Bei Formmängeln, d.h. fehlenden oder unvollständigen Unterlagen entsprechend § 7 Abs. 2 und 3 GCP-V, hat der Antragsteller 14 Kalendertage Zeit, diese zu beheben. Erst nach Eingang eines ordnungsgemäßen Antrags beginnt die 30-Tage- (für monozentrische klinische Prüfungen) bzw. 60-Tage-Frist (für multizentrische klinische Prüfungen) der inhaltlichen Prüfung des Studienantrages. Unvollständige Anträge verschieben die Bewertungsphase und verlängern das Gesamtverfahren.

Im Folgenden werden die formalen und inhaltlichen Einwände in absteigender Häufigkeit ihres Auftretens aufgeführt.

Formale Einwände

Folgende formale Einwände nach § 8 Abs. 1 GCP-V wurden am häufigsten genannt:

  • Fehlende oder unvollständige Angaben zur Qualifikation der Prüfer und/oder Eignung der Prüfstelle wie z.B. fehlende Qualifikationsnachweise (Lebensläufe, GCP-Kenntnisse), unzureichende Erläuterungen zum Ablauf der Patientenrekrutierung und unvollständige Darstellungen der Kapazität des Prüfzentrums
  • Fehlende Erklärung zur Einbeziehung möglicherweise vom Sponsor oder Prüfer abhängiger Personen gemäß GCP-V § 7 Abs. 3 Nr. 4
  • Fehlende Erklärung zur Einhaltung des Datenschutzes gemäß GCP-V § 7 Abs. 3 Nr. 15
  • Fehlender oder unzureichender Nachweis einer Versicherung gemäß GCP-V § 7 Abs. 3 Nr. 13

Inhaltliche Einwände

Entsprechend dem Umfrageergebnis bezogen sich mit Abstand die häufigsten inhaltlichen Einwände auf die vorgelegten Patienteninformationen und Einwilligungserklärungen. Die wiederholt genannten Einwände waren:

  • Die Patienteninformation in einer laienverständlichen Sprache zu verfassen und Fachbegriffe zu erklären
  • Die Patienteninformation mit den Kontaktdaten und der Anschrift des Prüfers bzw. des Prüfzentrums z.B. mittels Briefkopf zu versehen
  • Die Risiken, unerwünschte Wirkungen oder Nebenwirkungen unter Angabe der prozentualen Häufigkeit in Anlehnung an Prüferinformation bzw. die Gebrauchsinformation übersichtlicher darzustellen oder zu ergänzen
  • Den Datenschutzpassus hinsichtlich des Verfahrens der Pseudonymisierung zu konkretisieren
  • In dem Passus zum Versicherungsschutz darauf hinzuweisen, dass die Versicherungsbedingungen an den Patienten auszuhändigen sind und klar darzustellen, wie sich der Patient im Falle eines vermuteten Schadens oder eines Notfalles zu verhalten hat
  • Die erlaubten Methoden zur Kontrazeption präzise zu benennen
  • Dass der Hausarzt, nach Zustimmung des Patienten, von der Studienteilnahme zu informieren ist

Weitere inhaltliche Einwände betrafen den vorgelegten Prüfplan. Von den befragten Firmen wurden folgende Punkte als die am häufigsten mitgeteilten Forderungen im Zusammenhang mit Prüfplaninhalten genannt:

  • Weitergehende Spezifizierung von Einschluss-/Ausschluss- oder Abbruchkriterien (z.B. dass keine auf behördliche oder gerichtliche Anordnung in einer Anstalt untergebrachte Personen in die Prüfung einbezogen werden oder Einwilligungsfähigkeit des Patienten Voraussetzung für die Studienteilnahme ist; Abbruchkriterien für den einzelnen Studienteilnehmer sowie die gesamte klinische Prüfung präzisieren)
  • Nähere Angaben zur Kontrazeption
  • Begründung des Studiendesigns, insbesondere eines Placebo-Arms
  • Aufnahme der Publikationsregeln, der SAE-Meldeadresse und Details zum Monitoring

Als Einwände bezüglich der Prüferqualifikation und Eignung der Prüfstelle wurden berichtet:

Prüferqualifikation:

  • Unzureichender Nachweis der vorhandenen GCP-Kenntnisse mit Hinweis auf die Notwendigkeit eines AMG/GCP-Kurses. In einigen Fällen wird der Nachweis anderer Kenntnisse, wie z.B. der Fachkunde zur EKG-Auswertung, gefordert.
  • Fehlende Angaben zu weiteren an der Studie beteiligten Prüfern.
  • In einem Fall wurden mehrere Prüfstellen wegen mangelnder Qualifikation der Prüfer durch eine Ethik-Kommission abgelehnt, ohne die geforderte Qualifikation näher zu erläutern.

