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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Optimierung des Lehrbuchbestandes durch detaillierte Nutzungsstatistiken

Optimization of textbook holdings using detailed usage statistics

Fachbeitrag Leuchtturmprojekte

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  • corresponding author Helge Knüttel - Universitätsbibliothek Regensburg, Teilbibliothek Medizin, Regensburg, Deutschland
  • author Gernot Deinzer - Universitätsbibliothek Regensburg, Teilbibliotheken Mathematik und Physik, Regensburg, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2013;13(3):Doc21

doi: 10.3205/mbi000285, urn:nbn:de:0183-mbi0002856

Published: December 20, 2013

© 2013 Knüttel et al.
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Zusammenfassung

Wir berichten hier, wie es der Teilbibliothek Medizin der Universitätsbibliothek Regensburg mit Hilfe von automatisch gewonnenen, detaillierten Nutzungsstatistiken und einer bequemen, webbasierten Oberfläche für den Fachreferenten gelang, den Lehrbuchbestand angesichts limitierter Finanzmittel zu optimieren. Dieses System wurde sukzessive auch an anderen Teilbibliotheken der Universitätsbibliothek Regensburg erfolgreich eingesetzt. Begleitend zu dieser Publikation wird der Quelltext des Systems unter einer Open-Source-Lizenz verfügbar gemacht. Dies ist das erste, uns bekannte System, dass aus dem integrierten Bibliothekssystem Statusangaben der Ausleihe in Zeitreihen sammelt, zu Kennzahlen für die Benutzung aufbereitet und zur mühelosen Nutzung bereitstellt.

Schlüsselwörter: Lehrbücher, Nutzungsstatistik

Abstract

We report how the Medical Branch Library of University Library of Regensburg achieved to optimize its textbook holdings by using automatically harvested detailed usage statistics with an easy-to-use web-based interface. Subsequently, this system was successfully adopted by other branch libraries. Accompanying this paper the software is made available under an open source license. This is the first system known to us that extracts time series of usage status data from an integrated library system and makes these data available for effortless access in a comprehensive manner.

Keywords: textbooks, usage statistics


Einleitung: Wie viele Staffelexemplare?

Lehrbücher gehören an Universitätsbibliotheken zu der am intensivsten genutzten Literatur. Sie sind für die Studierenden zahlreicher Disziplinen, insbesondere auch der Medizin und der Zahnmedizin, oft über Jahre hinweg die einzigen genutzten Bibliotheksmedien überhaupt. Die Verfügbarkeit von Lehrbüchern hat einen unmittelbaren und starken Einfluss auf die Lernmöglichkeiten von Studierenden und somit auf die Studienbedingungen.

Um dem Bedarf an Lehrbüchern nachzukommen werden an Universitätsbibliotheken – zusätzlich zu Präsenzexemplaren – üblicherweise zahlreiche Staffelexemplare beschafft und in eigenen Lehrbuchsammlungen zur Ausleihe durch die Studierenden angeboten. Die Wahl der richtigen Staffelung für die einzelnen Titel stellt eine besondere Herausforderung dar. Zu wenige Staffelexemplare, die den Bedarf der Studierenden nicht decken können, schränken den Nutzen der Bibliothek für die Benutzer deutlich ein. Zu viele Staffelexemplare bleiben ungenutzt. Sie belegen nicht nur unnötig Platz sondern ihre Beschaffung hat vor allem Mittel gebunden, die für dringender benötigte Exemplare fehlen.

Wir berichten hier, wie es der Teilbibliothek Medizin der Universitätsbibliothek Regensburg mit Hilfe von selbst gewonnenen, detaillierten und ausführlich analysierten Nutzungsstatistiken und einer bequemen, webbasierten Oberfläche für den Fachreferenten gelang, den Lehrbuchbestand angesichts limitierter Finanzmittel zu optimieren. Dieses System wurde sukzessive auch an anderen Teilbibliotheken der Universitätsbibliothek Regensburg erfolgreich eingesetzt. Begleitend zu dieser Publikation wird der Quelltext des Systems unter einer Open-Source-Lizenz verfügbar gemacht. Dies ist das erste, uns bekannte System, dass aus dem integrierten Bibliothekssystem Statusangaben der Ausleihe in Zeitreihen sammelt, zu Kennzahlen für die Benutzung aufbereitet und zur mühelosen Nutzung bereitstellt.


