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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Hygienische Anforderungen an den Wechsel von Wundauflagen (sog. Verbandwechsel)

Hygienic requirements for changing wound dressings

Übersichtsarbeit

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  • corresponding author Bettina Chergui - Humboldt-Krankenhaus Vivantes GmbH, Berlin, Deutschland
  • Axel Kramer - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • Georg Daeschlein - Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland

GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc06

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/journals/dgkh/2006-1/dgkh000006.shtml

Veröffentlicht: 30. August 2006

© 2006 Chergui et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Der Zweck des Wechsels von Wundauflagen (sog. Verbandwechsel) besteht in der Förderung der Wundheilung. Zur Verhütung von Wundinfektion bzw. Wundkolonisation mit unerwünschten Erregern ist eine hygienisch korrekte Wundversorgung erforderlich.

Jeder Verbandwechsel wird gemäß den Grundsätzen der Aseptik und ggf. Antiseptik durchgeführt. Nach der Vorbereitung des Verbandwagens (oder Tabletts) folgt die nicht aseptische Phase, der sich die aseptische Phase anschließt. Oberstes Gebot zur Infektionsprävention ist die korrekte Händehygiene (Händedesinfektion, Schutzhandschuhe). Je nach Wundsituation kann es erforderlich sein, zusätzliche Schutzmaßnahmen zu treffen (Mund-Nasen-Schutz, Schutzkittel). Abschließend wird die Wunddokumentation durchgeführt.

Schlüsselwörter: Anforderungen an Wundauflagen, Vorbereitung Verbandwagen, Verbandwechsel, Dokumentation

Abstract

The purpose of changing wound dressings is to promote wound healing. To prevent wound infection or colonization with pathogens, hygienically correct wound care is necessary.

Every change of dressing must be performed in accordance with aseptic or - if necessary - antiseptic principles. Following preparation of the dressing cart (or tray), the non-aseptic phase is performed, followed by the aseptic phase. The first rule of infection prevention is correct hand hygiene (hand disinfection, protective gloves). Depending on the wound situation, it may be necessary to take additional protective measures (mouth/nose mask, smock). Subsequently, wound documentation is done.


Zielsetzung

Die Wundauflage und der ggf. zusätzlich erforderliche Wundverband (z.B. als Schutz, Stütz-, Druckverband) soll die Wunde vor mechanischen Reizungen schützen, sie fixieren, Verunreinigungen abhalten, Sekret aufsaugen und die Blutstillung unterstützen. Bei infizierten Wunden bilden Wundauflage und Verband zusätzlich eine Barriere zwischen der Umgebung und der Erregerquelle.

Bei der Wundversorgung und der Wundabdeckung ist durch geeignetes hygienisches Verhalten ein Erregereintrag in die Wunde zu vermeiden.

Die Wundversorgung beginnt mit der Wunddiagnose und der dazugehörigen Feststellung des Wundstadiums, ggf. verbunden mit einer mikrobiologischen Probenahme, um folgende Entscheidungen treffen zu können:

  • Festlegung der Wundbettvorbereitung mit Entscheidung über erforderliche Wundexzision, Wundantiseptik und ggf. Chemoprophylaxe
  • Auswahl der Wundauflage

Die Wunddokumentation ist der letzte Schritt des Wundmanagements.

Die hygienisch korrekte Wundversorgung dient der Verhinderung einer Wundkolonisation mit unerwünschten Erregern bzw. der Verhütung einer Wundinfektion. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich auf Grund der Beeinträchtigung der Wundheilung, u. U. verbunden mit einer durch die Infektion verursachten Sekundärheilung. Eine Kontamination der Wunde, d. h. Auftreffen und Anhaften von Bakterien ohne Vermehrung, ist vermutlich ohne negativen Einfluss auf die Wundheilung. Durch Kolonisation, d. h. Vermehrung ohne klinische erkennbare Wirtsreaktion, kann die Wundheilung insbesondere durch Toxinfreisetzung verzögert werden. In diesem Fall ist vermutlich eine "milde" Antiseptik, u. U. nur eine Endotoxinabsorption, ausreichend, um die Kolonisation einzudämmen. Bei der Infektion, d. h. der Vermehrung der Krankheitserreger mit klinischer lokaler und/oder systemischer Wirtsreaktion, ist die Indikation zur antiseptischen Therapie gegeben. Als Richtwert für eine notwendige Therapie werden >105 Bakterien/g Gewebe angesehen.

