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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Stellungnahme der AWMF zum "Masterplan Medizinstudium 2020": Wissenschaftskompetenz ist eine Schlüsselqualifikation für jede ärztliche Tätigkeit

Mitteilung

GMS Mitt AWMF 2016;13:Doc5

doi: 10.3205/awmf000317, urn:nbn:de:0183-awmf0003174

Eingereicht: 7. November 2016
Veröffentlicht: 8. November 2016

© 2016 .
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Gliederung

Zusammenfassung

In ihrem Koalitionsvertrag von 2013 hat die Bundesregierung die Ausarbeitung eines Masterplans „Medizinstudium 2020“ angekündigt, der eine Übereinkunft zwischen den Gesundheitsministerien und Wissenschaftsministerien von Bund und Ländern benötigt. Nach einer Anhörung der Verbände im November 2015 hieß es im Sommer 2016, der Masterplan sei verabschiedet, aber über dessen Inhalte hüllt sich die Politik in Schweigen.


Text

Die AWMF hatte sich in einer gemeinsamen Erklärung mit bvmd, MFT und VUD im Mai 2016 besorgt darüber geäußert, dass dieser Masterplan bislang einseitig auf die Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium sowie auf vermeintliche Lösungen zur sogenannten Landarztproblematik abzuzielen scheint. Bei einem so anspruchsvollen Titel sollte der Masterplan Medizinstudium 2020 auch endlich die Verankerung des Erwerbs der Wissenschaftskompetenz im Medizinstudium festschreiben.

Wissenschaftliche Grundausbildung für die ärztliche Praxis im digitalen Zeitalter

Alle Studierenden der Medizin benötigen eine grundlegende Wissenschaftskompetenz, auch diejenigen, die keine Promotion anstreben. Das wissenschaftliche Grundverständnis ist im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin und der breiten Zugänglichkeit wissenschaftlicher Publikationen für die tägliche ärztliche Praxis essentiell. Leitlinien fassen zwar die verfügbaren Daten über die darin besprochenen Krankheiten zusammen und geben Hinweise zur rationalen Behandlung, aber die Therapieentscheidung für den einzelnen Patienten muss immer individuell durch den behandelnden Arzt erfolgen.

Für ihre tägliche Praxis benötigen daher alle Ärzte, insbesondere wenn sie im ländlichen Raum arbeiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie praktische Erfahrung in der Suche und Bewertung von wissenschaftlichen Studienergebnissen. Der Umgang mit wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnissen und den zugrundeliegenden Daten muss in regulären Unterrichtsveranstaltungen des Medizinstudiums eingeübt werden.
Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) hat hierfür die Arztrolle des „Gelehrten“ formuliert, als lebenslang Lernender, kritischer Anwender und Lehrender. Hiermit hat der NKLM eine schon 2008 von der AWMF formulierte Forderung übernommen, „die wissenschaftliche methodische Basis der medizinischen Fächer“ als Ausbildungsziel in die Ärztliche Approbationsordnung aufzunehmen.

Wissenschaftliche Grundausbildung für die Zukunft der Medizin

Zur Arztrolle als "Gelehrter" im NKLM gehört auch die Rolle als Innovator, also als Forscher z.B. im Rahmen einer medizinischen Promotion oder Habilitation. Zur Vorbereitung auf diesen Teil ärztlicher Tätigkeiten ist eine Grundausbildung in der wissenschaftlichen methodischen Basis der medizinischen Fächer ebenfalls bereits im Studium erforderlich. Diese Grundausbildung ist in anderen universitären Studiengängen üblich, egal ob es um Biologie, Informatik oder Psychologie geht. Der viel beklagte Nachwuchsmangel an Ärzten, die in der Forschung arbeiten, hat auch damit zu tun, dass Absolventen anderer Studiengänge für diese Tätigkeit besser qualifiziert sind.

Das Ziel des deutschen Medizinstudiums ist "der wissenschaftlich und praktisch in der Medizin ausgebildete Arzt". Dieses Ziel wurde lange dahingehend missverstanden, als sei praktische Ausbildung lediglich auf die Berufspraxis in Krankenhäusern oder im niedergelassenen Bereich zu beziehen. Schon 2010 hatte die DFG angemahnt, dass die Organisation eines universitären Grundstudiums überdacht werden muss, wenn es zwar berufsqualifizierende Kenntnisse vermittelt, jedoch keine wissenschaftliche Grundausbildung leistet.
Die Forderung der AWMF nach Aufnahme der wissenschaftlichen methodischen Basis der medizinischen Fächer als Ausbildungsziel in die Ärztliche Approbationsordnung dient auch der Nachwuchsförderung für Medizinische Forscher und damit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Medizin. Wie auch vom Wissenschaftsrat gefordert, ist die Vermittlung wissenschaftlicher Kompetenzen als Basisqualifikation angemessen ins Medizinstudium zu integrieren, beispielsweise durch Leistungsnachweise zur wissenschaftlich-methodischen Grundausbildung im vorklinischen und klinischen Studienabschnitt.

Dialog mit der Politik mit den Medizinischen Fächern

Der nach der Anhörung der Verbände im November 2015 unterbrochene Dialog der Gesundheitspolitiker mit den Medizinischen Fächern zum „Masterplan Medizinstudium 2020“ ist dringend wieder aufzunehmen, wenn der Masterplan dem Anspruch seines Titels gerecht werden soll. Die AWMF und die in ihr organisierten wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sind zu diesem Dialog bereit. Neben der Aufnahme der Wissenschaftskompetenz als Ausbildungsziel für alle Ärzte in die Approbationsordnung gibt es eine Reihe von weiteren Empfehlungen der wissenschaftlichen Medizin an die Gesundheitspolitik. Die AWMF hat diese in zahlreichen Stellungnahmen formuliert und wird rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2017 auf sie aufmerksam machen.

Ansprechpartner

Prof. Dr. med. Rolf-Detlef Treede

Vizepräsident der AWMF e.V. , Tel.: 0621 383 9926, Fax: 0621 383 9921,

AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.)

Birkenstr. 67

10559 Berlin

E-Mail: office@awmf.org

Referenzen:

AWMF 2008: AWMF-Stellungnahme: Förderung der wissenschaftlichen Medizin schon in der studentischen Ausbildung

DFG 2010; Strukturierung der wissenschaftlichen Ausbildung für Medizinerinnen und Mediziner

AWMF, bvmd, MFT, VUD Stellungnahme Mai 2016: "Zukunft der Medizinischen Promotion"

WR 11.07.2014: Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums in Deutschland auf Grundlage einer Bestandsaufnahme der humanmedizinischen Modellstudiengänge

WR 21.10.2016: Perspektiven der Universitätsmedizin