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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Der Kerndatensatz Forschung: Aufbau, Anwendung und die Rolle der Bibliothek

The Research Core Dataset for the German science system: structure, application and the role of the library

Fachbeitrag AGMB-Jahrestagung in Oldenburg 2018

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  • corresponding author Christoph Thiedig - Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW), Berlin, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2018;18(3):Doc20

doi: 10.3205/mbi000421, urn:nbn:de:0183-mbi0004219

Published: December 21, 2018

© 2018 Thiedig.
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Zusammenfassung

Mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Spezifikation und Einführung eines „Kerndatensatz Forschung“ ist ein Prozess der Standardisierung von Forschungsinformationen im deutschen Wissenschaftssystem angestoßen worden. Der Beitrag gibt eine Einführung in den Kerndatensatz Forschung, geht auf den Entwicklungsprozess des Standards und seinen Hintergrund ein, beschreibt überblicksartig Struktur und Inhalte der Spezifikation und betrachtet vertiefend die Inhalte und Erfassungsanforderungen des Kerndatensatz-Bereichs „Publikationen“. Weiterhin widmet sich der Artikel dem derzeitigen Prozess der Implementierung des Kerndatensatz Forschung und beschreibt in diesem Zusammenhang Aufgaben und Unterstützungsangebote des Helpdesks. Abschließend thematisiert er die Rolle bibliothekarischer Expertise für die Umsetzung und Weiterentwicklung des Standards im Kontext aktueller Entwicklungen in der deutschen Forschungsinformationslandschaft.

Schlüsselwörter: Kerndatensatz Forschung, Standard, Forschungsinformationen, Forschungsinformationssysteme, Informationsinfrastruktur, Forschungsberichterstattung, Helpdesk

Abstract

Recommendations by the German Council of Science and Humanities regarding the specification and introduction of a German “Research Core Dataset” have initiated a process of research information standardization in the German science system. The article provides an introduction to the Research Core Dataset, its development process, structure and contents, with a focus on the area of publications and its requirements for data collection. It further addresses the current implementation process of the standard and describes the tasks and support structures of its helpdesk. It concludes with a discussion on the role of libraries’ expertise in implementation and future development of the standard in the context of recent developments in the German research information landscape.

Keywords: Research Core Dataset, standard, research information, research information systems, information infrastructure, research reporting, helpdesk


Hintergrund und Entwicklung des Kerndatensatz Forschung

Mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Spezifikation und Einführung eines Kerndatensatz Forschung ist ein Prozess der Standardisierung von Informationen über Forschungsaktivitäten (sogenannten Forschungsinformationen) im deutschen Wissenschaftssystem angestoßen worden [1], [2]. Vor dem Hintergrund der bestehenden Vielfalt von Datenabfragen und Berichtsprozessen an Forschungseinrichtungen wirkt er auf die Etablierung von Definitionen und Standardformaten für die Vorhaltung und den Austausch dieser Forschungsinformationen hin. Auf diese Weise soll der Aufwand in der Bereitstellung von Informationen für die institutionelle Berichtslegung und Auskunftsfähigkeit verringert werden [3], [4]. Ziel ist hierbei die Generierung qualitätsgesicherter, vergleichbarer sowie flexibel nutzbarer Informationen über verschiedene Berichtsanlässe und -bedarfe hinweg – einrichtungs- und fächerübergreifend, systemagnostisch und datenschutzkonform.

Der Kerndatensatz Forschung stellt keinen zentralen Datensatz dar, sondern umfasst Regelungen für die dezentrale Vorhaltung eines beschränkten, standardisierten und definierten Sets von Aggregatdaten (aggregierten Forschungsinformationen) an Forschungseinrichtungen. Er hegt als solcher nicht den Anspruch, alle relevanten Forschungsinformationen einer Einrichtung abbilden zu können, sondern beschränkt sich auf einen „Kern“ an Informationen, welche für die meisten Einrichtungen bereits jetzt zentrale Elemente ihrer Erfassungs- und Berichtspraktiken darstellen. Er ist in diesem Sinne datensparsam. Als freiwillige Standard-Spezifikation zur Harmonisierung bestehender Berichtsabfragen schafft er keine neuen Berichtspflichten. Vielmehr sind die berichtsnachfragenden Einrichtungen ihrerseits dazu angehalten, ihre Abfragen zukünftig kerndatensatzkonform zu gestalten und darüberhinausgehende Abfragen nur selten und in begründeten Ausnahmefällen zu stellen [1]. Die berichtenden Forschungseinrichtungen bleiben Dateneigner und entscheiden auf Einzelfallbasis über Art und Umfang der Weitergabe ihrer Daten im Kerndatensatz-Format.

