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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Proliferationsförderung und Biokompatibilität von Polihexanid

Stimulation of proliferation and biocompatibility of polihexanide

Originalarbeit

  • corresponding author Cornelia Wiegand - Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie, Universitätsklinikum, Jena, Deutschland
  • Martin Abel - Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG, Rengsdorf, Deutschland
  • author Axel Kramer - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • Gerald Müller - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • Peter Ruth - Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG, Rengsdorf, Deutschland
  • author Uta-Christina Hipler - Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie, Universitätsklinikum, Jena, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc43

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2007-2/dgkh000076.shtml

Veröffentlicht: 28. Dezember 2007

© 2007 Wiegand et al.
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Zusammenfassung

Die Therapie von kritisch kolonisierten oder lokal infizierten chronischen Wunden verlangt oft eine antiseptische Behandlung, um pathogene Mikroorganismen, die zu einer Infektion führen könnten, abzutöten. Dabei wird in zunehmendem Maß die Kombination von Wundverbänden mit antimikrobiellen Mitteln wie Silber, PVP-Iod oder Polihexanid verwendet. Polihexanid ist wegen seiner guten guten Haut- und Wundverträglichkeit in Verbindung mit der antimikrobiellen Effektivität das Mittel der Wahl zur Behandlung dieser Wunden. Darüber hinaus besitzt es auch das Vermögen, sowohl in vitro als auch im Tiermodell die Wundheilung durch eine verbesserte Proliferation der Hautzellen zu fördern.

In der vorliegenden Studie konnte anhand von zwei verschiedenen Methoden gezeigt werden, dass Polihexanid in geringen Konzentrationen (bis zu 2 µg/ml) einen positiven Effekt auf die Proliferation humaner Keratinozyten hat. Konzentrationen von Polihexanid >2 µg/ml, inhibierten in den Versuchen entweder die Zellproliferation oder waren direkt zytotoxisch für die getesteten Zelltypen in vitro.

Schlüsselwörter: Polihexanid, Keratinozyten, Infektion, chronische Wunde

Abstract

The therapy of critically colonized or locally infected chronic wounds often demands a antiseptic treatment to ensure the removal of pathogenic micro-organisms that could lead to an infection. Therefore, wound dressings combined with antimicrobial agents such as silver, povidone-iodine or polihexanide are increasingly utilized. Polihexanide is regarded first choice for chronic wounds because of its good skin and wound tolerance beside its antimicrobial effectivity. Furthermore, it possesses the ability to induce proliferation in vitro as well as in animal models.

The present study was able to show that polihexanide has a positive effect on the proliferation of human keratinocytes in concentrations up to 2 µg/ml. On the other hand, higher concentrations of polihexanide inhibit cell proliferation or were directly cytotoxic to the tested cell types in vitro.

Keywords: polihexanide, keratinocytes, infection, chronic wound


Einleitung

Bei der Therapie kritisch kolonisierter oder lokal infizierter chronischer Wunden ist oft zusätzlich eine antiseptische Therapie notwendig, um pathogene Mikroorganismen, die zu einer Infektion führen können, abzutöten. Dabei wird in zunehmendem Maß die Kombination von Wundverbänden mit antimikrobiellen Mitteln wie Silber, PVP-Iod oder Polihexanid verwendet. PVP-Iod und Octenidin werden vor allem für die Reinigung akuter Wunden genutzt, während Polihexanid wegen der geringen Zytotoxizität und guten Hautverträglichkeit neben der antimikrobiellen Effektivität Mittel der Wahl für die Behandlung kritisch kolonisierter oder lokal infizierter chronischer Wunden ist. Polihexanid besitzt als aktive kationische Substanz (Abbildung 1 [Abb. 1]) einen spezifischen Wirkmechanismus gegenüber sauren Lipiden bakterieller Membranen und beeinflusst die neutralen Lipide humaner Zellmembranen nur geringfügig [1]. Darüber hinaus besitzt es eine anti-inflammatorische Wirkung [unveröffentlichte Daten], und es wurde ein positiver Effekt auf den Wundverschluss in vivo beobachtet [2]. Ziel der vorliegenden Studie war es, den Einfluss von Polihexanid auf die Proliferation drei verschiedener Zelllinien (NHDF, NHEK und HaCaT-Zellen) zu untersuchen.


Material und Methoden

Viabilität und Proliferation von humanen Fibroblasten, Keratinozyten und HaCaT-Zellen wurde mittels mikroskopischer Evaluierung von lebenden und toten Zellen (analySIS® 3.1 Soft Imaging System GmbH, Germany) untersucht bzw. über die Bestimmung des ATP-Gehalts mit dem ATPLite-M kit (Perkin Elmer) ermittelt. Dazu wurden die Zellen in 8-Well-Objektträger bzw. 96-Well-Mikrotiterplatten eingesät und für die Zeit von 48 h mit steigenden Polihexanid-Konzentrationen (0,2-40 µg/ml) inkubiert. Um zwischen lebenden und toten Zellen unterscheiden zu können, wurden die Zellen mit SYTO-13 und Ethidiumhomodimer-2 (Molecular Probes) gefärbt. Der luminometrische ATP-Assay basiert auf der Detektion von Licht, das in der ATP-abhängigen Umsetzung von D-Luziferin durch das Enzym Luziferase entsteht. Die Menge an freigesetztem IL-6 und IL-8 wurde mit Hilfe von spezifischen ELISAs (humanes IL-6 bzw. IL-8 ELISA, Milenia biotec) gemessen.