Eignung der Prüfstelle:

  • Nachforderungen des schriftlichen Einverständnisses des Klinikdirektors bzw. Abteilungsleiters zur Studiendurchführung.
  • Fehlende Angaben zu parallel verlaufenden und/oder konkurrierenden Studien und gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherstellung der Rekrutierungszusagen.

Die hinsichtlich der Antragsunterlagen nach § 7 Abs. 2 und 3 GCP-V wiederholt genannten Einwände waren:

  • Die Publikationsklausel in dem zwischen dem Sponsor und der Prüfstelle vorgesehenen Vertrag zu präzisieren (§ 7 Abs. 3 Nr. 16),
  • Die Forderung nach einer studienspezifischen Versicherungsbestätigung, obwohl der Nachweis einer Versicherung nach § 40 AMG vorlag (§ 7 Abs. 3 Nr. 13)
  • Die Vergütung des Prüfarztes näher aufzuschlüsseln und den zu erbringenden ärztlichen Leistungen gegenüber zu stellen (§ 7 Abs. 3 Nr. 14)

Eine Vielzahl von Forderungen, Hinweisen und Empfehlungen, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit gemäß § 7 Abs. 2 und 3 vorzulegenden Antragsunterlagen standen, wurden in der Kategorie Andere Einwände zusammengefasst. Am häufigsten wurden berichtet:

  • Die Empfehlung (teilweise Forderungen) zum Abschluss einer Wegeunfallversicherung
  • Die Forderung nach einer Erläuterung bzw. Änderung der Publikationsstrategie
  • Die Forderung nach einer Bestätigung des Sponsors, dass jeder Prüfer durch einen für die pharmakologisch-toxikologische Prüfung verantwortlichen Wissenschaftler über deren Ergebnisse und die voraussichtlich mit der Klinischen Prüfung verbundenen Risiken informiert wurde (vgl. § 40 Abs. 1 Nr. 7)

Diskussion

Das Verfahren zur Bewertung von klinischen Prüfungen durch Ethik-Kommissionen wurde im August 2004 mit der Umsetzung der europäischen Richtlinie 2001/20/EG durch die 12. AMG Novelle und die entsprechenden Ausführungsverordnungen in Deutschland grundsätzlich neu geregelt. Ziel war eine weitere Optimierung von Patientensicherheit und Qualität klinischer Prüfungen sowie eine Harmonisierung der regulatorischen Anforderungen im EU Raum. Insbesondere die EU-weite Harmonisierung der Antragsverfahren hat trotz der erheblich gestiegenen Anforderungen an den Umfang der Antragsunterlagen zu einer Erleichterung für die Antragssteller geführt. Daher sind nationale oder gar lokale Sonderregelungen grundsätzlich kritisch zu betrachten.

Das eingeführte Verfahren hat sich aus Sicht der im VFA vertretenen pharmazeutischen Unternehmen durch z.B. die Reduzierung auf ein Ethik-Votum und die Einführung von Fristen grundsätzlich bewährt. Dies macht auch die vorliegende Umfrage auf Grundlage einer breiten und durchaus repräsentativen Datenbasis deutlich.

Allerdings zeigt die Umfrage auch, dass in vielerlei Hinsicht noch Raum für weitere Optimierung besteht. So wiesen 16% bis 23% der Anträge Formmängel (§ 8 Abs. 1 GCP-V) bzw. formale und/oder inhaltliche Einwände zu den Antragsunterlagen

(§ 7 Abs. 2 und 3) auf. Diese sind zum Teil auf die unterschiedlichen und/oder unklaren Anforderungen der einzelnen Ethik-Kommissionen hinsichtlich Inhalt und Umfang der Antragsunterlagen zurückzuführen. Aber auch von Seiten der Antragsteller sollte verstärkt auf die Vollständigkeit und erforderliche Aussagekraft der Antragsunterlagen, insbesondere der Dokumentation zur Prüferqualifikation und Eignung der Prüfstellen, geachtet werden. Berücksichtigt man, dass Grundlage der hier vorliegenden Umfrage die Bescheide der für den Leiter der klinischen Prüfung jeweils zuständigen Ethik-Kommission (federführende Ethik-Kommission) sind und die für weitere Prüfer zuständigen Ethik-Kommissionen (beteiligte Ethik-Kommissionen) Einwände und Rückfragen zur Prüferqualifikation und Eignung der Prüfstellen in der Regel direkt mit dem Antragsteller adressieren, so ist zu vermuten, dass dieser Anteil tatsächlich höher ist. Hier würde z.B. eine gesetzliche Klarstellung der Prüferdefinition sowie der Anforderungen an die Antragsunterlagen zur weiteren Effizienzverbesserung und Beschleunigung des Bewertungsprozesses erheblich beitragen.