In seinen „Empfehlungen zu einem Kerndatensatz Forschung“ formuliert der Wissenschaftsrat konkrete Vorgaben zur Gestaltung dieses Standards, welche sich sowohl auf die Inhalte der Standard-Spezifikation als auch auf ihre Architektur und den Erarbeitungsprozess selbst erstrecken [1]. Die Empfehlungen umfassen darüber hinaus die Ausarbeitung einer konsensfähigen Fächerklassifikation und die Berücksichtigung der technischen Umsetzung, unter anderem durch die Erstellung eines technischen Datenmodells basierend auf dem europäischen Informationsformat CERIF [5].

Die Erarbeitung des Kerndatensatz Forschung erfolgte in einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Projekt mit Laufzeit von Mitte 2013 bis Ende 2015, welches vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ, heute Teil des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH – DZHW) koordiniert und in Kooperation mit der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates sowie dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik – FIT durchgeführt wurde. Die vom Wissenschaftsrat vorgegebene Projektstruktur sah die Erarbeitung der Elemente, Definitionen und Formate des Kerndatensatz Forschung durch vier Expert*innengruppen gemeinsam mit einer Vielzahl externer Kooperationspartner und Piloteinrichtungen vor, welche von einem Beirat (in Form einer Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrates) begleitetet wurden [6]. Die so erarbeitete Spezifikation wurde im Anschluss in einer „Open Beta“-Phase der Öffentlichkeit zur Kommentierung und Bewertung vorgelegt. Über das entsprechende Online-Rückmeldesystem wurden so über 1.800 Kommentare eingebracht, die dann in einem letzten Überarbeitungsschritt in die Version 1.0 des Kerndatensatz Forschung einflossen. Diese wurde im Januar 2016 vom Wissenschaftsrat zur flächendeckenden Einführung im deutschen Wissenschaftssystem empfohlen [2].


Struktur und Inhalte der Spezifikation

Die Architektur des Kerndatensatz Forschung sieht die Unterscheidung von Aggregatdatenebene und Basisdatenebene vor (s. Abbildung 1 [Abb. 1]). Erstere enthält aggregierte Forschungsinformationen in Summen- oder Listenform („Kerndaten“) sowie ergänzende Kriterien für die Aufschlüsselung dieser Kerndaten anhand zusätzlicher Merkmale (sogenannter „Ausdifferenzierungen“ und „Aggregationsniveaus“). Letztere umfasst die für die Aggregation notwendigen Basisdaten und stellt einen Vorschlag für die einrichtungsinterne Datenverarbeitung dar. Diese Basisdaten sind kein Bestandteil der eigentlichen Kerndatensatz-Spezifikation und als solche nicht zur Weitergabe vorgesehen; eine kerndatensatzkonforme Berichtslegung findet stets auf der Ebene von Aggregatdaten statt. Sowohl Aggregat- als auch Basisdatenebene sind in einem technischen Datenmodell abgebildet, welches als unterstützendes, nicht verbindliches Angebot für implementierende Einrichtungen bereitgestellt wird, die den Kerndatensatz Forschung in ihren Systemen abbilden möchten.

Auf der Ebene der Aggregatdaten wird der sogenannte „Kern“ des Kerndatensatz Forschung (hier grün dargestellt) von der „Schale“ und dem Weiterentwicklungsbereich unterschieden. Der „Kern“ umfasst dabei die Bestandteile der Spezifikation, die für alle Forschungseinrichtungen zur Implementierung empfohlen werden. Die in der „Schale“ enthaltenen Angaben sind demgegenüber nur für spezifische Einrichtungen oder Fächer relevant und stellen eine Ergänzung des „Kerns“ dar. Der für die Weiterentwicklung empfohlene Bereich enthält Elemente, für die noch keine abschließenden Definitionen oder Formate erarbeitet werden konnten und die in einem zukünftigen Weiterentwicklungsprozess Bestandteil der Spezifikation werden sollen [6].

