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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Dekubitusmanagement im Kontext des Expertenstandards

Standards and network for quality control in nursing for pressure sore management

Übersichtsarbeit

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GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc09

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2006-1/dgkh000009.shtml

Veröffentlicht: 30. August 2006

© 2006 Loczenski.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Der Dekubitus-Expertenstandard des Netzwerks für Qualitätssicherung in der Pflege ist seit 2000 veröffentlicht. In der Praxis zeigt sich in den verschiedenen Bereichen ein sehr unterschiedlicher Stand der Umsetzung.

Vorliegender Beitrag setzt sich zum einen mit diesem Umstand auseinander. Daneben wird die Dekubitusprävention anhand des neuen Expertenstandards für die Praxis aufbereitet und zu erläutert. Das Augenmerk ist hierbei auf die einzelnen zu managenden Elemente gerichtet wie Druck, Mobilität, Hautpflege, Ernährung, Wahrnehmungsförderung, Kommunikation/Interaktion, Individualität.

Abstract

The decubitus expertise standard by the Network for Quality Control in Nursing was published in 2000. In practice, however, the implementation status differs greatly from field to field.

The present paper, in addition to addressing this situation, also processes and explains decubitus prevention in practical application based on the new expertise standard. Focus is placed on the individually manageable elements, such as pressure, mobility, skin care, nourishment, perception promotion, communication/interaction, and individuality.


Einleitung

Der Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe wurde im August 2000 vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege veröffentlicht. Er beschreibt den Beitrag der Pflege zur Dekubitusprophylaxe und basiert auf einer umfassenden Literaturanalyse der nationalen/internationalen Fachliteratur sowie auf Praxisexpertisen der Mitglieder der Expertengruppe. Rechtlich gesehen sind Expertenstandards vorweggenommene Sachverständigengutachten, .d. h. die Umsetzung wird am Standard gemessen. Die Implementierung in die Praxis ist erfahrungsgemäß ein länger währender Prozess mit unterschiedlichem Ausmaß der Realisierung, z. T. stehen vorbildlichen Ergebnissen im Krankenhaus-/Pflegeheimbereich noch wenige Veränderung gegenüber.

Woran liegt das? War die Zeit bisher zur kurz, oder gibt es noch andere Ursachen? Vermutlicht ist eine Ursache darin zu suchen, dass sich der Standard an die pflegerische Managementebenen richtet, die die Steuerung pflegefachlicher Prozesse bewältigen, aber die Umsetzung an der Basis mitunter noch vernachlässigen. Sicherlich kommt hinzu, dass die Umsetzung an der Basis von den Fähigkeiten, d.h. den unterschiedlichen Qualifikationen der Pflegenden oder Ausbildenden, sowie der Überzeugungsfähigkeit der pflegefachlichen Teamführung abhängig ist und die Aufklärungsarbeit an der Basis (z. B. ambulante Pflege/Angehörigen-/Laienpflege) noch nicht angekommen ist und dass noch Mängel im hausinternen Informationsmanagement bestehen. Ein weiterer Gesichtspunkt sind die Kosten.


Qualitätsmanagement der Dekubitusprophylaxe

Dekubitusprophylaxe ist eine komplexe Herausforderung für alle Beteiligten.

Dekubitusprophylaxe beinhaltet nicht nur das Beherrschen von Techniken, sondern die Prozessgestaltung zwischen Pflegekraft und Pflegebedürftigem und beinhaltet mehrere Kernstücke wie Management, Druck, Mobilität, Hautpflege, Ernährung, Wahrnehmungsförderung, Kommunikation/Interaktion, Individualität. Gerade für die beiden letzten Punkte müssen die Pflegekräfte neben dem Beherrschen von Fertigkeiten kommunikative/soziale Kompetenzen mitbringen!

Dekubitusprophylaxe ist ein komplexes Geschehen und lässt sich nicht nur auf seine einzelnen Anteile reduzieren. Hierbei ist das Dekubitusmanagement als ein wachsender Prozess zu verstehen, der nicht nur hierarchisch von oben nach unten abläuft, sondern alle beteiligten Mitglieder (Patient/ Pflegekraft, Angehörige, Arzt, Ergotherapeut, Physiotherapeut) involviert. Hier ist jeder verpflichtet, sein "Bestes" zu geben, denn Dekubitusmanagement ist immer auch Qualitätsmanagement.

