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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Wundversorgung in der Hauskrankenpflege

Wound care in home-nursing

Übersichtsarbeit

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GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc08

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2006-1/dgkh000008.shtml

Veröffentlicht: 30. August 2006

© 2006 Loczenski.
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Zusammenfassung

Wundversorgung in der Hauskrankenpflege zeigt in der Praxissituation ein sehr buntes Bild von Versorgungs- und Therapiekonzepten. Der kurz umrissene Praxisinput aus dem Berliner Bereich soll das verdeutlichen, Schwachstellen aufzeigen und Ziele bzw. Visionen für Verbesserungen zu entwickeln.

Abstract

Wound care in home-nursing encompasses a wide range of care- and therapy concepts. This brief outline of experience in practice from the Berlin region is intended to highlight this diversity, demonstrate weak points, and develop goals and/or visions for improvement.


Einleitung

Im Folgenden soll ein Praxiseindruck zur Wundversorgung in der ambulanten Pflege im Berliner Bereich gegeben werden. Hierzu wurden eigene Erfahrungen, Erfahrungen von Sozialstationen sowie von Einrichtungen, die mit behandelnden Hausärzten in Kontakt stehen, berücksichtigt und ausgewertet.


Ergebnisse

Die Situation ist gekennzeichnet durch ein

  • ein breites Spektrum der zu versorgenden Wunden
  • eine große Bandbreite der möglichen Interventionsmaßnahmen
  • eine große Bandbreite der möglichen ergänzenden Versorgungskonzepte
  • ein breites Spektrum der Möglichkeiten des modernen Wundmanagements
  • ein kleines Spektrum der tatsächlichen Ausnutzung dieser Möglichkeiten
  • eine kleine Bandbreite der eingesetzten Interventionsmöglichkeiten/-maßnahmen
  • ein begrenztes Budget des verschreibenden Arztes.

Das Wundspektrum des betreuten Klientels umfasst kurzfristige akute Bagatellverletzungen wie Abschürfungen, Verbrennungen, chirurgische Nähte, Ein-/Austrittsstellen von PEG-Sonden, Kathetern, Stomaanlagen bis hin zur chronischen Wunde und bedarf der Versorgung durch pflegerisches Fachpersonal. Eine Häufung von chronischen Wunden wie UCV, UCD, UCA und Dekubitalulcera mit schlechten Heilungstendenzen bei bestehenden Begleiterkrankungen ist in den letzten Jahren deutlich erkennbar geworden. Diese sind in der ambulanten Situation nicht immer optimal therapierbar, da z. B. die Compliance zwischen Arzt/Patient nur unzureichend oder gar nicht gegeben ist, Rahmenbedingungen in der häuslichen Situation ein Umsetzen verschiedener Therapieansätze nicht zulassen oder strukturelle Rahmenbedingungen und Arbeitsbedingungen wie die Zeitkorridore oder die Leistungskomplexe diese nicht zulassen.

Die Wundversorgung wird ausschließlich durch Pflegefachkräfte durchgeführt, die für die medizinischen Pflege unterwegs sind. Der Verbandwechsel findet bei Bedarf täglich oder in mehrtägigen Abständen statt, die erforderliche Häufigkeit richtet sich nach ärztlicher Anordnung bzw. liegt im Verantwortungsbereich der Pflegekraft, die vor Ort entscheiden muss. Erst vereinzelt kommen sog. "Wundmanager" zum Einsatz, also Pflegefachkräfte mit einer Zusatzqualifikation im Bereich Wundversorgung, Dekubitus und andere chronische Wunden, die gezielt den Kontakt mit den behandelnden Ärzten suchen.