Die im Kerndatensatz Forschung spezifizierten Forschungsinformationen sind sechs Bereichen zugeordnet: Beschäftigte, Nachwuchsförderung, Drittmittel und Finanzen, Patente und Ausgründungen, Publikationen sowie Forschungsinfrastrukturen. Sowohl auf Ebene der Bereiche und der ihnen zugeordneten Kerndaten als auch für die jeweiligen Ausdifferenzierungen und Aggregationsniveaus liegen Definitionen vor, die neben der inhaltlichen Ausgestaltung auch Aggregations- und Zuordnungsregeln umfassen.

Diese Struktur des Kerndatensatz Forschung soll es den Einrichtungen ermöglichen, mithilfe eines flexibel aggregierbaren Sets an definierten Forschungsinformationen eine Vielzahl unterschiedlicher Informations- und Berichtsbedarfen bedienen zu können. So mag beispielsweise das Kerndatum „Vollzeitäquivalente“ aus dem Bereich „Beschäftigte“ für einen Bericht nach „Geschlecht“ und „Fach“ aufgeschlüsselt werden, für einen anderen hingegen nach „Personalkategorie“, „Befristung“ und „Fach“; beide stellen kerndatensatzkonforme Berichtsabfragen dar.

Auf der Ebene der Kerndaten weist der Bereich „Beschäftigte“ hierbei neben der Anzahl an Vollzeitäquivalenten ebenfalls die Kopfzahlen sowie die Gesamtsumme des Personals der berichtenden Einrichtung auf. Für den Bereich der „Nachwuchsförderung“ sind neben der Anzahl an Doktorand*innen an titelvergebenden bzw. nicht-titelvergebenden Einrichtungen die Anzahl abgeschlossener Qualifizierungsverfahren und Angaben zu den Strukturierten Promotionsprogrammen spezifiziert. Der Bereich „Drittmittel und Finanzen“ enthält Angaben zu Drittmitteleinnahmen bzw. -erträgen, Angaben zu Drittmittelprojekten, die Summe sonstiger Einnahmen sowie das Gesamtbudget der Einrichtung. Unter „Patenten und Ausgründungen“ werden Patente in Listenform erfasst, ebenso die Anzahl an Patentfamilien, prioritätsbegründenden Patentanmeldungen, erteilten Patenten und Ausgründungen sowie die Summe der Erträge aus Schutzrechten. Im Bereich „Publikationen“ findet sich eine Liste von Publikationen als einziges Kerndatum, welches allerdings anhand einer vergleichsweise großen Zahl von Merkmalen ausdifferenziert werden kann. Der Bereich der „Forschungsinfrastrukturen“ zählt vollständig zur „Schale“ des Kerndatensatz Forschung; hier ist analog zum Publikationsbereich die Angabe über Forschungsinfrastrukturen in Listenform zu tätigen.

Die Bereiche des Kerndatensatz Forschung sind über diverse Merkmale untereinander verknüpft. So kann eine Person gleichzeitig an der Einrichtung beschäftigt sein, dort in einem Drittmittelprojekt mitwirken und als Erfinder für ein Patent aufgeführt werden. Vor dem Hintergrund dieser Verknüpfung von mitunter separat vorliegenden Datenbeständen verweist der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen auf die Vorteile von integrierten Forschungsinformationssystemen für die Verwendung des Kerndatensatz Forschung [2].


Erfassung von Publikationen

Die Erarbeitung des Publikationsbereichs des Kerndatensatz Forschung erfolgte durch die Projektgruppe „Bibliometrie“. Zu ihren Aufgaben gehörte die Standardisierung der Publikationsformate, die Prüfung von Schnittstellen zu bestehenden Datenbanken sowie die Erarbeitung von Empfehlungen für die Prozesse der Datenlieferung, -eingabe und -validierung [6]. In einem konsensorientierten Prozess unter breiter Beteiligung von Fachgesellschaften, Piloteinrichtungen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wurde eine konsolidierte Liste von Publikationsformaten und ihren Definitionen erstellt. In Anlehnung an das Modell für das nationale Forschungsinformationssystem Norwegens (CRIStin) wurde ein Metadatenmodell für diesen Publikationsbereich entwickelt und auf Kompatibilität mit bestehenden Systemen überprüft. In Auseinandersetzung mit bestehenden Anbietersystemen sprach die Projektgruppe darüber hinaus Empfehlungen für den Prozess der Meldung und Validierung von Publikationsdaten aus (ausführliche Beschreibungen der Tätigkeiten dieser und der übrigen Arbeitsgruppen finden sich im Ergebnisbericht zum Projekt „Kerndatensatz Forschung“ [7]).