Dekubitusmanagement ist Qualitätsmanagement.

Jeder ist nicht nur verpflichtet sein Bestes zu geben, sondern auch Erfahrungswissen mit einzubringen und seine Erfahrungen zu reflektieren, damit sich ein gutes Dekubitusmanagement/Qualitätsmanagement entwickeln kann! In der heutigen Zeit hat Qualitätsmanagement auf der Leitungsebene viel mit pflegefernen Aufgaben zu tun, der Blick für die Basis geht verloren, und als Folge fühlt sich die Basis nicht Ernst genommen, weil ihre Belange zu selten thematisiert werden. Auch für das Qualitätsmanagement gilt daher der Appell: Zurück zu den pflegefachlichen Themen!

Heutzutage werden medizinisch-pflegerische Leistungen und psychosoziale Aufgaben der Pflege gegenüber den medizinisch- technischen Leistungen der Medizin abgewertet. Als Konsequenz ergibt sich, besser miteinander zu kooperieren, anstatt im Wettbewerb zu agieren, es muss eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten eingefordert werden und es sind die psychosozialen Aspekte der Pflege anzuerkennen!

Qualitätsentwicklung beinhaltet auch Personal- und Organisationsentwicklung.

Bezogen auf den Dekubitus muss also nicht nur in das Personal, sondern auch in die strukturellen Rahmenbedingungen investiert werden!

Pflegequalität ist abhängig vom Verständigungsprozess.

Pflegequalität hängt im Wesentlichen vom Gelingen/Nichtgelingen des Verständigungsprozesses zwischen Pflegekraft und Pflegebedürftigem ab, sie entwickelt sich im Verständigungsprozess zwischen Pflegebedürftigem und Pflegekraft, d. h. beide gestalten gemeinsam den Pflegeprozess mit einem größtmöglichen Maß des Verstehens des anderen. Diese Pflegequalität hat eine wechselseitige Abhängigkeit: Zum einen ist sie abhängig von der Pflegekraft, deren Wissen, deren Lebenserfahrung, deren Pflegeerfahrung und Kompetenz im Umgang mit Krankheit und Selbstpflegedefiziten/-einschränkungen, zum anderen ist sie abhängig von dem Pflegebedürftigen, dessen Motivation, dessen Vertrauen in das Können des anderen und dem Ausmaß des Kohärenzgefühls. Eine "Pflegesituation" ist immer eine komplexe Situation mit vielen Unwägbarkeiten (es kommt alles anders, als man denkt). Sie verlangt von der Pflegekraft nicht nur ein "Durchlaufen von standardisierten Abfolgen", sondern sie verlangt eine Reaktion mit einer Variation von Konzepten. Da das Ausmaß der Unwägbarkeiten variabel ist, muss die Anzahl der Kompetenzen, mit der die erfahrene Pflegekraft reagieren kann, ebenso variabel sein! Auf diesen variablen Einsatz der Kompetenzen muss in der Ausbildung/Fort- und Weiterbildung besonderer Wert gelegt werden, damit die Pflegekräfte in der Praxis der Komplexität der Situationen, den Anforderungen an den Verständigungsprozess, an die darauf aufbauende Pflegequalität und das damit verbundene Dekubitusmanagement gerecht werden können. Gutes Dekubitusmanagement ist aber bei weitem nicht nur vom Verständigungsprozess zwischen Pflegekraft und Pflegebedürftigem abhängig, das "Zauberwort" liegt in der Verzahnung und Verständigung im interdisziplinären Team, dem interprofessionellen, sektorenübergreifenden Versorgungsprozess.


Dekubitus-Assessment im Zusammenhang mit dem Expertenstandard

Eine frühzeitige Identifikation von Risikopatienten ist essentiell, um bei Gefährdung frühzeitig die Prophylaxe einleiten und einen Präventionsplan entwickeln zu können.

Die Risikoeinschätzung erfolgt durch Dekubitusskalen, international gibt es über 40, im deutschen Raum sind die Norton- und die Waterloo-/Bradenskala am bekanntesten. Sie alle sind kein perfektes Instrument, weil das Geschehen Dekubitus zu komplex ist, um sich in eine praktikable Skala pressen zu lassen. Sie dienen lediglich als Hilfsmittel in Ergänzung zur klinischen Erfahrung. Die Bradenskala ist die am häufigsten getestete Skala, und wird vom DNQP wegen der Berücksichtigung der Störung der sensorischen Wahrnehmung empfohlen.