Lösungssuche

E-Books sind keine Lösung

Lehrbücher in elektronischer Form könnten eine Lösung für das Problem der richtigen Staffelung sein. Bei ihnen entfällt bei vielen Geschäftsmodellen die Bindung an physische Exemplare, so dass sie prinzipiell in quasi unbegrenzter Staffelung zur Verfügung stehen könnten. Allerdings, fehlten der Teilbibliothek (TB) Medizin der Universitätsbibliothek (UB) Regensburg bislang immer die Mittel, um dauerhaft und in der benötigten Titelzahl Lehrbücher in E-Book-Form bereitzustellen. Insbesondere die sehr teuren Abonnementmodelle der beiden für Medizin-Lehrbücher wichtigsten Verlage Elsevier und Thieme waren prohibitiv. E-Books wären hier nur aus sporadisch und in wechselnder Höhe vorhandenen Studienbeiträgen zu finanzieren gewesen. Bei einem Aussetzen des Abonnements aus finanziellen Gründen wären alle teuer bezahlten Inhalte verloren gegangen. Deshalb legte die TB Medizin den Fokus bei den Lehrbüchern in Abstimmung mit den Studierenden bisher immer wieder auf Printexemplare.

Studienbeiträge: Mehr Geld, aber wie ausgeben?

Im Jahre 2007 standen der Teilbibliothek Medizin mit den in Bayern neu eingeführten Studienbeiträgen erstmalig Mittel für die Anschaffung größerer Staffelzahlen von Lehrbüchern zur Verfügung. Der Fachreferent benötigte Entscheidungshilfen für den Lehrbuchkauf. Empfehlungen für die Staffelzahlen von Lehrbüchern von Studierenden und Lehrenden erwiesen sich wiederholt als unzuverlässiger Indikator für die tatsächliche Nutzung. Dozenten und Studierende haben zudem offenbar oft unterschiedliche Präferenzen bei Lehrbüchern: von Dozenten empfohlene Titel weisen gegenüber anderen Titeln des Fachgebiets eine vergleichsweise geringe Nutzung auf.

Das integrierte Bibliothekssystem hilft nicht

Die UB Regensburg setzt als integriertes Bibliothekssystem SISIS/OCLC SunRise ein. Dieses bietet nur marginale Möglichkeiten, die Nutzung von Exemplaren zu beurteilen. Der Zugang zu den Nutzungszahlen über die vom Hersteller zur Verfügung gestellten Java-basierten Client-Programme ist sehr mühsam und unübersichtlich. Nicht einmal Copy-and-Paste ist möglich. Es bestehen keine standardisierten Schnittstellen zu gängiger Software zur Nachnutzung und Auswertung der Daten. Der Vergleich verschiedener Titel ist somit nicht möglich.

Um die Beschränkungen der SISIS-Software zu umgehen, wurden den Fachreferenten von den Systemverwaltern des Bibliothekssystems nach Bedarf Excel-Dateien mit Benutzungsdaten zur Verfügung gestellt. Diese wurden durch einen direkten Zugriff auf die Tabelle mit den Exemplardaten in der Sybase-Datenbank des SunRise-Lokalsystems extrahiert. Bei der proprietären Closed-Source-Software benötigte dies Reverse-Engineering. Auch diese Excel-Listen waren nur von begrenztem Nutzen, denn SunRise erfasst nur spärliche Nutzungsdaten: Die Anzahl von Vormerkungen für ein Exemplar insgesamt sowie im aktuellen Jahr und die Anzahl der Ausleihen insgesamt, im aktuellen und im vorangegangenen Jahr sind schon über den Erwerbungs-Client zugänglich, die Ausleihen im Vorvorjahr erst beim Datenbankdirektzugriff. Das Bibliothekssystem ist auf die Erledigung kleinteiliger Geschäftsprozesse ausgelegt, nicht für Managementfunktionen und Übersichten.