Kerndatum des Bereichs „Publikationen“ (s. Abbildung 2 [Abb. 2]) ist eine Liste der Publikationen, die im Kalenderjahr von Personen der berichtenden Forschungseinrichtung – als Beschäftigte im Sinne des Kerndatensatz Forschung und/oder als Angehörige des wissenschaftlichen Nachwuchses – veröffentlicht worden sind. Diese Personen werden als „Schöpfer“ im Kerndatensatz Forschung erfasst und ergänzend nach ihrem „Schöpfertyp“ ausdifferenziert. Die einzelne Autorin findet hier ebenso Berücksichtigung wie eine Körperschaft mit Herausgeberfunktion. Basale bibliographische Angaben über das veröffentlichte Werk und seine Quelle (die Fachzeitschrift, den Sammelband etc.) finden im Kerndatensatz Forschung Abbildung, ebenso wie Angaben zu Zugangsrechten und Peer Review-Status. Für jeden Eintrag ist darüber hinaus nach Möglichkeit mindestens ein eindeutiger Identifier anzugeben. Eine umfangreiche Differenzierung findet für die verschiedenen Publikations- bzw. Dokumententypen statt: Während erstere zwischen diversen Buch- und Artikelformaten sowie weiteren Publikationsformaten wie Sonderheften, Software, aber auch Forschungsdaten unterscheidet, stellt letztere eine ergänzende Aufschlüsselung für den Publikationstyp „Journalartikel“ dar, die neben dem wissenschaftlichen Artikel unter anderem die Rezension, das Review und die Bibliographie umfasst und den unterschiedlichen Eigenschaften und Wertigkeiten dieser Dokumententypen Rechnung tragen soll. Vollständig in der Schale des Kerndatensatz Forschung finden sich die Ausdifferenzierungen nach „Ressource“ – Text, Bild, Audio oder bewegte Bilder – sowie Angaben zum finanziellen (Mit-)Förderer der Publikation und dem entsprechenden Förderkennzeichen. Über letzteres besteht die Möglichkeit, den Publikationsbereich des Kerndatensatz Forschung mit Informationen über Drittmittelprojekte zu verknüpfen. Eine Verknüpfung mit dem Beschäftigten- und dem Nachwuchsbereich wird über die Erfassung des Schöpfers ermöglicht. Weitere Verknüpfungen bestehen zwischen Publikationen und Forschungsinfrastrukturen sowie zu möglichen weiteren Rollen, die eine schöpfende Person in der Einrichtung innehat, etwa als Promovierender in einem Strukturierten Promotionsprogramm, als Sprecher von selbigem oder als Erfinder eines Patents (für eine ausführliche Erläuterung dieser Verknüpfungsattribute, siehe das Spezifikationsdokument des Kerndatensatz Forschung [6]).

Diese so spezifizierbare Liste an Publikationen soll anhand von diversen Merkmalen aggregierbar sein. Zu den Aggregationsniveaus des Publikationsbereichs zählen die Organisationseinheit – die kleinste, an der Forschungseinrichtung bestehende organisatorische Einheit, der Personal/Stellen zugeordnet ist/sind – sowie das Fach und das Forschungsfeld. Alle drei Merkmale stellen zentrale Aggregationsniveaus im Kerndatensatz Forschung dar und sind für die meisten Kerndaten angeführt.

Beispiele für kerndatensatzkonforme Abfragen von Publikationsdaten sind eine Liste aller im Kalenderjahr veröffentlichten Journalartikel für das Fach Medizin oder eine auf Ebene der Organisationseinheiten aggregierte Liste von Open-Access-Publikationen.