Daneben gilt es, die intrinsischen/extrinsischen/ individuellen Risikofaktoren abzuchecken und die individuellen Ressourcen zu erfassen.

Intrinsische Risikofaktoren sind eingeschränkte Mobilität/Immobilität, sensorische Beeinträchtigung durch neurologische Erkrankungen wie Diabetes/Querschnitt, akute Erkrankungen mit Begleiterscheinungen wie Herzinsuffizienz, Kreislaufstörungen, Vasokonstriktion, Schockzustände, Schmerzen, Temperaturschwankungen, Hypotonie, Veränderungen der Bewusstseinslage, da die eigene Bewegung bei eingeschränktem Bewusstsein auch reduziert ist, hohes Lebensalter (>65), da dies oft mit kardiovaskulären Erkrankungen oder neurologischen Defiziten sowie mit Änderungen der Widerstandskraft und Elastizität der Haut vergesellschaftet ist, niedriges Lebensalter (<5) wegen der noch nicht ausgereiften Haut speziell beim Neugeborenen, dem unproportionalen Größenverhältnis zwischen Kopf/Körper, wodurch sich andere Druckauflagepunkte/Prädilektionsstellen ergeben, ebenso sind die Schädigungsmechanismen durch Blutentnahmen unterschiedlich (Ohr/Ferse). Des weiteren zählen dazu Druckschädigungen in der Vorgeschichte, Vorliegen von Gefäßkrankheiten/Durchblutungsstörungen wie UCV/UCA/UCD mit Störungen der Mikrozirkulation, schwere chronische oder terminale Erkrankungen, da diese das Risiko für Durchblutungsstörungen/Immobilität und das Multiorganversagen erhöhen sowie Malnutrition/Dehydratation/ Kachexie/Adipositas. Malnutrition/Mangel-/Fehlernährung erhöhen das Risiko eines Organversagens, die Dehydratation reduziert die Gewebselastizität, kachektische/adipöse Patienten sind insgesamt anfälliger gegenüber druckinduzierten Schädigungen.

Extrinsische Risikofaktoren sind die Druck-/Scher-/Reibekräfte. Der Druck, der eine Kompression/Okklusion der Kapillaren verursacht sowie seine Höhe und Dauer sind bekanntermaßen der Hauptfaktor, die individuelle Gewebetoleranz nur ein Nebenfaktor. Die Scherkräfte beim Sitzen/Tiefer-/Hochrutschen im Bett, die Körperskelett und tiefe Fascie gegenüber der Haut und oberflächlichen Fascie verschieben und subkutane Blutgefäße zerreißen, sowie Reibekräfte, die auftreten, wenn sich zwei Oberflächen gegeneinander bewegen, die mit dem Abrieb der obersten Hautschicht verbunden sind, was meist durch schlechte Hebetechniken verursacht wird, sind weitere Risikofaktoren.

Individuelle Risikofaktoren werden hervorgerufen durch die Verabreichung bestimmter Medikamente, die aufgrund unterschiedlicher pathophysiologischer Mechanismen das Dekubitusrisiko erhöhen wie

  • nichtsteroide Antiphlogistica wie ASS/Diclofenac, die die entzündliche Antwort auf die Druckschädigung beeinflussen
  • Analgetica (Morphin/ Tramadol/ Fentanyl), die die Stimuli abschwächen, die normalerweise zu einer Druckerleichterung führen würden
  • Sedativa/Hypnotica (Barbiturate, Benzodiazepine), die zu einer erhöhten Schläfrigkeit führen und damit die Mobilität beeinträchtigen
  • kreislaufaktive Medikamente (Adrenalin/ Dopamin), die zu einer peripheren Vasokonstriktion und so zu einer Gewebshypoxie führen können
  • die Hautfeuchtigkeit durch Wundsekrete,Schweiß, aber auch Stuhl-/Urininkontinenz, die die Haut reizen/ mazerieren und das Dekubitusrisiko erhöhen.

