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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Warum mach' ich das eigentlich… - Motivation, Leitlinienkoordinator zu sein

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2015;12:Doc13

doi: 10.3205/awmf000312, urn:nbn:de:0183-awmf0003122

Eingereicht: 16. Dezember 2015
Veröffentlicht: 18. Dezember 2015

© 2015 Muche-Borowski.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund

„Bitte dokumentieren Sie, in welchen Datenbanken, mit welchen Suchbegriffe Sie gesucht haben.“

„Bitte ergänzen Sie, wie der formale Konsensfindungsprozess im Detail abgelaufen ist und wie die Neutralität des Moderators gewährleistet wurde.“

„Bitten geben Sie an, wer die Bewertung der Angaben zu den Interessenkonflikten vorgenommen hat.“

So oder ähnlich können die Rückmeldungen zu eingereichten Leitlinien nach Prüfung durch das AWMF-Institut für medizinisches Wissensmanagement (AWMF-IMWi) an die Leitlinienkoordinatoren aussehen.


Die Leitliniengruppe und vor allem die LL-Koordinatoren freuen sich, dass die Leitlinie fertig gestellt ist und bei der AWMF zur Publikation eingereicht werden kann. Und dann fehlt manchmal noch was…


Alle 14 Tage wird jede eingereichte Leitlinie von den Mitarbeiterinnen des IMWi nicht nur formal nach den erreichten Punktwerten (Leitlinienbewertung nach dem Deutschen Leitlinienbewertungsinstrument) besprochen, sondern auch hinsichtlich der eigenen Erfahrungen mit den Leitliniengruppen und ggf. den Möglichkeiten einer Lösungsfindung. Immer mit dem Ziel, die qualitativ guten Leitlinien zeitnah nach Einreichung ins Register der AWMF aufzunehmen, und dabei die Anforderungen, die Gleichbehandlung aller Gruppen und die möglichen Ressourcen nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Erfüllung der Anforderungen nach dem AWMF-Regelwerk für die entsprechende Klassifikation und der zumutbaren „Zusatzleistung“, in der Regel durch den Leitlinienkoordinator, bei dem schon so großen geleisteten ehrenamtlichen Engagement.

Fragestellung

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, welches die Beweggründe für Leitlinienkoordinatoren sind, diese zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen; und dies nicht nur aus wissenschaftlicher Perspektive, sondern das Interesse galt auch der nicht-wissenschaftlichen, persönlichen Motivation.

Methodisches Vorgehen

Im Oktober 2015 wurden die Koordinatoren von den von der Autorin betreuten Leitlinienprojekten angefragt, ob sie diese Umfrage unterstützen würden. Von 15 Angefragten haben innerhalb von zwei Tagen 13 Koordinatoren eine positive Rückmeldung gegeben. Per e-mail wurde danach ein 2-seitiger Fragebogen mit insgesamt 8 (3 geschlossenen und 5 offenen) Fragen verschickt. Dieses Vorgehen bietet im Vergleich zum Interview eine größere zeitliche Unabhängigkeit. Gefragt wurde danach, ob die Funktion selbst gewählt wurde oder von anderen ein Vorschlag erfolgte. Weiterhin bezogen sich die Fragen auf wissenschaftliche und nicht wissenschaftliche Aspekte, die stärkste Motivation, die Leitlinienkoordination zu übernehmen, die wichtigsten Barrieren und dahingehend gefundene Lösungsansätze. Alle Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt bis Ende Oktober 2015 zurückgeschickt. Die anonymisierten Antworten wurden fragenbezogen zusammengestellt und inhaltsanalytisch zusammengefasst.

Ergebnis

Von 13 Leitlinienkoordinatoren haben fünf ihre Funktion selbst gewählt, vier wurden durch den jeweiligen Fachgesellschaftsvorstand beauftragt und drei sind den Bitten anderer (z.B. einer Steuergruppe) nachgekommen. Ein Leitlinienkoordinator ist aufgrund des Ausfalls der Koordination im Amt nachgerückt.

Über die Hälfte der befragten Koordinatoren (7/13) sind auch gleichzeitig Leitlinienbeauftragte ihrer Fachgesellschaft.

Auf die Frage „Welche wissenschaftlichen Aspekte spielen für Sie eine Rolle, Leitlinien-Koordinator zu sein?“ konnten die Antworten inhaltlich wie folgt zusammengefasst und, wie nachfolgend in Tabelle 1 dargestellt, kategorisiert werden. Das stärkste Interesse gilt der Versorgungsforschung hinsichtlich der Verbesserung der Versorgung und der Qualität.

Eine weitere wichtige Frage waren die nicht-wissenschaftlichen Aspekte, die eine Rolle spielen, Leitlinien-Koordinator zu sein. In Tabelle 2 sind die Kategorien inhaltlich zusammenfassend dargestellt. Zum Teil gleichen sich wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Aspekte, aber auch andere Kategorien, wie die eigene Position in der Fachgesellschaft und gegenüber Kolleginnen und Kollegen, konnten gebildet werden.