Helpdesk

Den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Spezifikation des Kerndatensatz Forschung folgend [2], betreibt das DZHW am Standort Berlin einen Helpdesk für die Einführung des Kerndatensatz Forschung, welcher den Implementationsprozess an Forschungseinrichtungen mit einem Beratungs- sowie Austausch- und Vernetzungsangebot unterstützt. Als Ansprechpartner für definitorische und konzeptuelle Fragen zur Spezifikation sowie für Fragen der kerndatensatzkonformen Datenabfrage steht er seit Februar 2017 allen Nutzer*innen des Kerndatensatz Forschung zur Verfügung. Neben seiner Beratungstätigkeit betreibt der Helpdesk die offizielle Webseite des Kerndatensatz Forschung, welche neben der versionierten Darstellung der Spezifikation und des Datenmodells auch Informationen und Dokumente über den Kerndatensatz Forschung und seinen Erarbeitungsprozess sowie über Aufgaben und Tätigkeiten des Helpdesks bereitstellt [8]. Die Webseite stellt einen wichtigen Anlaufpunkt für die Beratung zum Kerndatensatz Forschung dar: Nutzer*innen finden hier Informationen für die Kontaktaufnahme zum Helpdesk und können die Anfragemaske auf der Webseite nutzen, um ihre Anfragen an den Helpdesk zu stellen. Des Weiteren stellt der Helpdesk hier eine Informationsbasis bereits beantworteter Anfragen zur Verfügung.

Neben dem Helpdesk als bundesweitem Ansprechpartner für definitorische Fragen zum Kerndatensatz Forschung existieren mit der Landesinitiative CRIS.NRW in Nordrhein-Westfalen sowie dem HeFIS-Verbund in Hessen komplementäre Unterstützungsprojekte für die koordinierte Einführung des Kerndatensatz Forschung sowie von Forschungsinformationssystemen auf Länderebene. Im Rahmen seiner Informations- und Vernetzungsaktivitäten kooperiert der Helpdesk mit diesen Initiativen und organisiert themenbezogene, zielgruppenspezifische Veranstaltungen und Workshops. Vergangene Veranstaltungen adressierten die Anwendung des Kerndatensatz Forschung für spezifische Berichtsanforderungen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Ein kommender Workshop wird sich vertiefend mit dem Datenmodell des Kerndatensatz Forschung beschäftigen. Darüber hinaus sind Formate für weitere Zielgruppen, unter ihnen auch Vertreter*innen von Bibliotheken, angedacht.

Das im Laufe der Beratungstätigkeit sowie im Austausch mit Akteuren des Wissenschaftssystems gewonnene Prozesswissen wird vom Helpdesk dokumentiert und aufbereitet und fließt als Diskussionsgrundlage in den Weiterentwicklungsprozess des Kerndatensatz Forschung ein. Eine Anpassung der Spezifikation wird vermutlich alle fünf Jahre erforderlich sein [2].


Umsetzung des Kerndatensatz Forschung

Als freiwilliges Format für die harmonisierte Vorhaltung und Weitergabe von definierten Forschungsinformationen legt der Kerndatensatz Forschung perspektivisch die Grundlage für eine verbesserte Auskunftsfähigkeit über die Forschungsaktivitäten der implementierenden Einrichtung. Die Anwendungsmöglichkeiten eines solchen Datenbestandes sind vielfältig und umfassen neben der externen Berichtslegung unter anderem einrichtungsinterne Dokumentations- und Qualitätssicherungsprozesse, die Außendarstellung und potentielle Vernetzung der Einrichtung und ihrer Wissenschaftler*innen sowie Vergleiche zwischen Forschungseinrichtungen [3].

Nutzen und Mehrwert eines solchen Standards hängen in hohem Maße von seiner Umsetzung an den Einrichtungen ab. Wenngleich der Kerndatensatz Forschung ganz überwiegend Informationen standardisiert, die bereits an den Forschungseinrichtungen erfasst und für die Berichtslegung verwendet werden, so ist seine Implementation je nach institutionellem Ist-Zustand hinsichtlich bestehender Erfassungspraktiken, etablierter Berichtsprozesse und der Ausgestaltung technischer Systeme initial durchaus mit zusätzlichem Ressourcenaufwand verbunden. Um die Ziele der administrativen Aufwandsminimierung sowie der verbesserten Qualitätssicherung bestmöglich zu erreichen und die angestrebte Verknüpfung und flexible Nutzbarmachung der Forschungsinformationen zu realisieren, können organisationale, prozessuale und technische Anpassungen an den Einrichtungen notwendig sein. Die Einführung des Kerndatensatz Forschung wird dabei häufig mit der Implementation eines Forschungsinformationssystems zusammengedacht: Eine Überprüfung und Anpassung bestehender technischer Systeme und Erfassungsprozesse für die Abbildbarkeit des Standards bereitet häufig auch die Einführung eines Forschungsinformationssystems vor – und umgekehrt [9].