Die ausgeprägte Heterogenität in den Bewertungsverfahren zwischen den einzelnen Ethik-Kommissionen ist in dieser Umfrage ganz offensichtlich geworden. Es bestehen zum Teil sehr unterschiedliche Anforderungen an den Inhalt und den Umfang der Patienteninformation und Einwilligungserklärung. Während einige Ethik-Kommissionen auf der Verwendung einer eigenen Datenschutzerklärung oder Formulierungen zum Versicherungsschutz bestehen, verweisen andere Ethik-Kommissionen auf die entsprechende Vorlage des Arbeitskreises der medizinischen Ethik-Kommissionen. Auch hinsichtlich der Ein- und Ausschlusskriterien, weichen die Ansätze der Ethik-Kommissionen erheblich voneinander ab. Von einigen Ethik-Kommissionen wird z.B. angeregt, die Auflistung der Ein- und Ausschlusskriterien ganz entfallen zu lassen; andere Ethik-Kommissionen dagegen möchten die Auflistung nur auf die wichtigsten Kriterien beschränken. Hier sollte intensiv an einer Harmonisierung gearbeitet werden, um das Verfahren kalkulierbarer und noch schneller zu machen. Dabei kommt aus Sicht der Antragsteller der Etablierung und generellen Akzeptanz von möglichst verbindlichen Standards, z.B. der von dem Arbeitskreis der medizinischen Ethik-Kommissionen erarbeiteten Mustertexte, eine besondere Bedeutung zu.

Der in der Umfrage widergespiegelte hohe Anteil nicht nachgekommener Einwände ist darauf zurückzuführen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einwände fehlten, die von den Ethik-Kommissionen angeforderte Informationen mit den eingereichten Unterlagen, insbesondere des Prüfplans, bereits vorhanden waren, aber bei der Bewertung durch die Ethik-Kommissionen nicht berücksichtigt wurden oder eine Vielzahl der Einwände nicht gerechtfertigt war. Dieser Anteil sollte deutlich reduziert werden, da er sowohl auf Seiten der Antragsteller als auch der Ethik-Kommissionen Ressourcen bindet, ohne die Patientensicherheit oder die Qualität der klinischen Prüfung zu verbessern.

Um die Machbarkeit von klinischen Prüfungen in Deutschland auch in Zukunft zu gewährleisten, sollte stets kritisch geprüft werden, ob Forderungen von Ethik-Kommissionen etwa nach einer weiteren Spezifizierung von Ein- und Ausschlusskriterien oder Abbruchkriterien für den einzelnen Studienteilnehmer, etwa in Form eines Prüfplan-Amendment, aus ethischer Sicht wirklich zwingend notwendig sind. Bei großen multinationalen klinischen Prüfungen sind beispielsweise solche Amendments auf der einen Seite oft kaum umsetzbar auf der anderen Seite lassen sich aber nationale Besonderheiten erfahrungsgemäß meist auch anders implementieren.

Insgesamt hat sich gezeigt, dass eine weitgehende Professionalisierung des Bewertungsverfahrens bei den Ethik-Kommissionen positive Auswirkungen auf die Qualität und Dauer der Bewertung hat. Ethik-Kommissionen, die als federführende Ethik-Kommissionen zahlreiche Anträge bearbeiten und daher über eine sehr gut entwickelte Infrastruktur und Erfahrung verfügen, erheben im Durchschnitt weniger Einwände. Dies war besonders bei Einwänden zu beobachten, die sich auf den vorgelegten Prüfplan bezogen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass nur 25% der in dieser Umfrage involvierten 40 Ethik-Kommissionen mehr als die Hälfte (53,8%) aller Studienanträge bewerteten. Diese Situation wird wesentlich durch die Antragsteller bestimmt, die durch die Wahl des Leiters der klinischen Prüfung die federführende Ethik-Kommission begründen.


