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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Die infizierte Wunde – Grundsätze zur Behandlung aus klinischer Sicht

The infected wound – principles in therapy from clinical point of view

Übersichtsarbeit

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  • corresponding author Johannes C. Bruck - Abteilung für Plastische Chirurgie des Martin-Luther-Krankenhauses, Berlin, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc63

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2007-2/dgkh000096.shtml

Veröffentlicht: 28. Dezember 2007

© 2007 Bruck.
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Zusammenfassung

Eine erfolgsorientierte Behandlung chronischer nicht heilender Wunden findet im Spannungsfeld von Antisepsis und Asepsis, Ernährung, Therapie von Begleiterkrankungen und Justierung von Umgebungsfaktoren statt.

Die Pflege und das Debridement der Wunde, die Unterstützung der Reparationsmechanismen durch die Behandlung von Grund- und Begleiterkrankungen, aber auch die Rehabilitation des Patienten stehen im Zentrum der Therapieplanung. Als Fazit ergibt sich, dass die Behandlung chronischer Wunden zwar grundsätzlich eine chirurgische ist, das Gesamttherapiekonzept aber interdisziplinär sein muss.

Schlüsselwörter: Wundheilung, Regeneration, reparative Entzündung, Wundheilungsstörungen, Wundreinigung, Antiseptik, Defektdeckung

Abstract

The successful management of chronic or difficult healing wounds is dependant on correct asepsis, antisepsis, nutrition, treatment and correction of underlying diseases or other circumventing factors.

The correct care including debridement of a wound, which augments the mechanisms for regeneration, but also emphasis on port treatment rehabilitation have to be centerpieces of the wound management. As a consequence, the management of wounds is a surgical domain; however, the overall management must be an interdisciplinary approach.

Keywords: wound healing, regeneration, reparative inflammation, disturbances of wound healing, wound cleansing, antisepsis, plastic reconstruction


Einleitung

Jede Wunde ist grundsätzlich eine Unterbrechung der anatomischen oder physiologischen Barriere eines Körpergewebes und damit seiner Funktion. Die Wundheilung dient der Wiederherstellung der Integrität des Körpergewebes – häufig der Körperoberfläche – durch Regeneration oder Reparation mit dem Ziel, sowohl an der Körperoberfläche als auch an den Organen Flüssigkeitsverluste von Innen und eine mögliche Kontamination von Außen zu verhindern und die mechanische Festigkeit des Gewebes wieder herzustellen.

Die Wunde kann per primam intentionem, also durch chirurgischen Wundverschluss, oder per secundam intentionem durch körpereigene biologische Prozesse heilen. Das kann entweder durch Regeneration oder Reparation stattfinden. Hierbei ist zu bedenken, dass eine Wunde bereits nach 6 h Exposition – im Fall der Körperoberfläche ist das bereits ein Defekt des Epithels – von Mikroflora kontaminiert wird [1].

Eine Regeneration der Wunden findet an der Körperoberfläche nur im Fall von Epithelläsionen wie z.B. erst- oder oberflächig zweitgradigen Verbrennungen und Abrasionen wie beim Sonnenbrand aus unverletzten Hautanhangsgebilden durch Reepithelisation statt.

Die Reparation einer Wunde läuft in mehreren Stadien und immer unter Entwicklung von Narbengewebe ab. Für die Regeneration ebenso wie für die Reparation ist ein „sauberer“ Wundgrund Voraussetzung, d.h. die Wunde muss frei von Fremdkörpern und Nekrosen sein.


Wundheilung

Die Wundheilung in der Haut verläuft nach einem uniformen Muster, phasenweise und in Abhängigkeit von externen, systemischen und lokalen Faktoren ab. Durch die Verletzung der Gefäße wird die Gerinnungskaskade in Gang gesetzt, Zellen und ihre Mediatoren ausgeschüttet, eine Entzündungsreaktion in Gang gesetzt und schließlich beginnt in Abhängigkeit von äußeren Einflüssen die Narbenbildung. An der Körperoberfläche ist eine Regeneration der Epithelschicht aus den Hautanhangsgebilden, die in unterschiedlicher Tiefe der Haut angeordnet sind, solange möglich, solange die Basalmembran der Hautanhangsgebilde intakt ist und eine Infektion der Körperoberfläche von Außen vermieden werden kann. Andernfalls bildet sich Granulationsgewebe am Wundgrund, das epithelisiert und zu einer typischen hypertrophen Narbe abreift. Im Gegensatz zu normalem unverletztem Korium zeigt Granulationsgewebe keine elastischen Komponenten, so dass es mechanisch instabil und wenig belastbar ist.