Die Risikobeurteilung muss frühzeitig, d.h. zeitnah, bei Zustandsveränderungen durch Fachkräfte stattfinden, und für alle sichtbar/interdisziplinär dokumentiert werden. Es erscheint sinnvoll, sog. "Dekubitusverantwortliche" im TQM- Team zu benennen, die auch Prävalenzstatistiken (Vorkommen) bzw. Inzidenzstatistiken, aber auch die Mitarbeiterschulung sicherstellen, auf deren Grundlage die Fachkompetenz zum Weglassen ineffizienter Maßnahmen und eine individuelle Anpassung der Pflege-Prophylaxestandards durch Pflegevisiten erreicht wird.


Zu regelnde Teilbereiche

Management der Druckprävention

Es gilt dem Management Druckeinwirkung besonderes Augenmerk zu schenken! Es sollte ein Dekubitusassessment durch Dekubitusskalen erfolgen sowie eine Identifikation der intrinsischen und extrinsischen sowie individuellen Risikofaktoren vorgenommen werden. Ebenso ist eine regelmäßige Inspektion der gefährdeten Bereiche notwendig, insbesondere im Zusammenhang mit den Alltagsaktivitäten, die mit Scherkräften (Sitzen) verbunden sind, oder auch der Körperareale mit Hilfsmittelversorgung/Prothese oder Kleidung/Antithrombosestrümpfe. Die Häufigkeit ist abhängig von Änderung des Gesamtzustands. Hier muss ggf. auch die Mitarbeit des Patienten eingefordert werden, insbesondere bei Rollstuhlfahrern! Ebenso gilt eine besondere Aufmerksamkeit dunkelhäutigen Personen gegenüber umschriebener Überwärmung. Ödem und Induration zeigen den beginnenden Dekubitus an.

Veränderungen/Beobachtungen und die eingeleiteten Maßnahmen müssen dokumentiert werden, Es sollte bei allen identifizierten Risikopatienten zum Einsatz druckverteilender Hilfsmittel kommen. Allerdings sollen anstelle von Schaummatratzen Wechseldruckmatratzen oder sog. Luftkissenbetten zum Einsatz kommen, die auf das Körpergewicht des Patienten abgestimmt sind. Es ist zu beachten, dass keine Weichlagerungsmittel mehr zu verwenden sind, die die Wirkung der Antidekubitus-Matratze aufheben. Ebenso findet wegen ineffizienten Wirkung kein Weichpolstern mehr statt!

Bei der Lagerung sollen die "dekubitogenen Schwachpunkte" berücksichtigt werden. Statt im Abstand von 2 h umzulagern, sollte ein individueller Bewegungsplan nach "Fingertest" erstellt werden. Umlagen ist auch notwendig, wenn der Patient eine Antidekubitus-Matratze erhalten hat, ebenso erstellt man keinen starren Lagerungsplan mehr, sondern lagert nach individuellem Wohlfühlbefinden mit lagerungsfreien Intervallen z. B. während des Schlafens und regelmäßigen Fingertest-Kontrollen.

Zu beachten ist, dass keine längere Druckbelastung auf Knochenvorsprüngen stattfinden soll und ein Patient als "Antidekubitusmatratzenbenutzer" nur max. 2 h außerhalb des Betts sitzen soll, da sich sonst die Wirkung der Matratze aufhebt!

Management der Mobilisation

Mobilisation und Bewegungsförderung im Rahmen der aktivierenden Pflege ist der Lagerung immer vorzuziehen. Sie sollte immer berücksichtigt werden, und es sollten genügend Anreize zum Bewegen gesetzt werden, z. B. als Bewegungsplanung im Rahmen der grundpflegerischen Tätigkeiten. Das bedeutet eine Einbeziehung der tatsächlich beim Patienten vorhandenen Ressourcen, die man vorher durch eine detaillierte Bewegungsanalyse erfasst hat!

Ebenso sollten kinästhetische Konzepte der Bewegungsförderung bei Mobilisation und Lagerung berücksichtigt werden, die zum einen die Eigenwahrnehmung durch den Pat. fördern, andererseits die körperliche Hebebelastung der Pflegekräfte minimieren und damit auch Reib-/Scherkräfte, die beim Umlagern auftreten können, reduzieren. Bewegungsförderung ist ebenso möglich durch den Einsatz von Pflegehilfsmitteln, Hebematte, Antirutschmatte, Haltegurt, Drehscheibe u.ä.