Der Zweck des Wechsels von Wundauflagen (sog. Verbandwechsel) besteht in der Förderung der Wundheilung durch:

  • Reinigung und ggf. antiseptische Behandlung in Verbindung mit der Beobachtung des Wundheilungsprozesses einschließlich der Wundumgebung
  • Unterstützung der Wundheilung durch der Wundheilungsphase (Reinigungs-, Granulations-, Epithelisierungsphase) angepasste Auswahl der Wundauflage und ggf. Wundbehandlung auf ärztliche Anordnung
  • Entfernen von Drainagen, Fäden oder Klammern

Es wird zwischen diagnostischem, therapeutischem und pflegerischem Verbandwechsel unterschieden. Der diagnostische Verbandwechsel dient der ärztlichen Beurteilung der Wunde und ist in jedem Fall bei klinischen Zeichen einer Infektion erforderlich. Erfolgt während des Verbandwechsels zusätzlich eine Wundbehandlung, handelt es sich um einen therapeutischen Verbandwechsel. Der pflegerische Verbandwechsel ist erforderlich, wenn bei Belassen des Verbands eine Schädigung der Wunde oder umgebenden Haut (z.B. durch Mazeration) zu befürchten ist, z. B. bei Durchfeuchtung, Verschmutzung oder Lageverschiebung der Wundauflage. Er wird in der Regel vom Pflegeteam durchgeführt.

Wundauflagen müssen steril, erregerundurchlässig, verträglich und in der Reinigungsphase der Wundheilung saugfähig sein.

Postoperativ sind der erste und die ggf. folgenden Verbandwechsel aus hygienischer Sicht erst nach 48 bis 72 Stunden oder noch später sinnvoll. Die nicht sezernierende primär heilende Wunde kann mit einem durchsichtigen Folienverband abgedeckt werden, der bis zu sieben Tage verbleiben kann. Das hat den Vorteil, dass der Heilungsverlauf jederzeit beobachtet werden kann, ohne dass der Verband entfernt werden muss. Kürzere Zeitspannen erhöhen das Infektionsrisiko, vorausgesetzt, es liegt keine infizierte Wunde vor. Die Zeitspanne wird vom behandelnden Arzt festgelegt. Bei Unklarheiten über das erforderliche Vorgehen zum geeigneten Zeitpunkt des Verbandwechsels sowie zur Beendigung des Einsatzes von Wundauflagen ist ein Facharzt zu konsultieren. Ist der äußere Wundverschluss abgeschlossen, d. h. sind die Wundränder mit Fibrin verklebt, kann bei sachkundiger Beobachtung und Beurteilung des Wundheilungsverlaufs auf eine sterile Wundabdeckung verzichtet werden.


Allgemeine Grundsätze

Infizierte Wunden sind mit der gleichen hygienischen Sorgfalt wie aseptische Wunden zu behandeln.

Der Verbandwechsel wird in folgender Reihenfolge durchgeführt:

  • zuerst werden aseptische Wunden versorgt
  • im Anschluss folgen infizierte Wunden

Bei aseptischen Wunden handelt es sich um primär durch eine Naht verschlossene aseptische oder bedingt aseptische Wunden bzw. um durch Wundausschneidung erreichte aseptische Wunden (meist in Verbindung mit Antiseptik) ohne Anzeichen von Wundheilungsstörungen. Infizierte Wunden sind z.B. eröffnete Eiterherde (Abszess, Phlegmone, Panaritium), Wunden, die zunächst durch eine Naht verschlossen waren, z.B. nach bedingt aseptischen Eingriffen oder Wundversorgungen, oder kontaminierte bzw. bedingt kontaminierte Wunden mit Zeichen einer Wundinfektion.

Patienten mit infizierten Wunden sollten nach Möglichkeit in anderen Zimmern als Patienten mit aseptischen Wunden untergebracht werden. Bei gemeinsamer Unterbringung ist zu beachten, dass die Reihenfolge der Verbandwechsel korrekt eingehalten wird. In Ambulanzen werden vernünftigerweise aseptische Wunden in anderen Räumen versorgt als kontaminierte oder infizierte Wunden.

Der Verbandwechsel sollte in deutlichem Zeitabstand zu Reinigungsarbeiten im Patientenzimmer oder im Pflege-Arbeitsraum durchgeführt werden. Gleichermaßen ist Zugluft zu vermeiden. Während des Verbandwechsels sollen möglichst keine anderen Mitarbeiter in den Räumen beschäftigt sein (z.B. Physiotherapie, Reinigungsdienst).