Auf die Frage „Was ist für Sie die stärkste Motivation, was treibt Sie an, die Leitlinienkoordination Ihrer Leitlinie(n) zu übernehmen?“ zeigten sich fast exakt die gleichen Kategorien wie bei den wissenschaftlichen Aspekten: Neben der Verbesserung der Versorgung sind die Wissensvermittlung und das eigene wissenschaftliche Interesse die stärksten Motivatoren (Tabelle 3).

Zum Abschluss sollten die Befragten Barrieren benennen, die sie als Leitlinienkoordinator sehen. Einige gaben auch mögliche Lösungen an. Zu wenig Zeit steht für die anstehenden Aufgaben wie Literatur zu lesen sowie sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen zur Verfügung: Fast alle Befragten sehen den Zeitaspekt / Zeitdruck / Zeitmanagement neben voller klinischer Anforderung als größte Barriere im Amt des Leitlinienkoordinators (11/13). Lösungsansätze werden in der Unterstützung durch das AWMF-IMWi gesehen oder darin, dass die Fachgesellschaft mehr personelle Ressourcen zur Verfügung stellt. Neben der fehlenden Zeit spielt die Finanzierung der Leitlinien bzw. des Leitlinienprozesses eine wichtige Rolle (4/13). Entweder stehen keine finanziellen Ressourcen durch die Fachgesellschaft zur Verfügung oder man ist finanziell limitiert hinsichtlich professioneller Unterstützung im Bereich Evidenzbasierung und Leitlinien-Konferenzen. Lösungen sahen die Befragten einerseits in Klausurtagungen, bei denen intensiv gearbeitet werden kann und andererseits in dem Einwerben von Drittmitteln, die für externe Unterstützung ausgegeben werden können. Gleich häufig wie das Finanzierungsproblem wird als größte Barriere die Gewährleistung der Interdisziplinarität gesehen (4/13): zum Teil sehr unterschiedliche Interessen und Informationsstände / Vorkenntnisse bei den Vertretern der Fachgesellschaften / Organisationen, Schwierigkeiten mit einzelnen Persönlichkeiten umzugehen, die den Prozess eher blockieren als fördern sowie die Kommunikation und Zusammenführung verschiedener Fachgesellschaften. Nicht zuletzt werden die als mühsam empfundenen Abstimmungsprozesse mit allen Beteiligten als Barriere angeführt. Hartnäckigkeit, Durchhalten und Teamarbeit mit Terminierung von Kommunikationen scheinen Lösungsmöglichkeiten zu bieten.

Als weitere Barrieren wurden genannt: die fehlenden Unterstützung sowohl innerhalb der Leitliniengruppe, aber auch allgemeiner Art (3/13) und der hohe methodische Aufwand (2/13). Einzelne Befragte sahen die größte Barriere bei den Interessenkonflikten (ohne weitere Ausführung) und der fehlenden Kommunikation innerhalb der Gruppe (jeweils 1/13).

Diskussion

Innerhalb eines Monats konnte diese Befragung durch die Unterstützung der Leitlinienkoordinatoren durchgeführt werden. Neben der Verbesserung der Versorgung spielt die Qualitätsverbesserung aus der wissenschaftlichen Perspektive eine wichtige Rolle und stellt gleichzeitig die größte Motivation dar, das Amt des Leitlinienkoordinators zu besetzen. Auch Fachgesellschaftsanliegen - wie die Weiterentwicklung wichtiger Themen - wurden angegeben. Zu den stärksten nicht-wissenschaftlichen Aspekten zählen die Position in der eigenen Fachgesellschaft, aber auch die Stellung und Positionierung gegenüber Kolleginnen und Kollegen. Zeit und Geld sind offensichtlich Barrieren bei der Leitlinienentwicklung, denen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, weil diese knappen Ressourcen dem aufwendigen Prozess der Leitlinienerstellung entgegenstehen. Die methodische Unterstützung durch Mitarbeiterinnen des AWMF-Instituts für medizinisches Wissensmanagement beantwortet zwar Fragen und Anliegen von Leitlinienkoordinatoren, kann das Problem aber nicht gänzlich lösen.

Allen Leitlinienkoordinatoren, die sich an dieser Befragung mit ihren ehrlichen und wertvollen Antworten beteiligt haben, gilt ein besonderer Dank. Ein großer Dank geht auch an die ganze ehrenamtliche, großartige Arbeit bei der Erstellung dieser qualitativ hochwertigen Leitlinien!

Weiterhin bedanke ich mich bei meinen Kolleginnen Dr. Monika Nothacker und Katharina Dahl, die mich bei der Fragebogenentwicklung und beim Korrekturlesen des Textes unterstützt haben.

[Tab. 1]

[Tab. 2]

[Tab. 3]