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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Konzipierung, Erstellung und Evaluation einer prototypenhaften technischen Lösung zur Unruhe-, Aufsteh- und Sturzerkennung auf einer geriatrischen Station

Meeting Abstract

  • N. Jähne-Raden - Technische Universität Braunschweig, Braunschweig
  • K.H. Wolf - Technische Universität Braunschweig, Braunschweig
  • H. Meyer zu Schwabedissen - Städtisches Klinikum Braunschweig, Braunschweig
  • F. Büsching - Technische Universität Braunschweig, Braunschweig
  • U. Kulau - Technische Universität Braunschweig, Braunschweig

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 130

doi: 10.3205/14gmds031, urn:nbn:de:0183-14gmds0317

Published: September 4, 2014

© 2014 Jähne-Raden et al.
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Text

Die demographische Entwicklung zeigt, dass in der Zukunft die ältere Bevölkerung einen großen Anteil der Gesamtbevölkerung ausmachen wird. Ein besonderes Merkmal der älteren Bevölkerung ist die Abnahme der motorischen und sensorischen Fähigkeiten. Aus diesem Umstand folgt ein erhöhtes Sturzrisiko. Zudem werden mit dem Alter die Heilungskräfte gemindert, daraus resultiert eine verlängerte Gesundungszeit. Das macht Stürze für ältere Personen zu einem großen Risiko für die Gesundheit und Lebensqualität. Solche Stürze führen nicht selten dazu, dass die Betroffenen einer dauerhaften Pflege, zum Beispiel in Pflegeheimen, bedürfen [1]. Dabei treten Stürze nicht selten auch in Pflegeeinrichtungen auf. In deutschen Krankenhäusern geschehen im Schnitt 4,7 Stürze pro 1000 Bettentage. Hervorzuheben sind diesbezüglich die geriatrischen Stationen mit 9,1 Stürzen bezogen auf 1000 Bettentage [2]. International ist die Situation ähnlich. In Belgien konnten bei einer multizentrischen Studie 7.9 Stürze pro 1,000 Bettentage ermittelt werden [3]. Weiterhin konnte auch in den Vereinigten Staaten eine Spanne von 2.2-25.0 Stürzen pro 1000 Patiententage ermittelt werden [4], [5]. Die Sturzprophylaxe bei Älteren ist aus den genannten Gründen bereits seit Jahren ein beliebtes Studienthema.

Ziel: Die Ziele dieser Arbeit sind die Erfassung der Prozesse auf einer bestehenden geriatrischen Station und die Erstellung eines durch das Pflegepersonal validierten Modells, mit den gebräuchlichen Methoden der Prozessanalyse und Prozessmodellierung, sowie die Erstellung eines, in die Arbeitsabläufe integrierten, Sturzpräventionssystems. Weiterhin soll dieses Prototypensystem in Hard- und Software, möglichst günstig und unter Betrachtung der Anforderungen, die durch den Klinikalltag entstehen, erstellt werden. Zudem soll dessen Funktion durch Tests unter Laborbedingungen sowie unter Realbedingungen validiert werden.

Methoden: Um die allgemeinen Abläufe und Prozesse auf einer geriatrischen Station zu erfassen, wurden mehrere Hospitationsbesuche im Klinikum Braunschweig durchgeführt. Zudem wurden durch teilstrukturierte, nicht-standardisierte, offene, mündliche, vorwiegend asymmetrische, problemzentrierte Interviews zusätzliche Besonderheiten des Arbeitsalltags und gewünschte Anforderungen an ein potenzielles Sturzpräventionssystem dokumentiert. Die Ergebnisse der Prozess- und Anforderungsanalyse bildeten die Basis für die Erstellung einer ersten Version eines abstrakten Prototypenmodells. In Vorstellungs-workshops konnte mittels Simulationsdurchgängen, verschiedener aus den Prozessabläufen extrahierter Szenarien, durch ein vorerst größtenteils funktionsloses Demonstratorkonzept die Modellidee dargelegt und durch das Pflegepersonal begutachtet werden. Durch die Dokumentation der Einschätzungen und weiterer Interviewfolgen konnte das erstellte Modell optimiert und Anforderungen weiter spezifiziert beziehungsweise neue Anforderungen ausgemacht werden. Für die Erstellung eines funktionstüchtigen stand-alone Prototyps eines Sturzpräventionssensorsystems als proof-of-concept wurden die ermittelten Ergebnisse der bisherigen methodologischen Arbeitsschritte als Grundlage des Grob- und Feinentwurfs genutzt. Dabei wurde besonders Wert auf die Benutzerfreundlichkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit, sowie auf den Tragekomfort des Sensorknotens, möglichst geringe Kosten des Gesamtsystems und eine möglichst gute Integration der Komponenten, sowie der Funktion in die bestehenden Arbeitsprozesse gelegt. Hierfür soll als Kernkomponente ein tragbares kostengünstiges Sensorsystem genutzt werden, der INBED (Inexpansive Node for Bed-Exit-Detection), ein Sensorsystem zur Aufsteherkennung. Zudem wird vorerst der INGA (Inexpensive Node for General Application) des IBR, eine Sensorknotenplattform und der Raspberry Pi, ein kostengünstiger Einplatinen-Computer genutzt. Um die Funktion des erstellten Prototypen zu validieren und die zufriedenstellende Umsetzung der gewünschten Anforderungen an das System zu überprüfen, wurden verschiedene Tests angedacht, welche sich grob in zwei Bereiche unterteilen lassen, zum einen die Labortests und zum anderen die Realtests.