Beim Verbandwechsel ist die Intimsphäre des Patienten zu wahren.


Verbandwagen

Verbandwechsel können in Untersuchungsräumen oder im Patientenzimmer mit Transport der erforderlichen Materialien zum Patienten mittels Verbandwagen oder Tablett stattfinden. Vorzugsweise sollte ein Verbandwagen eingesetzt werden, da der Verbandwechsel mit Tablett organisatorisch schwieriger ist (z.B. falsch eingeschätztes Material, fehlende Abstellfläche) und dadurch hygienische Risiken entstehen können.

Verbandwagen sind zum Transport und zur Zwischenlagerung von Wundauflagen und von für den Verbandwechsel erforderlichem Zubehör vorgesehen. Die Arbeitsfläche des Verbandwagen dient der Materialvorbereitung; sie muss daher leicht zu reinigen und desinfizierbar sein. Die Arbeitsfläche des Verbandwagens ist unmittelbar vor Beginn der Verbandvisite einer Wischdesinfektion zu unterziehen.

Die Benutzung unterschiedlicher Verbandwagen für aseptische und infizierte Wunden ist nicht erforderlich. Entscheidend für die Infektionsprophylaxe ist es, den Wagen vor Kontamination zu schützen, d. h. vom Patienten zum Verbandwagen darf kein direkter Kontakt entstehen. Benutztes Instrumentarium muss unmittelbar nach dem Gebrauch in einen separaten Entsorgungsbehälter abgelegt werden. Nach der Versorgung infizierter Patienten ist die Arbeitsfläche zu desinfizieren.

Abfälle sind in einem Abwurfbehälter zu entsorgen, der separat zum Verbandwagen steht und möglichst per Fußbedienung zu öffnen sein sollte. Dieser Abwurfbehälter kann für die gesamte Verbandvisite benutzt werden.


Vorbereitung und Durchführung des Verbandwechsels

Vor dem Zusammenstellen der benötigten Materialien ist eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen.

Die Sterilverpackung der Materialien ist auf Ablaufdatum und Unversehrtheit zu überprüfen und erst unmittelbar vor Gebrauch zu öffnen.

Ob für den Verbandwechsel zwei Personen (durchführende und assistierende Person) erforderlich sind, wird in Abhängigkeit von der Art und Ausdehnung der Wunde entschieden. Grundsätzlich ist der Verbandwechsel durch zwei Personen hygienisch sicherer, schneller und organisierter durchführbar. In diesem Fall reicht einer an (sog. Springer), der zweite verbindet und entfernt die Materialien. Auch der Springer sollte Schutzhandschuhe tragen.

Alle am Verbandwechsel beteiligten Personen legen Ringe, Armbänder und Uhren ab und führen unmittelbar vor Beginn des Verbandwechsels eine hygienische Händedesinfektion durch. Die assistierende Person vermeidet das Sprechen in der Nähe des sterilen Materials.

In Abhängigkeit von der Art und Ausdehnung der Wunde trägt die durchführende Person Schutzkleidung (Einmalschürze, Mund-Nasen-Schutz, ggf. Haarschutz). Die Schutzschürze muss nach jedem Verbandwechsel bei Patienten mit einer infizierten Wunde und nach jeder Kontamination mit erregerhaltigem Material gewechselt werden.

Der Verbandwechsel gliedert sich in die sog. nicht aseptische und die aseptische Phase. In der nicht aseptischen Phase sind ggf. Fenster zu schließen, eine ausreichende Beleuchtung zu schaffen, der Patient sachgerecht zu lagern, ggf. ein Bettschutz einzulegen, der Stationskittel abzulegen, sofern ein Schutzkittel für erforderlich anzusehen ist, dieser anzulegen, eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen, ggf. ein Mund-Nasen-Schutz anzulegen und unsterile Einmalhandschuhe anzulegen. Jetzt ist die Wundauflage zu entfernen und ohne "Zwischenlagerung" auf dem Bett oder in sonstigem Verpackungsmaterial direkt in den Abwurf zu entsorgen. Ggf. ist der Verband mit einer Verbandschere aufschneiden. Der alte Verband muss auf Durchfeuchtung, Blut- und Eiterauflagerungen inspiziert werden, danach wird die Wundinspektion durchgeführt und ggf. ein Wundabstrich vorgenommen. Abschließend werden die Schutzhandschuhe ausgezogen und direkt in den Abwurf entsorgt.