Bewegungsplanung bedeutet weg vom Lagerungsplan "Seite re/Rücken/Seite links" im regelmäßigen 2h Rhythmus hin zu individueller Planung von Mobilisation, Positionsunterstützungen, Lagerung mit/ohne Hilfsmittel in individuellen Abständen mit "Fingertest"- Checks!

Auch das Sitzen sollte genau begutachtet werden, insbesondere die Sitzposition und die Unterstützung derselben sollten durch eine physiotherapeutische und ergotherapeutische Fachkraft begutachtet und ggf. gezielt unterstützt werden, um das Entstehen von Scherkräften zu minimieren.

Management des Hautschutzes

Ein sehr wichtiger Punkt ist die Hautpflege und der Hautschutz. Hautpflege sollte mit geeigneten Hautschutzpräparaten, die mild/handwarm sind und der Haut viel Feuchtigkeit bieten, durchgeführt werden anstelle von Okklusion mit Fettpräparaten, die die Mazeration mehr fördern. Hautpflege soll die Haut von Urin, Schweiß, Stuhl und Wundsekreten trocken halten, um die Hautschädigung nicht voranzutreiben und mit einer aufmerksamen Inspektion verbunden sein, die besonders die "dekubitogene Schwachstellen" berücksichtigt. Geschädigte Hautareale sind nicht zu reiben bzw. zu massieren, da das nicht durchblutungsfördernd und damit heilend wirkt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass geschädigtes Gewebe nicht so schnell abgestoßen und abtransportiert werden kann, weil es geschädigt ist!

Bezogen auf den Hautschutz ist die Feuchtigkeit das entscheidende Problem, die kontrolliert, inspiziert und geregelt werden muss, insbesondere bei Inkontinenz.

Sollte schon ein Hautdefekt vorhanden sein, darf die Wundversorgung nicht mehr nach "Intuition" stattfinden, sondern adäquat chirurgisch/enzymatisch mit modernen Wundversorgungsmaterialien, um die Wunde schnellst möglich wieder zum Heilen zu bringen

Management der Wahrnehmungsförderung

Sensorische Wahrnehmung ist die Fähigkeit, lagebedingte/künstliche Reize wahrzunehmen und adäquat darauf zu reagieren. Bei Wahrnehmungsstörungen wird oft im Spätstadium die Körperperipherie nicht mehr wahrgenommen, und damit wird die Druckbelastung nicht mehr erkannt. Die Wahrnehmung ist durch Polyneuropathie, Bewußtlosigkeit, Sedierung oder Lähmung eingeschränkt. Pflegekräfte sollen in der Lage sein, die Positionierung des Betroffenen zu reflektieren, um damit Schwachstellen beim Betroffenen hinterfragen zu können, ihn damit soweit wie möglich zur Mitarbeit zu motivieren. Sie sollten basale Stimulation/Kinästhetik einsetzen als Technik, um die Wahrnehmungsförderung zu unterstützen, die basale Stimulation, um andere/neue Stimuli zu setzen, die Kinästhetik, um Massen (Kopf/Brustkorb/Becken/Arme/Beine) und Zwischenräume beim Positionswechsel deutlicher wahrzunehmen, und Positions-/Mikro- und Makrobewegungen einzuleiten durch Streichelreize, Schaukelbewegungen und sensorische angenehme Reize.

Management der Ernährungssituation

Die Ernährungssituation ist als Teil der ganzheitlichen Betrachtung wahrnehmen! Ohne optimale Ernährungssituation ist der Organismus auch nicht im Optimum. Daher ist nicht nur wichtig, zu Anfang Größe und Gewicht festzustellen, sondern auch als Verlaufskontrolle zu überprüfen, um Gewichtsverluste frühzeitig wahrzunehmen. Ebenso haben die Essgewohnheiten eine besondere Bedeutung, die im Alter oft nicht im Sinne einer ausgewogenen Ernährung sind, sowie Veränderungen des Ernährungsverhaltens, weil z. B. nicht die gewünschte Kost angeboten wird (kulturelle Ernährungsunterschiede) oder das Essen nicht schmeckt. So haben Studien haben ergeben, dass sich Verzehrmengen um 50% durch Bezugspflege steigern lassen, ebenso durch das Kennen der Individualität und Besonderheiten, was zeigt, dass hierauf viel mehr Augenmerk gerichtet werden muss.