Ergebnisse

Polihexanid hat in niedrigen Konzentrationen eine positive Wirkung auf humane Zellen. Wir konnten zeigen, dass Konzentrationen von 0,2-2 µg Polihexanid/ml einen proliferativen Effekt auf Keratinozyten haben; im Vergleich zur Kontrolle wurden bis zu 20% mehr lebende Zellen gefunden (Abbildung 2 [Abb. 2], repräsentative Ergebnisse für NHEK). Für HaCaT-Zellen wurden ähnliche Ergebnisse erhalten. Humane Fibroblasten tolerierten diese Polihexanid-Konzentrationen, zeigten in der Inkubationszeit aber keine signifikante Steigerung der Proliferation. Höhere Polihexanidkonzentrationen (>2 µg/ml) wiesen dagegen einen negativen Effekt auf das Wachstum aller Zelltypen auf. Diese Beobachtungen wurden durch die mikroskopische Evaluierung der mit Zellen bedeckten Fläche nach Färbung mit SYTO-13 und EthD-2 bestätigt (Abbildung 3 [Abb. 3]). Die Lebend-/Tot-Färbung ließ eine signifikante Zunahme der abgestorbenen Zellen bei 40 µg/ml Polihexanid erkennen. Überraschenderweise zeigte dagegen die mittlere Konzentration von 4 µg/ml fast 100% lebende Zellen und nur eine signifikant niedrigere Anzahl an Zellen im Vergleich zur Kontrolle (Abbildung 4 [Abb. 4] und Abbildung 5 [Abb. 5]).

Darüber hinaus haben wir die Interleukinproduktion von HaCaT-Zellen unter dem Einfluss von Polihexanid untersucht (Abbildung 6 [Abb. 6]). Proliferations fördernde Konzentrationen (0,2-2 µg/ml) senkten die Produktion von IL-6 im Vergleich zur Kontrolle während der Inkubationszeit (Abbildung 6 [Abb. 6]), während Konzentrationen von Polihexanid >2 µg/ml die IL-6-Produktion zeit- und konzentrationsabhängig erhöhten. Für IL-8 wurden vergleichbare Ergebnisse gefunden.


Diskussion

Polihexanid ist ein hoch wirksames Antiseptikum, das in mikrobioziden Konzentrationen nicht nur besser verträglich ist als andere antimikrobielle Verbindungen wie Chlorhexidin, Octenidin und PVP-Iod, sondern auch das Vermögen besitzt, sowohl in vitro als auch im Tiermodell Proliferation zu induzieren [2]. Darüber hinaus konnte ein positiver Effekt von Polihexanid auf die Wundheilung bei klinischen Verbrennungen 2. Grades gezeigt werden [3]. In den in vitro Untersuchungen wurde ein proliferativer Einfluss von Polihexanid auf Keratinozyten in Konzentrationen bis zu 2 µg/ml gefunden. In diesen Konzentrationen wird die Vitalität nicht beeinflusst und die Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen ist im Vergleich zur Kontrolle geringfügig erniedrigt. Konzentrationen von Polihexanid >2 µg/ml inhibieren entweder die Zellproliferation oder sind direkt zytotoxisch für die getesteten Zelltypen in vitro. Dieser Effekt wird von einer zeit- und konzentrationsabhängigen Erhöhung der IL-6- und IL-8-Freisetzung begleitet. In Wundauflagen wie Suprasorb® X+PHMB wird Polihexanid (syn. PHMB) für gewöhnlich in Konzentrationen von 0,2-0,3% verwendet. Dennoch wurden klinisch keine der für die höheren Konzentrationen auf den Zellen beschrieben zytotoxischen Effekte beobachtet und sie traten ebenfalls nicht im in vitro Zytotoxizitätstest nach der ISO-Norm 10993-5 mit Suprasorb® X+PHMB auf. Aufgrund der protein- und membranbindenden Eigenschaften von Polihexanid ist also zu erwarten, dass eine erheblich geringere Menge an freigesetztem Agens die antimikrobielle Wirkung ebenso wie die zusätzlichen proliferativen und antiinflammatorischen Effekte in exsudierenden kritisch kolonisierten oder infizierten Wunden erzielt. Dies wird durch die bisherigen in vitro Versuche und die klinische Erfahrung bestätigt.


Literatur

1.
Ikeda T, Tazuke S, Watanabe M. Interaction of biologically active molecules with phospholipid membranes. I. Fluorescence depolarization studies on the effect of polymeric biocide bearing biguanide groups in the main chain. Biochem Biophys Acta. 1983;735(3):380-6.
2.
Kramer A, Roth B, Müller G, et al. Influence of the antiseptic agents polyhexanide and octenidine on FL cells and on healing of experimental superficial aseptic wounds in piglets. A double-blind, randomised, stratified, controlled, parallel-group study. Skin Pharmacol Physiol. 2004;17(3):141-6.
3.
Daeschlein G, Assadian O, Bruck JC, et al. Feasibility and clinical applicability of polihexanide for treatment of second-degree burn wounds. Skin Pharmacol Physiol. 2007;20:292-6.