Zu Beginn der sog. aseptischen Phase wird erneut eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt. Danach werden sterile Handschuhe angelegt oder die Wunde in Non-touch-Technik (d. h. ohne Berührung mit der Hand durch Einsatz sterilen Instrumentariums) versorgt. Die Wundreinigung wird von innen nach außen durchgeführt. Falls zur Wundreinigung Wasser verwendet werden soll, darf dazu kein Leitungswasser eingesetzt werden, weil das Kontaminationsrisiko mit Krankheitserregern (z. B. Pseudomonas aeruginosa) nicht kalkulierbar ist [1]. Als Alternative kommen steril abgepacktes Wasser oder durch endständige Sterilfilter am Zapfhahn entnommenes Wasser in Betracht. Bei notwendiger Säuberung der Wundumgebung sind sterile Materialien zu benutzen und ein Hautantiseptikum (Präparateauswahl gemäß VAH-Desinfektionsmittelliste) einzusetzen (für Wund und Haut separaten Tupfer benutzen, um eine Erregerverschleppung zu minimieren). Benutzte Instrumente sind in den Entsorgungsbehälter geben. Die Wundbehandlung erfolgt nach ärztlicher Anordnung. Steriles Verbandmaterial (evtl. Drainagen mit sterilen Schlitzkompressen abdecken) wird mit sterilen Instrumenten oder mit sterilen Handschuhen aufgelegt. Die benutzten Instrumente werden direkt in den Entsorgungsbehälter gegeben. Sterile Handschuhe werden direkt in den Abwurf entsorgt. Abschließend wird die Wundauflage fixiert. Im Anschluss an die hygienische Händedesinfektion wird der Verbandwechsel, insbesondere Veränderungen und Besonderheiten, dokumentiert. Jeder Verbandwechsel wird mit Datum und Unterschrift des Ausführenden dokumentiert. Aus formal-rechtlichen Gründen empfiehlt sich zusätzlich die Angabe der Uhrzeit bzw. Dienstschicht [2].

In Abbildung 1 [Abb. 1] ist der Gesamtablauf des Verbandwechsels schematisch dargestellt.

Je nach mechanischer Belastung wird Nahtmaterial prinzipiell möglichst frühzeitig entfernt. Vor dem Entfernen von Fäden und Klammern ist nach Bereitstellung des Materials eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen. Sofern ein Blutkontakt nicht auszuschließen ist, sind unsterile Einmalhandschuhe anzulegen. Zunächst wird ggf. der Verband entfernt, die Wunde inspiziert, ggf. der Arzt informiert, eine Antiseptik von Haut und Nahtmaterial (Auftragen mit sterilem Tupfer) durchgeführt und Fäden oder Klammern mit sterilem Instrumentarium so entfernt, dass außen liegende Anteile nicht durch die Wunde gezogen werden. Abschließend ist der Zustand zu dokumentieren [3].


Überwachung des Wundheilungsverlaufs und Dokumentation

Folgende klinische Merkmale einer Wundinfektion sind im Allgemeinen täglich zu erfragen und bei Vorhandensein zu dokumentieren:

  • Fieber
  • klopfende Schmerzen
  • Rötung, Schwellung, Bewegungseinschränkungen

In Abhängigkeit von Ausmaß und Schwere der zu versorgenden Wunde ist vom behandelnden Arzt festzulegen, in welchem zeitlichen Abstand zusätzlich Laborparameter zu bestimmen und zu dokumentieren sind wie Blutsenkung, CRP und Leukozytenzahl.


Literatur

1.
Exner M, Kramer A, Lajoie L, Gebel J, Engelhart S, Hartemann P. Prevention and Control of Healthcare-Associated Waterborne Infections in Healthcare Facilities. Am J Inf Contr. 2005;33:26-40.
2.
Kramer A, Daeschlein G, Chergui B, Wagenvoort H. Hygiene. Prüfungswissen für Pflege- und Gesundheitsberufe. München: Elsevier, Urban Fischer; 2005.
3.
Lippert H, Kramer A, Piatek S, Schulz HU, Tautenhahn J, Wagemann W. Wundatlas - Wunde, Wundbehandlung und Wundheilung. Heidelberg: Barth; 2001.