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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Gesundheitskompetenz von Organisationen: Barrieren und Synergien im ÖGD und der Umweltverwaltung

Meeting Abstract

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  • Anika Mehlis - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG 7 Umwelt und Gesundheit, Plauen, Germany
  • Claudia Hornberg - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG 7 Umwelt und Gesundheit, Bielefeld, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf046

doi: 10.3205/19dkvf046, urn:nbn:de:0183-19dkvf0466

Published: October 2, 2019

© 2019 Mehlis et al.
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Hintergrund: Komplexe Umweltprozesse wie der Klimawandel stellen auf globaler, nationaler und kommunaler Ebene wichtige Herausforderungen des 21. Jahrhunderts für die Gesundheitswissenschaften (Public Health) dar. Um diesen zu begegnen, benötigen die Menschen die Kompetenz, Umwelt- und Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden, damit sie gesundheitsförderliche Entscheidungen treffen und entsprechend handeln können. Es wird jedoch immer klarer, dass der ausschließliche Blick auf die individuelle Gesundheitskompetenz zu kurz greift. Einrichtungen, Behörden und Organisationen, die eine Rolle in der Gesundheitsversorgung der Menschen spielen, müssen ebenso aktiv werden und ihren Nutzern helfen, Informationen und Angebote zu finden und in Anspruch zu nehmen. Für diese Form der sog. „organisationalen Gesundheitskompetenz (OHL)“ wurden, basierend auf den „Zehn Attributen gesundheitskompetenter Krankenbehandlungsorganisationen“ des US Institute of Medicine, international mehrere theoretische Modelle entwickelt. Die meisten der existierenden Modelle beziehen sich jedoch auf Krankenhäuser und andere Versorger für Individualmedizin.

Der Deutsche Aktionsplan Gesundheitskompetenz fordert im Handlungsfeld „nutzerfreundliche Gestaltung des Gesundheitssystems“ die Kommunikation zwischen den Gesundheitsprofessionen und Nutzern verständlich und wirksam zu gestalten. Diese Forderung trifft auch auf den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in Deutschland zu, der auf Bevölkerungsebene für den Bereich Umwelt und Gesundheit zuständig ist. Entsprechende Informationen zur Gesundheitskompetenz von Gesundheitsämtern/-behörden in Deutschland liegen bisher nicht vor – ein Umstand, der dem oft beschriebenen Mangel an Theorien in den Gesundheitswissenschaften geschuldet ist.

Im Sinne einer Stärkung der umweltbezogenen Bevölkerungsgesundheit und vor dem Hintergrund der drängenden Aufgaben im gesundheitsbezogenen Umweltschutz gilt es, die zahlreichen Schnittstellen zwischen Gesundheits- und Umweltverwaltung besser zu nutzen, Ressourcen zu bündeln und die Gesundheitskompetenz der Organisationen insgesamt zu stärken.

Fragestellung: Wie können Gesundheitsbehörden ihre OHL erhöhen und welche Umstände hindern sie daran? Wie können vorhandene Synergien zwischen Umwelt- und Gesundheitsbehörden gezielter identifiziert und genutzt werden, um knappen Ressourcen, Fachkräftemangel und fehlendem politischen Gehör zu begegnen?

Methoden: Einbezogen in die Studie wurden Gesundheits- und Umweltämter von der kommunalen Ebene bis hin zu Landesbehörden. Im Zentrum standen leitfadengestützte Interviews mit den Experten unterschiedlicher Hierarchieebenen in den jeweiligen Behörden, die im Schnellballsystem rekrutiert wurden. Die Interviews wurden zwischen Oktober 2018 und April 2019 durchgeführt. Nach der Transkription der Audioaufnahmen wurden die anonymisierten Interviews einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring unterzogen.

Ergebnisse: Leitfadengestützte Interviews wurden mit insgesamt zwölf Sachbearbeitern/ Referenten (n=4), Sachgebiets-/ Referatsleitern (n=6) sowie Amtsleitern (n=2) von Gesundheits- (n=7) und Umweltbehörden (n=5) durchgeführt. Insgesamt 10,4 Stunden Audioaufnahmen wurden transkribiert und qualitativ analysiert. Bei der Auswertung der Interviews fanden sich einige aus früheren Studien bekannte Barrieren wieder. Zusätzlich wurden neue Hindernisse wie z. B. fehlende Bürgernähe identifiziert. Als vorläufige Ergebnisse konnten auf der Basis der Studie Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der OHL und zur Optimierung der Kooperation zwischen den Behörden formuliert werden.

Diskussion: Vor dieser Studie existierten keine Daten zur organisationalen Gesundheitskompetenz von Gesundheitsbehörden in Deutschland. Interviews mit Experten aus Gesundheits- und Umweltämtern ergaben eine Reihe von Barrieren, die diese davon abhalten, ihre OHL zu erhöhen. Ebenfalls konnten Hemmnisse identifiziert werden, die einer besseren Kooperation zwischen den Behörden und der Nutzung von Synergien entgegenstehen. Diese Barrieren zu überwinden, könnte wesentlich dazu beitragen den Umweltschutz zu verbessern und zugleich die umweltbezogene Gesundheit in der Bevölkerung zu erhöhen und damit einen entscheidenden Beitrag für Public Health zu leisten. Ein perspektivisches Ziel der Studie ist es, auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse ein theoretisches Modell für gesundheitskompetente Gesundheitsbehörden zu entwickeln.

Praktische Implikationen: Interviews mit Experten aus Gesundheits- und Umweltbehörden in Deutschland förderten zahlreiche Hindernisse zutage, die die Organisationen davon abhalten, ihre OHL zu erhöhen. Diese Barrieren mit Hilfe der aus der Studie abzuleitenden Handlungsempfehlungen zu überwinden, wäre ein erster Schritt zur Erhöhung der OHL und damit ein positives Zeichen für einen verbesserten gesundheitsbezogenen Umweltschutz und eine erhöhte umweltbezogene Gesundheit der Bevölkerung.