Ergebnis: Aus den ermittelten Informationen resultieren verschiedene Ablaufdiagramme der Schichtprozesse und des allgemeinen Gesamtprozesses mit detaillierten Informationen zu Besonderheiten der Abläufe, wie potenzielle Notfälle und wiederkehrende aber nicht automatisch auftretende Prozesse, wie zum Beispiel Erkrankungen oder Verlegungen, und speziellen Situationen des Pflegealltags, wie das Wiegen oder die Abläufe der täglichen Bedürfnisse der Patienten, und dessen Anforderungen. Durch die Beobachtung der Abläufe und Prozesse sowie der Unterhaltungen mit dem Pflegepersonal ließen sich verschiedene entscheidende Anforderungen an das System ausmachen. Einen besonderen Wert kommen dabei der Größe, dem Tragekomfort und Widerstandsfähigkeit der tragbaren Sensorkomponente des Systems am Patienten zu. Für das Gesamtsystem treten die Zuverlässigkeit und die Benutzerfreundlichkeit in den Vordergrund. Dabei soll das Sturzpräventionssystem die bestehenden Prozesse nicht belasten und keinesfalls zu neuen Prozessen führen. Für die Umsetzung auf der Basis des proof-of-concept wurde auf die Integration in das bestehende KIS verzichtet und ein stand-alone system angestrebt. Die tragbare Sensorsystemkomponente wird durch den INBED umgesetzt, welcher an der Oberseite des Oberschenkels des Patienten befestigt wird. Die Eventermittlung erfolgt über ein Accelerometer. Durch eine erstellte Kunststoffklammer mit einem integrierten Magneten lässt sich der INBED ausschalten, um während der Reinigung und Lagerung Strom zu sparen. Dies ist nötig, da das Gehäuse des Sensorsystems für eine einfache Reinigung und komfortable Nutzung am Patienten wasserdicht ist. Die weiteren Empfängerkomponenten, die zum Beispiel in den Patientenzimmern oder im Stationsflur zum Einsatz kommen, basieren auf der INGA-Plattform. Die Raspberry Pi-Station ist der Kern des Gesamtsystems und steuert alle übergeordneten Prozesse und verwaltet alle Daten. Hardwareseitig besteht die Basisstation aus einem Raspberry Pi mit einem PiFace digital und einem INGA. Weiterhin steuert die Pi-Station die Prozesse der Alarm-Signalgebung über eine Web-GUI, Sounds über einen integrierten Lautsprecher. Das Sensorsystem, der INBED, konnte auf seine Funktionalität im Bereich der Unruhe-, Aufsteh- und Sturzerkennung unter Laborbedingungen untersucht werden und erwies sich als valider Detektor dieser Zustände. Insgesamt stellt sich das erstellte System als solider Prototyp und erfolgreiche Umsetzung der Problemlösung dar. Als Abweichung vom Wunschergebnis sind die Resultate der Batterielaufzeittests und der Zuverlässigkeitsüberprüfung zu nennen.


Literatur

1.
Becker C, Lindemann U, Rimann U. Sturzprophylaxe: Sturzgefhrdung und Sturzverhtung in Heimen. Hannover: Vincentz; 2003.
2.
Heinze C, Halfens RJ, Dassen T. Falls in German in-patients and residents over 65 years of age. Journal of clinical nursing. 2007;16(3):495-501.
3.
Milisen K, Coussement J, Flamaing J, Vlaeyen E, Schwendimann R, Dejaeger E, et al. Fall prediction according to nurses' clinical judgment: differences between medical, surgical, and geriatric wards. Journal of the American Geriatrics Society. 2012;60(6):1115-21.
4.
Schiller JS, Kramarow EA, Dey AN, for Health Statistics (U S ) NC. Fall Injury Episodes Among Noninstitutionalized Older Adults, United States, 2001-2003. Advanced Data. 2007;392:1-16. Available from: http://books.google.de/books?id=AfPDnQEACAAJ. External link
5.
Davison J, Marrinan S. Falls. Reviews in Clinical Gerontology. 2007 5;17:93-107. Available from: http://journals.cambridge.org/article_S0959259808002426 External link