Die Anzahl der Vormerkungen für Lehrbücher erwies sich als wenig hilfreiches Entscheidungskriterium, da die Zahlen allgemein eher gering waren, somit zu wenig Variabilität für quantitative Aussagen besaßen und sie zudem noch unzuverlässig waren. Zudem gibt es neben den für die einzelnen Exemplare gezählten, leicht zugänglichen Vormerkungen in SunRise auch noch sog. teilqualifizierte Vormerkungen, die für einen ganzen Titel gelten und nicht leicht auszuwerten sind. Ein nachvollziehbares Verhalten bei Benutzern sind auch Vormerkungen auf mehrere bis alle Exemplare eines Titels, um nur ja das nächste verfügbare zu erhalten. Das erhöht die Unzuverlässigkeit der Messgröße Vormerkungen.

Die Anzahl der gesamten Ausleihen eines Exemplars, sowie jahresweise aufgeschlüsselt für das aktuelle und die vergangenen zwei Jahre, war damit das beste, nutzungsbasierte Kriterium für die Beschaffung von Lehrbüchern. Auch dieses hatte jedoch deutliche Einschränkungen, denn die über das Jahr summierten Ausleihen verraten nichts über eine saisonale Nutzung und entsprechende Engpässe. An der Fakultät Medizin der Universität Regensburg ist die Ausbildung im Klinischen Abschnitt stark in Blöcken gegliedert, so dass die Nachfrage nach Lehrbüchern entsprechend der gerade laufenden Lehrveranstaltungen starken Schwankungen unterworfen ist. Während eines nur eine bis wenige Wochen dauernden Kurses kann der Bedarf sehr groß und während des restlichen Jahres eher gering sein.

Die Idee: Kennzahlen selber sammeln – aber ohne Mühe!

So kam die Idee, die Kennzahlen für die Nutzung, die SunRise nicht liefern konnte, einfach selbst zu sammeln. SunRise erfasst bei der Ausleihverbuchung den Ausleihstatus jedes Exemplars, protokolliert dauerhaft für Statistikzwecke aber nur einen Ausleihzähler ohne zeitliche Information. Deshalb entwickelte der Erstautor eine MySQL-basierte Statistikdatenbank, in der jede Nacht der Ausleihstatus aller Lehrbücher erfasst wird. Diese Datenbank ist dabei nicht von der Infrastruktur des Bibliothekssystems abhängig und wurde auf einem Bibliotheksserver der UB Regensburg erstellt. Zum Füllen der Datenbank fragt ein Skript die Datenbank des SunRise-Lokalsystems ab und schreibt die Werte in die Statistikdatenbank. Die Datenerhebung ist vollkommen automatisiert und bedarf keines nennenswerten Wartungsaufwandes. Eine webbasierte Oberfläche bietet bequemen und übersichtlichen Zugang zu den tagesgenauen Nutzungszahlen auch in aufbereiteter Form.

Der Ansatz, Nutzungs- und Bestandsdaten aus dem Lokalsystem separat in einer eigenen Datenbank zu protokollieren erwies sich als außerordentlich wertvoll und wurde über die Jahre sukzessive ergänzt und verfeinert. Ein weiterer Ausbau findet statt. Als schwierig erwies sich immer wieder, dass man sich den Zugang zu den Daten des Closed-Source-Systems SunRise durch Reverse Engineering erarbeiten muss. Während etwa auch die UB Heidelberg einen bequemen Zugang zu den bei SISIS SunRise verfügbaren Nutzungsdaten für Erwerbungsentscheidungen bietet (http://epub.ub.uni-muenchen.de/11150/), ist uns diese Art von separatem Statistiksystem mit eigens gesammelten Daten von anderer Stelle noch nicht bekannt.