Ist wegen der Tiefe und Ausdehnung der Wunde keine Regeneration aus den Hautanhangsgebilden möglich, müssen Reparationsvorgänge in Gang gesetzt werden.

In der Entzündungsphase kommt es unmittelbar nach der Gerinnung von austretendem Blut zur Infiltration der Wunde mit Granulozyten und Monozyten, Exudation von Serum und seinen Mediatoren und damit überschneidend zur Proliferation aller an der Wunde beteiligten Zellformationen. Beim gesunden Organismus ist die Wunde der Körperoberfläche zwischen dem 9. und 12. Tag verschlossen, die Zellzahl und der O2-Verbrauch in der Wunde nehmen ab, die kollagenen Fasern schrumpfen und verfestigen die Wunde.

Jede Wunde, die nicht spätestens nach 2-3 Wochen verschlossen ist und kein Exudat mehr produziert, ist als chronische Wunde zu bezeichnen.


Störungen der Wundheilung

Die häufigsten Störungen der Wundheilung sind eine mangelhafte Durchblutung und die Wundheilung störende Fremdkörper, zu denen auch Gewebenekrosen zählen.

Mobilität und unachtsamer Umgang können ebenfalls zur Störung der Wundheilung durch mechanische Einflüsse beitragen.

Auch Medikamente wie Zytostatika, Psychopharmaka, Drogen, Kortison aber auch Antibiotika können den Ablauf der Wundheilung stören. Schließlich beeinträchtigen Unterernährung, konsumierende Erkrankungen und ionisierende Strahlen ihren physiologischen Ablauf.

Im Gegensatz dazu wird die Wundheilung unterstützt durch Wundreinigung, Ruhigstellung und Schaffung eines feuchten, keimfreien Milieus.


Wundreinigung

Sie kann mechanisch, enzymatisch oder biologisch erfolgen, wobei die mechanisch chirurgische Wundreinigung zuverlässig, rasch und wirtschaftlich ist [2].

Keimarmut oder gar Keimfreiheit in der Wunde kann nur durch eine adaptierte Lokaltherapie und Wundantiseptik gewährleistet werden. Diese hat situations- und erregergerecht zu sein und muss gegebenenfalls im Laufe der Behandlung stadiengerecht geändert werden [3].

Grundsätzlich gilt, dass lokalisierte Wundinfektionen antiseptisch behandelt werden müssen, weil es sonst nicht zur Heilung kommen kann. Die Konsequenzen der Wundinfektion sind bei der Wahl des richtigen Antiseptikums für eine Wundheilung störender als die Folgen der Zytotoxizität des Antiseptikums [4].


Wundantiseptika

Polyvidon Iod: Der Wirkstoff verfügt über ein breites Spektrum und ist bakteriozid und fungizid wirksam. Er wird allerdings rasch im Wundsekret inaktiviert und bildet als Iodproteinat einen oberflächlichen bräunlichen Wundschorf, der die Beurteilung der Tiefe der Wunde erschweren kann. Bei erhaltener Sensibilität ist das Auftragen von Polyvidon-Iod schmerzhaft. Es liegt als Lösung, Salben und Salbengaze vor, wobei klinisch die Behandlung mit Salben weniger schmerzhaft scheint als die mit Lösungen. Allergien sind selten, die Kosten sind gering.

Fusidinsäure: Sie verfügt ebenfalls über ein breites antimikrobielles Spektrum, liegt als Gaze, Salbe und Trockensubstanz vor, ist wenig schmerzhaft und gewährleistet ein feuchtes Wundmillieu. Allerdings ist die Anwendung teuer.

Polihexanid 0,02%: Der Wirkstoff ist als Einziger nicht zytotoxisch gegen Epithelzellen und Granulozyten und zeigt ebenfalls ein breites antimikrobielles Wirkungsspektrum. Er liegt als wässrige Lösung und seit kurzem auch als Gel vor. Damit ist ein feuchtes Wundmillieu gewährleistet. Durch die Verdunstung der wässrigen Lösung wird die Wunde gekühlt, was subjektiv als angenehm empfunden wird. Die Applikation ist schmerzfrei. Allergien sind nicht bekannt. Trotz der hohen Verdünnung ist Polihexanid teuer.