Auch sollte der Blick auf die Zusammensetzung der Nährstoffe und Spurenelemente gerichtet werden, insbesondere des Eiweiß-Tagesbedarfs von 1g/kg KM, der mindestens gedeckt werden sollte, mindestens 1700 ml Flüssigkeitszufuhr sowie die Zufuhr von Zink. Es sollte über die Zufuhr von Trinknahrung nachgedacht werden, wenn kein Appetit oder Schluckschwierigkeiten vorhanden sind, die tatsächliche Aufnahme über Trink-und Ernährungsprotokolle bilanziert und ggf. ein Ernährungsberatern hinzugezogen werden.

Management der Kommunikation

Das bedeutet, den Verständigungsprozess zu optimieren. Gemeinsame Interaktion ohne Dominanz des einen/anderen Partners ist nur möglich, wenn die Verständigung untereinander optimal funktioniert. Allein schon unterschiedliche Sprache kann ein immenses Kommunikationshindernis darstellen. Oftmals ist die kognitiv/argumentativ gesteuerte Kommunikation beim Patienten gestört. Dann müssen andere Ebenen der Verständigung zum Tragen kommen. Die Kommunikation sollte sich dabei auch nicht nur auf eine Ebene beschränken, sondern mehrere Ebenen beinhalten, auf denen man Zugang zueinander bekommt, z B. argumentativ über Argumente und Überzeugungsarbeit, emotional über Einwirken auf der emotionalen Ebene (Mitleid/Zuspruch) und körperlich über Aufgreifen körperlicher Äußerungen/Streicheln. Daneben lässt sich die Möglichkeit des Informationsinputs aus optischer, olfaktorischer, akustischer und taktiler Wahrnehmung im Rahmen der nonverbalen Kommunikation nutzen.

Management der Individualität

Hierunter wird die Einbeziehung der Ressourcen des Patienten/Angehörigen verstanden, um die Individualität soweit es möglich ist zu wahren, und dabei nicht nur Ressourcen des Pflegebedürftigen, sondern auch des Wohnumfelds/der Angehörige im Visier haben. Es geht darum, die individuellen Bedürfnisse versus ignorieren zu berücksichtigen, was allzu häufig in der Pflege vernachlässigt wird, etwa nah dem Motto "gleich, einen Moment bitte, .....und dann vergessen", was "Klingeln/Nerven" der Patienten zur Folge hat. Hierzu gehört auch die Berücksichtigung individueller Lagerungsintervalle, Lagerungswünsche, Bewegungsabläufe und der Bewegungsplanung, um der Individualität gerecht zu werden, sowie die sensible Motivierung zur Kooperation seitens der Pflege. Sensibel bedeutet, nicht die Dominanz der Situation in den Vordergrund zu stellen, sondern in Sinne eines Leadings wie beim Coaching- Prozess das Problem zu erkennen, um die Gefahr zu bannen.


Fazit

Die Berücksichtigung aller Aspekte ist für eine wirkungsvolle Dekubitusprävention notwendig. Das bedeutet eine Implementierung von Standards und Instrumenten und ganz besonders von Handlungsanleitungen für die Praxis. Dafür ist ein interdisziplinäres Management notwendig.

Veränderungsprozesse, wie z. B. die Umsetzung des Expertenstandards Dekubitus lassen sich nicht von heute auf morgen realisieren, Veränderungsmanagement ist zuweilen vielschrittig und langatmig, ... in Anlehnung an Rogers bedeutet gesagt noch lange nicht gehört, gehört bedeutet nicht gleichzeitig verstanden, verstanden bedeutet nicht gleichzeitig einverstanden, einverstanden bedeutet nicht gleichzeitig angewandt, und angewandt bedeutet nicht gleichzeitig auf Dauer umgesetzt! Diese vielen Schritte sind im Sinne eines optimalen Qualitätsmanagements notwendig, um die Implementierung zu erreichen. In diesem Sinne gibt es noch viel zu tun - lassen Sie uns an die Umsetzung gehen!