Ergebnis

Die schöne neue Welt des Lehrbuchkaufs

Die Nutzung dieser Statistiken hat die Erwerbungsentscheidung von Lehrbüchern für den Fachreferenten komplett verändert. Man kann nach der Signatur eines Lehrbuchs suchen und erhält eine Webseite mit detaillierten Kennzahlen der Nutzung aller Exemplare dieses Titels in den Lehrbuchsammlungen in übersichtlich aufbereiteter Form. Am hilfreichsten empfinden wir die Grafik mit dem Nutzungsverlauf und die Angabe, wie oft der Titel in der Lehrbuchsammlung vergriffen ist (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Den Zugang zu der Detailseite eines Titels wird durch ein Suchplugin (https://developer.mozilla.org/en/docs/Creating_OpenSearch_plugins_for_Firefox) für den Firefox-Webbrowser erleichtert: Bei dem im OPAC recherchierten Titel wird mit der Maus die Signatur markiert und im Kontextmenü nach Rechtsklick sofort die Nutzungsstatistik aufgerufen (Abbildung 2 [Abb. 2]). So ist die Entscheidung über die Anzahl der Staffelexemplare einer Neuauflage oder über ein Aufstocken auf einer empirischen Grundlage oft in Sekunden getroffen.

Sehr praktisch ist auch die vom Zweitautor beigesteuerte Listenübersicht über die Nutzung der Titel eines (fachlichen) Bestandssegements (Abbildung 3 [Abb. 3]). Hier lassen sich sehr schnell gezielt nur gering oder überproportional stark genutzte Titel herausfinden um diese dann in der Detailseite genauer zu untersuchen. Aufgrund der systematischen Aufstellung der Lehrbücher nach der Regensburger Verbundklassifikation lässt sich auch die Nutzung der Titel eines Fach- oder Teilgebietes sowie der Fachgebiete untereinander leicht beurteilen.

Flankierende Maßnahmen

Durch Mittel aus den Studienbeiträgen konnte die TB Medizin in den letzten Jahren die Lehrbuchsammlung deutlich ausbauen. Die Mittel konnten mit Hilfe der Nutzungsstatistiken sehr zielgerichtet in Anpassung an den gemessenen Bedarf ausgegeben werden. Die zusätzlich möglichen Erwerbungen wurden durch weitere Maßnahmen flankiert. Es wurden mehr ausleihbare Lehrbücher in den Lesesaal Medizin im Klinikum, statt in die zentrale Lehrbuchsammlung auf dem Campus gestellt. Damit sind sie örtlich näher an den Studenten im Klinischen Abschnitt und während deutlich besserer Öffnungszeiten zugänglich. Weiterhin ist, anders als in der zentralen Lehrbuchsammlung, nicht nur die Ausleihe möglich, sondern die Lehrbücher sind auch für die Vor-Ort-Nutzung im Lesesaal nutzbar, so dass maximale Flexibilität für die Benutzung gegeben ist.


Fazit

Voller Erfolg!

Durch die detaillierten, bequem zugänglichen Nutzungsstatistiken der Lehrbücher hat sich die Versorgung mit Lehrbüchern für die Studierenden deutlich verbessert, was auch enthusiastische Rückmeldungen immer wieder zeigten. Mit dem Ausbau der Lehrbuchsammlung hat nicht nur die absolute Anzahl der Ausleihen zugenommen, sondern auch die Ausleihrate hat zugenommen. Die Kaufentscheidungen haben sich also zugunsten der Nutzer verbessert, Es wurde also das richtige gekauft. Den Schlüssel dazu sehen wir in den Lehrbuchstatistiken. Kaufentscheidungen können nun auch quantitativ gegenüber den Nutzern begründet werden.

Es ist weiterhin nicht möglich, jedes Lehrbuch jedem Studierenden jederzeit zur Verfügung zu stellen, aber eine Optimierung des Bestandsprofils mit den gegebenen Mitteln wurde erreicht. Die vorhandenen, limitierten Mittel wurden aus Sicht des Fachreferenten optimal eingesetzt. Ein netter Nebeneffekt: Lehrbuchkauf macht inzwischen einfach Spaß, man sieht direkt den Erfolg.

Das Projekt hatte Leuchtturmcharakter, denn was als Versuch in der Teilbibliothek Medizin begann, wurde sukzessive auf die anderen Fachbereiche der UB Regensburg ausgeweitet. Eine Kollegin: „Man weiß gar nicht mehr wie man ohne kann!“

Ungelöstes

Bei aller Freude über die Möglichkeiten der Nutzungsstatistiken gibt es doch Aspekte, die damit nicht gelöst werden. Beim Erstkauf eines Titels stehen naturgemäß noch keine Nutzungsdaten als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung, sondern sie sammeln sich erst mit der Zeit an. Hier kann man sich allerdings (und zwar vergleichsweise zügig) an die benötigte Staffeltiefe eines Titels herantasten, da jederzeit nachvollzogen werden kann, ob, wann und wie lange ein Titel in der Lehrbuchsammlung vergriffen ist. Beim Kauf von Neuauflagen kann man sich an der Vorauflage orientieren, was eine der wertvollsten Möglichkeiten ist.

