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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Christian Thomsen: Ärztliche Fähigkeiten für das Hammerexamen

Buchbesprechung/book report Humanmedizin

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  • corresponding author Udo Obertacke - Universitätsmedizin Mannheim, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädisch-Unfallchirurgisches Zentrum, Mannheim, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2009;26(3):Doc27

doi: 10.3205/zma000619, urn:nbn:de:0183-zma0006195

Received: February 6, 2009
Revised: May 15, 2009
Accepted: May 15, 2009
Published: August 17, 2009

© 2009 Obertacke.
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Bibliographische Angaben

Christian Thomsen

Ärztliche Fähigkeiten für das Hammerexamen

Bildführer zur körperlichen Untersuchung

Walter de Gruyter Berlin, NewYork

Seitenzahl: 160; € 14,80

Erscheinungsjahr: 2008


Rezension

Das Taschenbuch (146 S., 121 Abb.) ist eine Monographie von Dr. C. Thomsen, Anästhesist aus Chesterfield/UK. Der Untertitel referiert den eigentlichen Inhalt: es geht um die systematische Darstellung der verschiedenen Schritte der körperlichen Untersuchung, incl. der Anamnese. Die Widmung an den Medizinhistoriker Prof. Michler, Gießen, mag erklären, warum das Kapitel 7 sich (mit umfangreichen Zitaten) mit der Historie der systematischen körperlichen Untersuchung als Grundlage der Krankheitserkennung beschäftigt – ein äußerst lesenswertes, leider kurzes Kapitel des Buches.

Ansonsten sucht der Leser eher – vom pointierten Titel des Buches gewissermaßen „gelockt“ – nach neuen Informationen bzw. hilfreichen Pfaden für eine Prüfungsvorbereitung. Es handelt sich letztlich in seinen wesentlichen Inhalten um ein Lehrbuch bzw. Repetitorium zu körperlichen Untersuchungspraktiken mit Skizzenanleitungen für das Vorgehen des Untersuchers bzw. die Lokalisation der zu erwartenden Befunde am Patienten.

Theoretische Darstellungen der Bedingungen und Inhalte der Anamneseerhebung (Kapitel 1), der körperlichen Untersuchung (Kapitel 2) und der allgemeinen und speziellen Befunderhebung (Kapitel 3) finden sich auf den ersten 24 Seiten. Die Darstellung ist systematisch und übersichtlich, hat aber natürlich wie bei allen Lehrbüchern der Untersuchungstechniken das Problem, dass sich akustische und mechanische Befunde schwer beschreiben lassen. Etwas verwirrt ist der Leser, wenn im Unterpunkt 3.2.2. (Herz-Kreislaufsystem) ausschließlich die Befundung des Herzens – und die Synopsis des Ulkus cruris besprochen wird.

Das Kapitel 4 befasst sich auf 2 Seiten mit dem „diagnostischen Prozess“. Der Autor erklärt hier die feine Definition von „Symptomen“, „Befunden“ und „klinischen Zeichen“, für die er eine „angloamerikanische“, strenge Unterscheidung anführt. Die weitere Hinführung von diesen Untersuchungselementen zur „klinischen Diagnose“ wird als Methode der klassischen naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung geschildert und mit historischen Zitaten gestützt.

Die aufgrund des Buchtitels erwartete spezifische Vorbereitung auf den mündlich-praktischen Teil der zweiten ärztlichen Prüfung (M2) findet sich in Kapitel 5 auf ganzen 3 Seiten: es werden für 4 Fragen systematische Antwortskizzen dargestellt:

  • wie diagnostizieren Sie die Krankheit XY?
  • wie behandeln Sie XY?
  • welches ist die Ursache der Symptom- und Zeichenkonstellation XY?
  • welches ist die Ursache der Schwellung XY?

Die vorgeschlagenen Antworten werden schematisch abgeleitet, wobei der Autor die „angloamerikanische Lehrmethode“ zugrunde legt.

Kapitel 7 ist auf 106 Seiten der „Bildführer“ durch die verschiedenen Bereiche der körperlichen Untersuchung. Es wird das übliche Spektrum der im Allgemeinen so genannten „internistisch-neurologischen“ Untersuchung abgehandelt. Der Rezensent vermerkt mit Befriedigung, daß auf der einen Seite vermeintlich banale Techniken wie die Blutdruckmessung subtil beschrieben sind, auf der anderen Seite die zunehmend tabuisierte rektal-digitale Untersuchung sorgfältig besprochen wird.

Für den mündlich-praktischen Teil der zweiten ärztlichen Prüfung (M2) wären allerdings noch weitere, über das o.g. Spektrum hinausgehende Untersuchungstechniken hilfreich: der Rezensent nennt beispielhaft die Neutral-0-Methode zur Darstellung von Bewegungsumfängen, die Untersuchungsgänge an der Wirbelsäule (Schober, Ott, Kennmuskeln und Dermatombezüge), systematische Erkennung von Gangbildstörungen („Hinken“), Funktionsprüfungen peripherer Nerven und „Allerwelts-Tests“ (Lachmann, Steinmann, usw.).

Die (nur) 200-jährige Geschichte der modernen körperlichen Untersuchung im letzten Kapitel ist mit Freude (und teilweise amüsiert) zu lesen. Der Leser erfährt mit einer gewissen Überraschung die Entwicklung (und Fehlentwicklung) der klassischen – aber gar nicht ganz so alten Untersuchungstechniken der Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation. Zufälle, Systematik, aber auch Übertreibungen haben diese Techniken begleitet, deren „Herrschaft“ ihren Höhepunkt zwischen 1838 und 1908 hatte, wie 2 referierte historische Werke belegen.

Insgesamt ist der Titel des Handbuches eher irreführend; es handelt sich um ein Buch zur körperlichen Untersuchung, welches in seiner selber gewählten Bestimmung zur Prüfungsvorbereitung sicher Ergänzungen vertragen könnte. Spezifisch hinsichtlich der Vorbereitung für den mündlich-praktischen Teil der zweiten ärztlichen Prüfung (M2) in Deutschland ist der Buchinhalt sicher nicht. Eine absolute Stärke des Buches sind seine Anmerkungen zur systematischen Erkenntnisgewinnung und zur Historie der körperlichen Untersuchung; diese Teile des Werkes sind allerdings entweder als unterrepräsentiert oder als „fehl am Platze“ anzusehen.