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20. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

21. - 23.03.2019, Berlin

Analyse einer cluster-randomisierten kontrollierten Multicenter-Studie

Polypharmacy in chronic diseases – Reduction of Inappropriate Medication and Adverse drug events in older populations by electronic Decision Support (PRIMA-eDS): Per protocol versus Intention-to-treat

Meeting Abstract

  • Anja Rieckert - Universität Witten/Herdecke, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Witten, Deutschland
  • Ulrike Sonja Trampisch - Universität Witten/Herdecke, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Witten, Deutschland
  • Renate Klaaßen-Mielke - Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Bochum, Deutschland
  • Eva Drewelow - Universitätsmedizin Rostock , Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Aneez Esmail - University of Manchester, NIHR School of Primary Care Research, Manchester, Großbritannien
  • Maria Flamm - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Österreich
  • Tim Johansson - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Österreich
  • Celine Kriechmayr - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Österreich
  • Ilkka Kunnamo - Duodecim, Finnland
  • Christin Löffler - Universitätsmedizin Rostock , Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Giuliano Piccoliori - Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin, Italien
  • David Reeves - Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Österreich
  • Anna Vögele - Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin, Italien
  • Andreas Christian Sönnichsen - Medizinische Universität Wien, Abteilung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Wien, Österreich; University of Manchester, NIHR School of Primary Care Research, Manchester, Großbritannien

EbM und Digitale Transformation in der Medizin. 20. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Berlin, 21.-23.03.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19ebmS3-V5-02

doi: 10.3205/19ebm022, urn:nbn:de:0183-19ebm0227

Published: March 20, 2019

© 2019 Rieckert et al.
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Hintergrund/Fragestellung: Polypharmazie betrifft häufig ältere multimorbide Patienten. Bis zu 1/3 der Medikamente werden ohne ausreichende Evidenzbasis verordnet. Dies führt durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeidbaren Hospitalisierungen/Todesfällen. In einer randomisierten kontrollierten Studie wurde überprüft, ob der Einsatz der elektronischen Entscheidungshilfe „PRIMA-eDS“ zur Vermeidung inadäquater Arzneimittelverordnungen Todesfälle/Hospitalisierungen bei multimorbiden Patienten reduziert. Es stellt sich die Frage, ob eine Intention-to-treat (ITT) oder eine Per-protocol-Analyse (PP) die adäquate Evaluationsmethode in dieser Studie darstellt.

Methoden: In einer randomisierten kontrollierten Studie wurden Patienten ≥75 Jahre mit regelmäßiger Einnahme von ≥8 Wirkstoffen untersucht. Die Hausärzte der Interventionsgruppe erhielten über eine elektronische Entscheidungshilfe (PRIMA-eDS-Tool) individuell für ihre teilnehmenden Patienten evidenzbasierte Empfehlungen zur Vermeidung inadäquater Medikation. Die Hausärzte der Kontrollgruppe behandelten ihre Patienten wie gewohnt. Primäres Zielkriterium war ein kombinierter Endpunkt aus nicht-elektiven Hospitalisierungen oder Tod während eines Beobachtungszeitraums von 2 Jahren.

Ergebnisse: 359 Hausärzte und 3904 (Alter 81±5 Jahre) Patienten wurden eingeschlossen. In der ITT-Analyse bezüglich des kombinierten Endpunkts (nicht-elektive Hospitalisierung oder Tod) betrug die Hazard Ratio (HR) 0,92 (95%CI 0,82-1,04; p=0,19). Im Schnitt wurden in der Interventionsgruppe 0,5 Medikamente pro Patient mehr reduziert als in der Kontrollgruppe (p<0,001). In der PP-Analyse betrug die HR des primären Zielkriteriums 0,88 (95%CI 0,78-0,99; p<0,001). Es liegt somit eine deutliche Diskrepanz zwischen ITT und PP-Ergebnis vor.

Schlussfolgerungen: Mit PRIMA-eDS können Medikamente reduziert werden. In der ITT-Analyse zeigte sich jedoch kein signifikanter Nutzen hinsichtlich des primären Endpunkts. Die PP-Analyse hingegen legt nahe, dass eine intensive Nutzung des Tools Hospitalisierungen und Todesfälle reduziert. Wir folgern aus diesen Ergebnissen, dass das Tool in der Form, in der es in der Studie eingesetzt wurde, hinsichtlich des primären Endpunkts nicht wirksam ist, dass aber eine intensive Nutzung des Tools sehr wohl von Nutzen für den Patienten sein kann. Für die Implementierung wird daher von entscheidender Bedeutung sein, wie eine intensive Nutzung des Tools sichergestellt werden kann.