Mit Hilfe der Nutzungsstatistiken kann die Nutzung der einzelnen Titel optimiert werden. Nicht geklärt werden kann mit den Statistiken jedoch, ob von den angebotenen Lehrbüchern eines Fachgebiets eigentlich nur ein oder wenige Titel präferiert werden und die anderen nur deshalb gut ausgeliehen werden, weil der eigentlich bevorzugte Titel in der Lehrbuchsammlung bereits vergriffen ist. Hier müssen die Präferenzen ergänzend anderweitig erforscht werden, etwa durch Benutzerbefragungen.

Ausblick

Nach dem erstmaligen Gedanken, den Ausleihstatus von Lehrbüchern in einem eigenen System zu protokollieren, und dessen folgender Umsetzung, entwickelte sich der Ansatz weiter. Mit den erweiterten Möglichkeiten und zunehmender Erkenntnis kamen neue Wünsche. Dieser Prozess dauert an. So gibt es weitere Aspekte der Lehrbuchnutzung, die inzwischen zwar protokolliert werden, es aber bislang noch nicht in die grafische Oberfläche geschafft haben: Die Ausleihen aufgeschlüsselt nach der Benutzergruppe (Studierende, Mitarbeiter, Externe) und nach der Fakultät des Entleihers. Bei bestimmten Fachgebieten oder fachübergreifenden Titeln kann mit diesen Angaben die Versorgung einzelner Standorte verbessert werden oder ein anderer Fachreferent mit noch verfügbaren Mitteln zum Nachkauf angeregt werden.

Der Fokus dieses Artikels liegt auf der Wahl der optimalen Staffeltiefe, was vorrangig bei Lehrbüchern von Bedeutung ist, aber ebenfalls bei anderen Ressourcen mit Mehrfachexemplaren, wie Schließfächern, USB-Sticks oder Arbeitskabinen.

Natürlich können auch andere Kennzahlen (nicht nur) für die Nutzung aus dem Lokalsystem in einem separaten Statistiksystem protokolliert und in einem Managementwerkzeug zugänglich werden. Damit können einfache Zähler wie die Anzahl jährlicher Ausleihen länger verfügbar bleiben als das bei SISIS SunRise der Fall ist. Zeitreihen von Werten können für eine nachgelagerte Auswertung erfasst werden. Auch summarische oder anderweitig aggregierte Angaben etwa für ganze Bestandssegmente (Bsp.: tägliche Ausleihrate eines Lesessals oder Fachgebietes im Magazins) können damit erstmalig überhaupt verfügbar und protokollierbar werden. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist groß, setzt aber Interesse an der Nutzung und eine entsprechende Kenntnis des Lokalsystems voraus.

Ein Plädoyer für offene Bibliothekssysteme

Dieser Ansatz der separaten, automatisierten Sammlung von Kennzahlen aus dem integrierten Bibliothekssystem ist nicht nur für das an der UB Regensburg eingesetzte SISIS SunRise gültig, sondern sollte analog auch für integrierte Bibliothekssysteme anderer Hersteller möglich sein.

Wir gehen davon aus, dass bei den komplexen, integrierten Bibliothekssystemen zum Zeitpunkt der Beschaffung nicht alle möglichen und später gewünschten Einsatzszenarien bekannt sind oder sein können. Die Erkenntnisse und Anforderungen wandeln sich schneller als die Software. Es werden also schon aus prinzipiellen Erwägungen immer Funktionalitäten fehlen. Erschwert wird dieser Umstand durch das Ausschreibungsrecht, dem öffentliche Auftraggeber unterliegen. Bibliotheken können erfahrungsgemäß nicht die Ressourcen für eine Modellierung und technische Beschreibung der benötigten, hochkomplexen Softwaresysteme aufbringen, wie sie für eine vollständige Funktionsbeschreibung notwendig ist. Ein entsprechender Prozess dauert bei großen Softwarehäusern bei intensivem Einsatz hochqualifizierten Personals oft Jahre. Eine Ausschreibung wird jedoch meist durch den Quotienten aus Preis und Erfüllungsrate der Anforderungen entschieden. Entsprechend ist dann oft die Ernüchterung bei Bibliotheken nach dem Kauf. Dies wird auch für zukünftige, cloud-basierte Systeme gelten.