Schlussfolgerungen

Unsere Umfrage zeigt

  • eine ausgeprägte Heterogenität der Anforderungen und Bewertungen, insbesondere bezüglich Patienteninformation und Einwilligungserklärung sowie Prüferqualifikation. Die Maßstäbe sind dabei aus Sicht der Antragsteller in vielen Fällen eher subjektiv als von nachvollziehbaren Vorschriften bestimmt
  • dass bei Dissens zwischen Antragsteller und Ethik-Kommissionen meist konstruktive Lösungen gefunden werden können, die sowohl die Umsetzung als auch die begründete Nicht-Umsetzung der erhobenen Einwände ermöglicht
  • dass der durch den Arbeitskreis der medizinischen Ethik-Kommissionen begonnene positive Ansatz der formalen Vereinheitlichung des Antrages im Sinne einheitlicher Vorgaben zum Umfang der einzureichenden Unterlagen sowie einheitlicher und möglichst verbindlicher Bewertungskriterien unter strikter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben, z.B. über Mustertexte, konsequent fortgeführt werden sollte
  • dass im Rahmen der nächsten Novellierung des AMG und der GCP-Verordnung eine Klarstellung und Vereinfachung der für die Durchführung von klinischen Prüfungen notwendigen Anforderungen und Antragsunterlagen weiter vorangetrieben werden muss.

Die hier vorgestellte Umfrage zu den Erfahrungen der im VFA repräsentierten forschenden Arzneimittelhersteller mit dem Bewertungsverfahren von klinischen Prüfungen durch die Ethik-Kommissionen zeigt gute Wege auf, die Qualität und Effizienz dieses Verfahrens weiter zu optimieren und damit sowohl die Patienteninteressen zu wahren wie auch die Position Deutschlands als attraktiven Forschungsstandort weiter zu stärken. Dazu ist es erforderlich, den begonnen konstruktiven Dialog zwischen Antragsteller, Ethik-Kommissionen und Behörden gemeinsam fortzuführen, um so weitere Fortschritte zu erzielen.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren sind Mitarbeiter von VFA-Mitgliedsunternehmen.

Danksagung

Die Autoren danken den VFA-Mitgliedsunternehmen, die sich an der vorliegenden Umfrage beteiligten sowie Herrn Dr. F. Hundt und Herrn Dr. T. Ruppert für die kritische Durchsicht des Manuskriptes.


Literatur

1.
Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittel - AMG). Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 9 Abs. 1 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) geändert worden ist [German Drug Law/German Medicines Act]. Berlin: Bundesministerium der Justiz; [cited 2009 Jul 07]. Available from: http://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/index.html Externer Link
2.
Directive 2001/20/EC of the European Parliament and of the Council of 4 April 2001 on the approximation of the laws, regulations and administrative provisions of the Member States relating to the implementation of good clinical practice in the conduct of clinical trials on medicinal products for human use. Official Journal of the European Union 2001;L 121, 1/5/2001:34-44. Available from: http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/eudralex/vol-1/dir_2001_20/dir_2001_20_en.pdf Externer Link
3.
Commission Directive 2005/28/EC of 8 April 2005 laying down principles and detailed guidelines for good clinical practice as regards investigational medicinal products for human use, as well as the requirements for authorisation of the manufacturing or importation of such products. Official Journal of the European Union 2005;L 91, 9/4/2005:13-9. Available from: http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/eudralex/vol-1/dir_2005_28/dir_2005_28_en.pdf Externer Link
4.
Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen [Regulation on the implementation of Good Clinical Practice in the conduct of clinical trials on medicinal products for human use]. GCP-Verordnung vom 9. August 2004 (BGBl. I S. 2081), die zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 3. November 2006 (BGBl. I S. 2523) geändert worden ist. Berlin: Bundesministerium der Justiz; [cited 2009 Jul 07]. Available from: http://www.gesetze-im-internet.de/gcp-v/index.html Externer Link
5.
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte [Statistics of the Federal Institute for Drugs and Medical Devices]. Genehmigungsverfahren Statistik. Bonn: BfArM; [updated: 2008 Feb 26; cited 2009 Jul 07]. Available from: http://www.bfarm.de/cln_012/nn_1198686/DE/Arzneimittel/1__vorDerZul/klinPr/klin__prf__genehm/Statistik.html Externer Link
6.
Paul-Ehrlich-Institut. Statistics on the requests for clinical trial authorisations. Langen: PEI; [created: 2007 Feb 27; updated: 2009 Feb 05; cited 2009 Jul 07]. Available from: http://www.pei.de/cln_116/nn_275200/EN/infos-en/pu-en/02-clinical-trials-pu-en/statistics/statistics-content-en.html#doc275246bodyText9 Externer Link