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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Hochschulambulanzen können ihr Leistungsspektrum ausweiten: Sozialgerichte stärken die Wirtschaftlichkeit und Wissenschaftsfreiheit von Hochschulambulanzen

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2012;9:Doc16

doi: 10.3205/awmf000264, urn:nbn:de:0183-awmf0002649

Eingereicht: 17. September 2012
Veröffentlicht: 19. September 2012

© 2012 Wienke.
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Gliederung

Zusammenfassung

Nach § 117 Abs. 1 SGB V ist der Zulassungsausschuss verpflichtet, auf Verlangen von Hochschulen die Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken (Hochschulambulanzen) zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten zu ermächtigen. Die Ermächtigung ist dabei so zu gestalten, dass die jeweiligen Hochschulambulanzen die Untersuchung und Behandlung der Versicherten in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang durchführen können. Ausgehend von dieser Ermächtigungsgrundlage wird der Umfang der Teilnahme von Hochschulambulanzen an der vertragsärztlichen Versorgung - von wenigen Ausnahmen abgesehen - regelmäßig mit Fallzahlbegrenzungen versehen. Dies führt bei vielen Hochschulambulanzen dazu, dass mit den vereinbarten Vergütungspauschalen ein wirtschaftlich rentabler Betrieb von Hochschulambulanzen nicht zu gewährleisten ist. Manches Universitätsklinikum hat aus diesem Grunde den Zugang zur ambulanten Behandlung von gesetzlich krankenversicherten Patienten über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116 b SGB V oder über die Einrichtung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) gesucht.


Text

Das Sozialgericht Aachen hatte bereits mit seinem Urteil vom 05.11.2010 - S 7 KA 2/08 - den Rechtsanspruch von Hochschulambulanzen auf eine für Forschung und Lehre ausreichende Ausstattung und ausreichende Finanzierung erheblich gestärkt. Fallzahlbegrenzungen seien nach Auffassung des Sozialgerichts unwirksam, wenn die Ausübung der ambulanten universitären Forschung nicht mehr in ausreichendem Maße sichergestellt werden könne. Die Hochschulambulanz eines Universitätsklinikums habe daher einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch darauf, dass die vom Zulassungsausschuss erteilten Ermächtigungen so gestaltet werden, dass die jeweilige Hochschulambulanz die ambulante ärztliche Behandlung der gesetzlich krankenversicherten Patienten in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfange durchführen könne. In seiner Entscheidung hatte das Sozialgericht Aachen darauf abgestellt, dass das klagende Universitätsklinikum nachvollziehbar dargelegt habe, dass die durchgeführten Forschungsvorhaben signifikant gestiegen seien. Insbesondere seien zahlreiche Sonderforschungsbereiche eingerichtet worden und die Zahl der Forschungs- bzw. Drittmittelprojekte habe sich deutlich erhöht. Bereits aus diesem Grunde erschien es für das Sozialgericht nachvollziehbar, dass mit der bisherigen Fallzahlbegrenzung die Ausübung der Forschung und Lehre nicht mehr in ausreichendem Maße sichergestellt werden könne.

Die Ermittlungen des Universitätsklinikums hatten ergeben, dass anstelle der vom Zulassungsausschuss zugestandenen 13.000 Patienten pro Quartal tatsächlich ein Bedarf von 30.000 Patienten pro Quartal bestehe, um Forschung und Lehre sicherzustellen. Hieraus folge jedenfalls, dass eine Begrenzung auf 13.000 Fälle pro Quartal unzureichend sei.

Vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen haben sich die Beteiligten des Rechtsstreits nun auf eine Vergleichsregelung verständigt. Danach wurde die dem Universitätsklinikum zugestandene Fallzahl in angemessener Weise angehoben, so dass nunmehr gewährleistet ist, dass die Hochschulambulanz Untersuchungen und Behandlungen der Versicherten in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang durchführen kann.

Der Vergleich vor dem Nordrhein-Westfälischen Landessozialgericht - L 11 KA 1/11 - stärkt die Rechtsposition der Hochschulambulanzen im Zusammenhang mit den Ermächtigungen nach § 117 Abs. 1 SGB V ganz erheblich. Der Ermächtigungsumfang einer Hochschulambulanz ist demnach stets im Kontext der verfassungsrechtlich garantierten Wissenschaftsfreiheit einer Hochschulambulanz nach Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes zu beurteilen. Dabei muss nicht das Universitätsklinikum die Ausübung von Forschung und Lehre rechtfertigen; vielmehr bedürfen die vom Zulassungsausschuss beabsichtigten Beschränkungen regelmäßig einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. So ist der Zulassungsausschuss selbst verpflichtet, den für Forschung und Lehre erforderlichen Bedarf an Patienten der einzelnen Hochschulkliniken zu erheben. Im Zuge einer solchen Erhebung kann sich der Zulassungsausschuss der Mithilfe des betroffenen Universitätsklinikums bedienen und auf die Ermittlung der Studentenzahlen, die für Forschung und Lehre benötigt werden, abstellen.

Die sozialgerichtlichen Entscheidungen des Sozialgerichts Aachen und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen bieten damit für Hochschulambulanzen eine Erfolg versprechende Grundlage, das Leistungsspektrum im Ermächtigungsrahmen des § 117 Abs. 1 SGB V so zu gestalten, dass auch Leistungen von Hochschulambulanzen zukünftig wirtschaftlich rentabel erbracht werden können. Es sei daher angeraten, im Rahmen der Zulassungsverfahren auf eine Steigerung der Fallzahlen hinzuwirken, um eine Rentabilität der Tätigkeiten in der Hochschulambulanz zu gewährleisten.

(Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Vergleich vom 13.06.2012 - L 11 KA 1/11 - )


siehe auch: GMS Mitt AWMF 2011;8:Doc19 http://www.egms.de/de/journals/awmf/2011-8/awmf000235.shtml (HTML-Version) bzw. http://www.egms.de/pdf/journals/awmf/2011-8/awmf000235.pdf (PDF-Version)