Die Erfahrung zeigt, dass die Nachrüstung mit benötigten Funktionen bei kommerziellen Closed-Source-Systemen im Spanungsfeld von Firmen- und Kundeninteressen oft nicht oder nicht zufriedenstellend möglich ist. Deshalb sollten Bibliothekssysteme offene, dokumentierte Systeme sein, im besten Falle Open-Source-Systeme (die ja durchaus gewinnbringend kommerziell entwickelt werden können), damit die Nachrüstung oder die Erweiterung jederzeit durchführbar ist. Hier können die Bibliotheken ihre Stärken des kooperativen Ansatzes ausspielen und die Entwicklung gemeinsam vorantreiben.

Die hier vorgestellten Statistikfunktionalitäten sind eine angeflanschte Erweiterung des SISIS- SunRise-Lokalsystems. Eigentlich stehen sie aber ganz daneben. Als proprietäres Closed-Source-System ist ein anderweitiger Zugriff als über die abgeschlossenen Client-Programme nicht vorgesehen. Eine Dokumentation dazu war für uns nicht verfügbar. Der Zugriff auf die Datenbank erforderte mühsames Reverse Engineering: Welche der hunderte von Tabellen hält wo welche Daten und was ist deren Bedeutung? Die bibliographischen Titeldaten (Katalogdatensätze) unser eigenen Bestände bleiben sogar nach dem Zugriff auf die Datenbank unzugänglich. Sie sind in einem unbekannten, undokumentierten Binärformat gespeichert.

Der geschlossene Ansatz solcher Systeme wirkt auch auf das Arbeitsklima und die Kommunikation der beteiligten Bibliotheksmitarbeiter. Dies ist nach unserem Eindruck ein Haupthemmnis für eine bessere Ausnutzung des Bibliothekssystems. Es besteht Unsicherheit darüber, welche Eingriffe vertraglich erlaubt sind, wie zuverlässig die mangels Dokumentation durch Reverse Engineering selbst gewonnenen Erkenntnisse sind und insbesondere was davon weitergegeben werden kann. Alles ist mir einem gewissen Geheimnis umgeben, der den Austausch mit Kollegen vor allem von außerhalb der eigenen Institution stark behindert. Als Folge herrscht der Eindruck vor, mehr als von der Firma vorgegeben ist nicht möglich und so bleiben nach und nach auch die Wünsche danach aus. Erst im Sommer 2013, nach sechs Jahren Einsatz unseres Systems, erfuhren wir zufällig und von ganz anderer Seite, dass die Firma OCLC/SISIS für Ihre Kunden eine per Software ansprechbare Schnittstelle zu SunRise zur Verfügung stellt. Dies war nicht einmal unseren lokalen Systembetreuern bekannt. Diese Schnittstelle scheint nicht einfach zu benutzen zu sein. Ob sie für unsere Zwecke geeignet ist können wir derzeit nicht beurteilen.

Begleitend zu diesem Artikel stellen wir unsere Software unter einer Open-Source-Lizenz für die einfache Nachnutzung und Weiterentwicklung zur Verfügung (http://epub.uni-regensburg.de/29001/). Auch Nutzer anderer Lokalsysteme als SISIS SunRise könnte dies den Weg erleichtern, wenn der Zugriff zu den Nutzungsdaten im integrierten Lokalsystem gefunden ist.


Anmerkung

Danksagung

Der Erstautor dankt Lisa Freitag und Marianne Groß, unseren lokalen Systembetreuern, für ihre Bereitschaft, ihr Wissen über die Innereien von SISIS SunRise zu teilen.

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.