Effizienzgewinne in der Berichtslegung an externe Nachfrager setzen hingegen Umstellungen bei den datennachfragenden Institutionen voraus. Einzelne Akteure, darunter der Wissenschaftsrat, haben sich bereits auf eine kerndatensatzkonforme Anpassung ihrer Datenabfragen verpflichtet [2], [10]. Im Rahmen der Antragstellung für die Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“ des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Wissenschaftsrat durchgeführten Programms Exzellenzstrategie erfolgt die Datenlieferung bereits gemäß Kerndatensatz Forschung. In Nordrhein-Westfalen erfolgt die Evaluation der Universitätsklinken ebenfalls bereits auf dieser Basis. Auch abseits konkreter Berichtsanlässe findet der Kerndatensatz Forschung Eingang in bestehende Informationsinfrastrukturen, etwa in das GERiT-Portal der DFG [11].


Die Rolle der Bibliothek

Die Forschungsinformationslandschaft an deutschen Forschungseinrichtungen unterliegt einer Dynamik, die über die Einführung des Kerndatensatz Forschung hinausgeht, aber mit diesem verknüpft ist: Die Vorhaltung qualitätsgesicherter, vielseitig verwendbarer Informationen gewinnt, nicht nur für Berichtszwecke, an Bedeutung. Mit der Einführung bzw. Verbesserung von Forschungsinformationssystemen unterschiedlicher Provenienz wird derzeit vielerorts die technische Grundlage geschaffen, um Datenbeständen an den Einrichtungen stärker zu verknüpfen und Erhebungs- und Verarbeitungsaufwände zu minimieren. Als Bereitsteller von Informationen über den gesamten Forschungsprozess ist die Bibliothek hierbei ein wichtiger Akteur in einer Vielzahl von Anwendungskontexten. Neben der Unterstützung interner Prozesse und der Forschungsberichterstattung werden Informationen über Wissenschaftler*innen und ihre Forschungsleistungen zunehmend für die Forschungsevaluation und die Außendarstellung der Einrichtung herangezogen [9], [12]. Wie Einbock und Hauschke darüber hinaus darlegen, dienen bereits vorhandene Forschungsinformationssysteme vorrangig der Unterstützung des Bibliothekswesens [12]. Funktionierende Forschungsinformationssysteme liegen somit im ureigenen Interesse von Bibliotheken, zum einen für die Qualitätssicherung ihrer Datenbestände, zum anderen aufgrund der Mehrwerte für ihre Beratung und weiteren Dienstleistungen, die durch die Verknüpfung und Integration von Datenbeständen gewonnen werden können [13]. Diese Mehrwerte erstrecken sich nicht zuletzt auf die neuen und/oder sich entwickelnden Aufgabenbereiche von Bibliotheken, darunter die Förderung von Open Access, die Bibliometrie-Beratung und das Forschungsdatenmanagement.

Die zentrale Rolle der Bibliotheken in der Forschungsberichterstattung spiegelt sich in der Struktur des Kerndatensatz Forschung wider, dessen Publikationsbereich hinsichtlich der Verknüpfungen mit anderen Bereichen der umfangreichste der Spezifikation ist. Gleichzeitig ist der Kerndatensatz Forschung als voraussichtlicher de facto Standard für die Vorhaltung und Weitergabe von Forschungsinformationen für Bibliotheken von Relevanz, welche seine Datenbasis für die Bereitstellung qualitätsgesicherter und vergleichbarer Informationen im Rahmen ihrer Dienstleistungen nutzbar machen können [14].

