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Forum Medizin 21, 45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Zusammenarbeit mit der Deutschen, Österreichischen und Südtiroler Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin

22.09. - 24.09.2011, Salzburg, Österreich

Partizipative Entscheidungsfindung bei der hausärztlichen Beratung zur Patientenverfügung – Gewünschte und realisierte Beteiligung im Vergleich aus Patienten- und Arztperspektive

Meeting Abstract

  • corresponding author Thorsten Dürk - Universitätsklinik Freiburg, LB Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland
  • author presenting/speaker Heidi Frey - Universitätsklinik Freiburg, LB Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland
  • author Juliane Kracht - Universitätsklinik Freiburg, LB Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland
  • author Angela Buchholz - Universitätsklinik Freiburg, LB Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland
  • author Iris Tinsel - Universitätsklinik Freiburg, LB Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland
  • author Klaus Böhme - Universitätsklinik Freiburg, LB Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland
  • author Wilhelm Niebling - Universitätsklinik Freiburg, LB Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland

45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Forum Medizin 21. Salzburg, 22.-24.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11fom150

doi: 10.3205/11fom150, urn:nbn:de:0183-11fom1507

Published: September 14, 2011

© 2011 Dürk et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Auch nach Inkrafttreten des Patientenverfügungsgesetzes im September 2009 in Deutschland besteht Unterstützungsbedarf hinsichtlich der schwierigen Entscheidungen bei der Erstellung einer Patientenverfügung (PV). Dabei könnte das Kommunikationsmodell der partizipativen Entscheidungsfindung (PEF, [1]) einen geeigneten und von Patienten auch gewünschten Ansatz darstellen [2]. Ziel dieser Studie ist es, eine neu entwickelte Ärzteschulung zum Einsatz von PEF in der Beratung zur PV in der hausärztlichen Praxis zu überprüfen. Hierbei sollen die Beteiligungspräferenzen von Patienten sowie Zusammenhänge zwischen wahrgenommener Beteiligung in Beratungsgesprächen zur PV aus Patienten- und Arztperspektive erfasst werden.

Material und Methoden: In dieser Pilotstudie des vom BMBF-geförderten Projektes „Umsetzung des Modells der Partizipativen Entscheidungsfindung in der hausärztlichen Praxis am Beispiel der Patientenverfügung“ wurden im Zeitraum von Juni 2009 bis Februar 2010 in 2 Hausarztpraxen in Baden-Württemberg insgesamt 100 Beratungen zur PV durchgeführt. Die Ärzte wurden zuvor zu PEF und anderen relevanten Inhalten bei der Beratung zur PV geschult. Im Anschluss an die Beratung bearbeiteten Ärzte und Patienten einen Fragebogen. Inhalt des Patientenfragebogens war neben soziodemographischen Angaben die Control Preferences Scale [3] und die Man-Son-Hing Skala [4]. Die Ärzte bearbeiteten eine Ärzteversion der MSH Skala. Die Auswertung erfolgte deskriptiv.

Ergebnisse: Von den 100 eingeschlossenen Patienten liegen für 90 vollständige Daten vor. Die teilnehmenden Patienten waren im Durchschnitt 70,5 Jahre alt (SD=10,8), 62 der Patienten waren weiblich (68,9%). In Bezug auf die Beteiligungspräferenz gaben 28 der Patienten (31%) an, dass sie medizinische Entscheidungen eher dem Arzt überlassen möchten, die restlichen Patienten wünschten sich eher eine gemeinschaftliche oder autonome Rolle. Im Beratungsgespräch selbst gab lediglich 1 Patient an, dass die Entscheidung eher vom Arzt getroffen wurde, der überwiegende Teil (n=89; 99%) nahm die Entscheidungsfindung als eine autonome oder gemeinschaftliche wahr. Die Ärzte nahmen ebenfalls in der Mehrzahl der Gespräche eine autonome oder gemeinschaftliche Rolle der Patienten im Entscheidungsprozess wahr (n=84; 93%). Eine Übereinstimmung der allgemeinen Beteiligungspräferenz und der wahrgenommenen Beteiligung im Gespräch ergab sich bei 37 Patienten (41,1%).

Schlussfolgerung/Implikation: Die wahrgenommene Beteiligung bei Entscheidungsprozessen im Rahmen der Erstellung einer PV ist sehr hoch, die Übereinstimmung zwischen Arzt und Patient auch. Hinsichtlich der allgemeinen Beteiligungspräferenz bei medizinischen Entscheidungen und der wahrgenommenen Beteiligung bei Erstellung der PV zeigt sich, dass auch diejenigen Patienten, die bei allgemeinen medizinischen Entscheidungen einen eher paternalistischen Stil bevorzugen, bei der Erstellung einer PV eine gemeinschaftliche bis autonome Entscheidungsfindung wahrnehmen.


Literatur

1.
Härter M. Partizipative Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) – ein von Patienten, Ärzten und der Gesundheitspolitik geforderter Ansatz setzt sich durch. Z Arztl Fortbild Qualitatssich. 2004;98(2):89-92.
2.
van Oorschot B. Zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Patienten und Arzten in der letzten Lebensphase – Erste Ergebnisse und Perspektiven eines Modellvorhabens. Z Arztl Fortbild Qualitatssich. 2004;98(2):121-5.
3.
Degner LF, Sloan JA, Venkatesh P. The Control Preferences Scale. Can J Nurs Res. 1997;29(3):21-43.
4.
Man-Son-Hing M, Laupacis A, O'Connor AM, Biggs J, Drake E, Yetisir E, Hart RG. A patient decision aid regarding antithrombotic therapy for stroke prevention in atrial fibrillation: a randomized controlled trial. JAMA. 1999;282(8):737-43.