Die Ärzte sehen ihre Patienten in unterschiedlich großenen Abständen und oft auch nur solange, wie diese die Praxis aufsuchen können, weil die Bereitschaft für Hausbesuche nicht allzu groß ist und bei Fachärzten meist gar nicht gegeben ist. Oft kommt ein Hausbesuch erst zustande, wenn die betreuenden Pflegekräfte um Rückkopplung bitten. Die Therapiekonzepte werden somit häufig nur vom behandelnden Hausarzt erstellt, nur selten wird ein Gefäßspezialist, Dermatologe oder Chirurg hinzugezogen. Die Wunddokumentation findet überall statt, allerdings variiert die Dokumentationshäufigkeit von täglich bis alle 14 d, in der ambulanten Pflege hat sich mittlerweile die Fotodokumentation sehr gut bewährt.

Die Wundkonditionierung zeigt ein breites Spektrum; der Einsatz reicht von NaCl, Clont, PVP-Iod usw. bis Ringerlösung, der Anwendung von Antiseptika und lokaler Chemotherapeutika bis zum Einsatz fibrinolysierender und granulationsfördernder Substanzen. Nach den heutigen Erkenntnissen sind allerdings einige dieser Anwendungen kritisch zu hinterfragen!

Dem gegenüber steht ebenso gegensätzlich die Versorgung mit herkömmlichen Wundversorgungsmaterialien wie sterilen Kompressen, Tamponaden oder Fixomull versus der Versorgung mit interaktiven modernen Wundversorgungsmaterialien.

Die Therapiekonzepte zur Versorgung chronischer Wunden sind wie folgt zu umreißen: Gezieltes chirurgisches oder auch enzymatisches Debridement findet im Regelfall nur in Folge einer gemeinsamen Versorgung mit einem Chirurgen oder Dermatologen statt. Häufig lässt sich in der Praxissituation die notwendige Häufigkeit der Arztbesuche in der Praxis nicht realisieren, da die Wege vom Patienten nicht mehr eigenständig bewältigt werden können.

Eine gezielte Erreger- und Resistenzdiagnostik wird nur selten betrieben und meist auch erst dann, wenn sie durch die betreuende Pflegekraft persistierend eingefordert wird. Es finden sich verschiedene Therapiekonzepte von der Monotherapie bis hin zur Kausaltherapie, vereinzelt auch interdisziplinäre Therapieansätze, wobei in der Regel schon versucht wird, das auslösende Grundproblem mit zu therapieren, was aber in der Praxis oft an der Compliance der Patienten durch dessen eingeschränkte Möglichkeiten im häuslichen Bereich oder dem fehlenden Verständnis für die Therapieansätze scheitert.

In der letzten Zeit haben sich die berufsgruppenübergreifenden Therapieansätze positiv bemerkbar gemacht. So hat die Einbeziehung pflegerischen Erfahrungswissens in das Wundmanagement in Form des Einsatzes von Wundmanagern zu guten Kooperationen zwischen Ärzten und den Pflegestationen geführt. Was in Zukunft noch stärker berücksichtigt werden sollte, ist die Zusammenarbeit mit den Ernährungstherapeuten zur Sicherstellung der notwendigen Grundnährstoffe in der Ernährung.


Fazit

Es ist eine Zunahme chronischer sekundär heilender Wunden zu beobachten, die sich in den nächsten Jahren auf Grund des demographischen Wandels fortsetzen wird. Seit der Einführung der DRG´s 2004 ist eine verstärkte Verlagerung von Patienten aus dem Krankenhausbereich in den ambulanten Bereich zu verzeichnen. Die fehlende Anpassung an diese Situation und fehlende Innovationen für die ambulant-ärztliche und ambulant- pflegerische Versorgung haben vielfältige Folgen mit obsoleten Einstellungen zum Wundmanagement, überholten Therapiekonzepten, Anwendung zytotoxischer Antiseptika und Auswahl nicht adäquater Wundauflagen mit der Konsqequenz einer inadäquaten Wundbehandlung durch niedergelassene Ärzte bzw. ambulante Pflegestationen. Die weit verbreitete Polypragmasie, das Verschrieben vieler Medikamenten gegen verschiedene Krankheiten führt zu Kumulationseffekten.

