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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Evidenzbasierte nicht-medikamentöse Maßnahmen in Rezeptform – Anwendbarkeit der ‚EVIzepte‘ in der Hausarztpraxis

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Reingard Glehr - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Österreich
  • Nicole Posch - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Österreich
  • Klaus Jeitler - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Österreich
  • Michael Kohlhofer - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Österreich
  • Andrea Siebenhofer - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Österreich; Goethe-Universität, Institut für Allgemeinmedizin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocP-08-01

doi: 10.3205/21degam220, urn:nbn:de:0183-21degam2202

Published: September 17, 2021

© 2021 Glehr et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Auf Basis des „Handbook of Non-Drug Interventions (HANDI)“ des Royal Australian College of General Practitioners (RACGP) wurden für ausgewählte nicht-medikamentöse Maßnahmen, deren Nutzen durch zumindest 2 RCTs nachgewiesen ist, rezeptähnliche Kurzinformationen zur Verschreibung in der Hausarztpraxis gestaltet. In Anlehnung an das „EVI“-Projekt [1] wurden diese EVIzepte genannt.

Fragestellung: Würden Ärzt*innen Kurzinformationen zu nicht-medikamentösen Maßnahmen in rezeptähnlicher Form verschreiben und welche Erwartungen haben Sie dazu?

Würden Patient*innen die verschriebenen Kurzinformationen annehmen und nicht-medikamentöse Maßnahmen eher durchführen?

Methoden: Im Rahmen einer Pilotstudie wurden nach Erstellung eines Interviewleitfadens Interviews mit 10 Ärzt*innen und 30 Patient*innen in 10 verschiedenen Hausarztpraxen zu je 50% in ländlicher und urbaner Praxisumgebung geführt. Nach Transkription der Interviews erfolgte eine qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring sowie eine deskriptive statistische Analyse.

Ergebnisse: 4 Ärztinnen und 6 Ärzte im Alter zwischen 45 und 64 Jahren bzw. 16 Patientinnen und 14 Patientin im Alter zwischen 21 und 81 Jahren nahmen teil.

Ergebnisse Ärzt*innen:

80% würden „EVIzepte“ verschreiben und erwarten sich dadurch eine höhere Therapieadhärenz bei Patient*innen. Zusätzlich zu den bisher bestehenden „EVIzepten“ (Themen Depression, Diabetes mellitus, Schlafstörungen, Kreuzschmerz) wünschen sich die befragten Ärzt*innen am häufigsten Kurzinformationen zu den Themen „Hypertonie“, „KHK“ und „Adipositas“.

Ergebnisse Patient*innen

83% würden „EVIzepte“ anwenden, 77% glauben, dass sich ihre Therapieadhärenz bezüglich nicht-medikamentöser Maßnahmen dadurch erhöhen würde. Als Vorteile der „EVIzepte“ wurden am häufigsten „Alternative/Ergänzung zu medikamentöser Therapie“, „hohe Informationsqualität“ und „kompakte Information zum Nachlesen“ genannt. 90% würden sich zusätzliche „EVIzepte“ zu anderen Themen wünschen.

Diskussion: Unsere Befragung zeigt, dass ein hoher Prozentsatz von Ärzt*innen und Patient*innen an eine Effektivität der Verschreibung nicht-medikamentöser Therapien glauben und einen möglichen Nutzen darin sehen. Die Gestaltung zusätzlicher „EVIzepte“ zu neuen Themen wurde von den meisten Interviewteilnehmer*innen beider Gruppen gewünscht.

Take Home Message für die Praxis: Die rezeptähnliche Verschreibung von kompakter Information zu nicht-medikamentösen Maßnahmen als Therapie für bestimmte Erkrankungen wird von Ärzt*innen und Patient*innen als nützliches Tool für die tägliche Praxis angesehen.