3%ige NaCl-Lösung: Sie wirkt durch ihre Hyperosmolarität unspezifisch gegen Mikroorganismen und Wundgewebe. Der Vorteil liegt in dem niedrigen Preis und der weitgehend schmerzlosen Applikation. Durch die Hyperosmolarität bewirken die Verbandwechsel ein mildes Debridement des Wundgrunds. Allergien sind nicht bekannt, doch kann es zur Austrocknung der Wundränder kommen, weshalb diese mit Zinksalbe oder -paste geschützt werden sollten.

Hydrokolloide: Sie erzeugen ein ideales Wundmillieu bezüglich Dampfdruck und Temperatur und zeigen eine hohe Resorptionsfähigkeit für Sekret. Sie bilden einen guten Infektionsschutz von Außen, aber keine Mikrobiostase. Sie erleichtern vor allem die Pflege, gewährleisten eine schmerzlose Wundbehandlung, sind aber relativ teuer. Probleme sind die Beurteilung des Wundgrunds, mögliche Geruchsbelästigung bei der Pflege und das Risiko der Erregervermehrung im verhaltenen Sekret.

Vakuumversiegelung: Sie stellt eine neue und vom Wirkansatz grundsätzlich andere Methode der Wundreinigung dar. Die Wundreinigung erfolgt hierbei mechanisch durch Bildung von Unterdruck. Vorteilhaft sind die Bildung eines feuchten Wundmillieus und die Ruhigstellung der Wunde. Das Verfahren ist technisch aufwendig, teuer und ambulant schwer durchführbar. Die Vakuumversiegelung weist in Einzelfällen nachgewiesene Vorteile in der Reinigung und Stabilisation von Wunden, wenn nicht sogar der Wundheilung auf. Sie eignet sich gut als Interimsmaßnahme bis zum chirurgischen Wundverschluss, da Progredienzen von Infektionen und Nekrosen nicht zu erwarten sind. Statistisch sind bis heute vergleichbare Kollektive nicht ausreichend differenziert verfügbar, so dass Leitlinien für den Einsatz fehlen.

Unterstützung der Wundheilung: Die Vorbereitung der Sanierung von chronischen und schwer heilenden Wunden besteht in der Anamnese von Grund- und Begleitkrankheiten, der Entfernung von Fremdkörpern und Nekrosen, der Erhebung des Eiweißstatus, aber auch der Spurenelemente, und der Anfertigung eines Abstrichs (ggf. mit Koloniezahlbestimmung im Gewebe) zum Erregernachweis und zur Erstellung eines Antibiogramms, falls eine systemische Antibiose erforderlich ist. Bei Nachweis von MRSA oder anderen multiresistenten Erregern werden zusätzlich zur Behandlung Isolationsmaßnahmen eingeleitet. Eine blinde Antibiotikaprophylaxe ist besonders bei Vorliegen von Nekrosen im Wundbett kontraindiziert.

Erst dann können Entscheidungen zur Defektdeckung getroffen werden.

Defektdeckung: Bei ausreichender Allgemeinsituation des Patienten können kleine Wunden bis etwa 5 cm Durchmesser spontan per secundam intentionem heilen. Andernfalls kann im Anschluss an ein Wunddebridement eine Deckung mit plastisch- chirurgischen Maßnahmen geplant werden. In Abhängigkeit von der Qualität des Wundgrunds und dem Vorliegen von Sehnen, Knochen und Gelenken kann dies mit Spalt- oder Vollhaut, Nah- oder Fernlappenplastiken oder auch mikrochirurgisch erfolgen.


Literatur

1.
Assadian O, Kramer A. Wundinfektionen. In: Lippert H, Hrsg. Wundatlas. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2006. S. 59-63.
2.
Assadian O, Kramer A, Piatek S, Schulz, HU, Tautenhahn J. Lokalbehandlung sekundär heilender Wunden. In: Lippert H, Hrsg. Wundatlas. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2006. S. 55-8.
3.
Assadian O, Kramer A. Wundantiseptik. In: Lippert H, Hrsg. Wundatlas. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2006. S.63-7
4.
Kramer A, Assadian O, Müller G, Brauer V, Stier A, Hübner NO. Aktuelle Erkentnisse zu Indikationen und zur Auswahl von Mitteln bzw. Verfahren zur Wundantiseptik. In: Eikmann Th, Christiansen B, Exner M, Herr C, Kramer A, Hrsg. Hygiene in Krankenhaus und Praxis. (Loseblattsammlung). Landsberg: Ecomed Medizin; 2007. 1. 6. Ergänzungslieferung.