Ein ungeklärte Schnittstellenmanagement zwischen den beteiligten Berufsgruppen Pflege, Arzt, und Ernährung innerhalb der Sozialstationen und zwischen SGB XI und SGB V führt zu einer Diskontinuität in der Versorgung, mit Leistungs- und Kostenverschiebungen zulasten der Pflegeversicherung. Diesen Problemen gilt es sich zu stellen!

Der geringe Punktwert bei der Abrechnung trägt zu den Problemen ebenso bei, weil ein niedriger Punktwert bei begrenztem Budget wenig Anreiz für die Ärzte bietet, sich dieser Thematik engagierter zu stellen!

Die Schwachstellen in der Praxis der häuslichen Versorgungssituation zeigen sich im Bereich der

  • Zusammenarbeit zwischen Pflegefachkraft, Patient und Angehörigen: die Kooperation/Compliance ist abhängig vom Verständigungs- und Kooperationsprozess sowie der Einbeziehung der individuellen Ressourcen des Patienten
  • Zusammenarbeit Pflegefachkraft und Arzt: diese besitzt in der ambulanten Pflege besondere Bedeutung
  • des Materialmanagements: wenn Therapeutika, Verbandsmittel, Medizinprodukte nicht verschrieben werden, ist eine adäquate Wundversorgung in der Praxis nicht möglich
  • der Rahmenbedingungen der ambulanten Pflege, die je nach Wohn-/Lebenssituation des zu Pflegenden variieren einschließlich der Zeitkorridore, die zur Verrichtung pflegerischer Tätigkeiten zur Verfügung stehen
  • des unzureichenden Überleitungsmanagements, fehlende Absprachen/Rückkopplungen bei Verlegungen aus dem Krankenhaus, insbesondere am Wochenende, verzögert nachgeschickten Arztberichten usw.

Nach Analyse der Ist-Situation und der Schwachstellen gilt es, die Ziele zu definieren, einen Prioritätenplan und Maßnahmen zu dessen Umsetzung zu entwickeln, um die Situation des Wundmanagements in der ambulanten Pflege zu optimieren. Eine Verbesserung des Wundmanagements in ambulanten und stationären Bereichen bedeutet, transparente und kontinuierlich fortlaufende Wunddokumentationen zu implementieren Fallbesprechungen z.B. in Qualitätszirkeln durchzuführen, regelmäßige Fortbildungen zum Wundmanagement zu veranstalten, eine Mitarbeit im Entlassungsmanagement der betreuenden Häuser zu entwickeln, die Bereitstellung und Ausbildung von kompetenten Wundmanagern voranzutreiben und die aktiven Mitarbeit des Patienten, bzw. der Angehörigen zu fördern. Der Veränderungsprozess kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten sich gemeinsam verantwortlich führen und gemeinsam agieren!

Was gilt es zu tun?

  • Die individuelle Schnittstellen- und Schwachstellen- Problematik muss aufgegriffen werden, die mangelnde Koordination der verschiedenen Angebote muss behoben werden!
  • Alle bisherigen Grenzen und Hindernisse sollten durch Verzahnungsangebote überwunden bzw. ergänzt werden, so dass sich Netzwerkstrukturen entwickeln, die den Versorgungsprozess unterstützen.
  • Für eine koordinierte Wundversorgung sollten gemeinsam Leitlinien erstellt werden, die die Zuständigkeiten im Versorgungsprozess eindeutig festlegen, einheitliche Kriterien/ Rhythmen zur Wunddokumentation erstellt werden, aber auch der Know- how Transfer sollte sichergestellt sein.
  • Zum verantwortlichem Reagieren aller Beteiligten gehört aber auch die Realisierung der Remonstration, d. h. der dokumentierte Hinweis auf die Bedenken in der Versorgung, was in der ambulanten Pflege noch viel zu wenig realisiert wird.

Eine Realisierung der oben genannten Ziele ist möglich und sollte im Rahmen einer optimaleren Versorgung niemals unversucht bleiben, da sie Teil des Qualitätsmanagements der ambulanten Situation ist. Aber sie ist nur möglich durch ein gemeinsames Management und ein interdisziplinäres Agieren!