Die Entwicklungen in der Verknüpfung, Standardisierung und Verwendung von Forschungsinformationen erfordern die Zusammenarbeit und Koordination von unterschiedlichen organisationalen Einheiten und konfigurieren die Verhältnisse zwischen ihnen zu einem gewissen Grad neu. Wissenschaftliche und Fachbibliotheken sind dabei bereits gut aufgestellt, um diese Entwicklungen gestaltend zu begleiten: Neben ihrem großen Erfahrungswissen in der Bereitstellung, Organisation und Verarbeitung von Publikationen und ihren Metadaten verfügen sie über Expertise im Umgang mit Klassifikationen, Standards und technischen Schnittstellen. Auch im Hinblick auf die Einführung und das Management von Identifikatoren wie DOI oder ORCID nehmen Sie eine zentrale Funktion ein; hier bestehen mitunter bereits Informations- und Unterstützungsangebote. Auf Basis ihrer Erfahrungen im Vorhalten, Verknüpfen und Anreichern von Datenbeständen, etwa in Bibliographien und Repositorien, können sie sowohl Administration als auch Wissenschaftler*innen für Themen der Datenqualität sensibilisieren. Darüber hinaus sind sie in das Feld der Wissenschafts- und Fachverlage eingebunden, in welchem sich auch Anbieter von Forschungsinformationssystemen bewegen. Somit können sie neben bestehenden Kontakten oder Lizenzverträgen womöglich Entwicklungen und Trends im Forschungsinformationsmanagement aufgreifen und in institutionelle Gestaltungsprozesse einbringen.

Erfahrungsberichte aus anderen Ländern veranschaulichen die Bedeutung einer engen Verschränkung von Forschungsinformationssystemen und institutionellen Repositorien für das institutionelle Forschungsinformationsmanagement und stellen die wichtige Rolle der Bibliotheken, u.a. bei der Bereitstellung und Integration von Outputdaten, dem Forschungsdatenmanagement und der Open-Access-Verwaltung, heraus [15], [16], [17]. Auch in Deutschland erweitert sich das Tätigkeitsspektrum von Bibliotheken durch die Einführung von Forschungsinformationssystemen und den Bedeutungsgewinn von Open-Science-Maßnahmen [18]. Die Expertise der Bibliotheken ist dabei für die Ausgestaltung der lokalen technischen Systeme sowie eine bedarfsadäquate Weiterentwicklung bestehender Standardisierungsinstrumente von großer Bedeutung. Erste empirische Befunde legen nahe, dass der Kerndatensatz Forschung bisher nur wenigen Bibliotheksvertreter*innen näher bekannt ist ([19]; eine Kurzabfrage im Rahmen der ABMG-Jahrestagung 2018 verdeutlicht Ähnliches, s. Abbildung 3 [Abb. 3]). Eine Auseinandersetzung mit den Inhalten des Kerndatensatz Forschung und seiner Umsetzung könnte ein sinnvoller Schwerpunkt im Themenportfolio der Bibliotheken in der entstehenden Forschungsinformationslandschaft sein.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Der Autor ist Mitarbeiter im Helpdesk für die Einführung des Kerndatensatz Forschung.


Literatur

1.
Wissenschaftsrat. Empfehlungen zu einem Kerndatensatz Forschung. Drs. 2855-13. Berlin: 25.01.2013 [letzter Zugriff: 11.11.2018]. Verfügbar unter: https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/2855-13.pdf External link
2.
Wissenschaftsrat. Empfehlungen zur Spezifikation des Kerndatensatz Forschung. Drs. 5066. Berlin; 22.02.2016 [letzter Zugriff: 11.11.2018]. Verfügbar unter: https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5066-16.pdf External link
3.
Biesenbender S. Der Kerndatensatz Forschung als Instrument zur Kommunikation und Governance von Forschung. In: Fuhrmann M, Güdler J, Kohler J, Pohlenz P, Schmidt U, Hrsg. Handbuch Qualität in Studium, Lehre und Forschung. Berlin: DUZ Verlags- und Medienhaus; 2018. S. 37-50.
4.
Biesenbender S, Hornbostel S. The Research Core Dataset for the German science system: challenges, processes and principles of a contested standardization project. Scientometrics. 2016;106(2):837-47. DOI: 10.1007/s11192-015-1816-y External link
5.
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6.
Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ); Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT); Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates. Spezifikation des Kerndatensatz Forschung. Version 1.0. 2015 [letzter Zugriff: 11.11.2018]. Verfügbar unter: http://www.kerndatensatz-forschung.de/version1/Spezifikation_KDSF_v1.pdf External link
7.
Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ), Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT), Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates. Projekt „Spezifikation Kerndatensatz Forschung“. Dokumentation der Ergebnisse. 13. Oktober 2015 [letzter Zugriff: 11.11.2018]. Verfügbar unter: http://www.kerndatensatz-forschung.de/version1/Ergebnisbericht_Projekt_KDSF.pdf External link
8.
Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW). Kerndatensatz Forschung. [letzter Zugriff: 11.11.2018]. Verfügbar unter: https://www.kerndatensatz-forschung.de External link
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