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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Neuregelungen zum Sponsoring bei ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen und medizinisch-wissenschaftlichen Kongressen

Mitteilung

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GMS Mitt AWMF 2013;10:Doc4

doi: 10.3205/awmf000277, urn:nbn:de:0183-awmf0002770

Received: March 15, 2013
Published: March 18, 2013

© 2013 Wienke.
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Zusammenfassung

Mit der Novellierung der (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO) durch die Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages in Kiel im Mai 2011 sind auch die Voraussetzungen des Sponsoring für ärztliche Fortbildungsveranstaltungen und medizinisch-wissenschaftliche Fachtagungen – nahezu unbemerkt – geändert worden. Erst mit der Umsetzung dieser Beschlüsse in die rechtlich maßgeblichen Berufsordnungen der Landesärztekammern werden die Neuregelungen zum Sponsoring mehr und mehr scharf geschaltet. Dies hat für die Veranstalter ärztlicher Fortbildungstagungen und insbesondere auch für die Durchführung medizinisch-wissenschaftlicher Jahresversammlungen nicht unerhebliche Auswirkungen.


Text

Die Neuregelungen werden daher im Nachfolgenden kurz dargestellt:

1)

In der medizinischen Wissenschaft und in der ärztlichen Praxis ist die Zahl der angebotenen medizinischen Fortbildungsveranstaltungen und wissenschaftlichen Kongresse vergleichsweise groß. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass pharmazeutische Unternehmen und Hersteller von Heil- und Hilfsmitteln viele solcher Veranstaltungen finanziell unterstützen (Sponsoring). Die bisher hierzu bestehende berufsrechtliche Vorschrift in § 35 der alten MBO hatte folgenden Wortlaut:

„Werden Art, Inhalt und Präsentation von Fortbildungsveranstaltungen allein von einem ärztlichen Veranstalter bestimmt, so ist die Annahme von Beiträgen Dritter (Sponsoring) für Veranstaltungskosten in angemessenem Umfang erlaubt. Beziehungen zum Sponsor sind bei der Ankündigung und Durchführung offen darzulegen.

Diese berufsrechtliche Vorgabe erfasste alle ärztlich verantworteten Fortbildungsveranstaltungen, die in Krankenhäusern durchgeführt werden ebenso wie solche von medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, aber auch von Ärzten selbst und/oder den Ärztekammern veranstaltete oder mitveranstaltete Tagungen. Für Nichtmediziner ist es erstaunlich festzustellen, wie viele Fortbildungsveranstaltungen und Kongresse in den verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen angeboten werden, zumal bei vergleichsweise niedrigen Tagungsgebühren. Ohne eine finanzielle Unterstützung durch die Arzneimittelindustrie und die Heil- und Hilfsmittelhersteller wären diese Vielfalt und die zum Teil sogar kostenfreie Teilnahme an solchen Veranstaltungen nicht aufrechtzuerhalten.

In Folge der berufsrechtlichen Vorgaben in § 35 MBO und eines allseits akzeptierten Transparenzgebotes wurden die Beziehungen zu den jeweiligen Sponsoren in den Ankündigungen der Veranstaltungen und/oder in den Tagungsprogrammen werbewirksam dargestellt, in der Regel durch eine alphabethische Auflistung der fördernden Unternehmen, zum Teil auch bestimmten Edelmetallen (Gold- Silber-, Bronzesponsor, zuweilen auch Platinsponsor) zugeordnet.

Auch mit der Neuregelung, die nunmehr in § 32 Abs. 3 der MBO im Zusammenhang mit unerlaubten Zuwendungen wieder zu finden ist, bleibt zukünftig die Annahme von Beiträgen Dritter zur Durchführung von Veranstaltungen (Sponsoring) grundsätzlich zulässig. Die Vorschrift hat jetzt folgenden Wortlaut:

„Die Annahme von Beiträgen Dritter zur Durchführung von Veranstaltungen (Sponsoring) ist ausschließlich für die Finanzierung des wissenschaftlichen Programms ärztlicher Fortbildungsveranstaltungen und nur in angemessenem Umfang erlaubt. Das Sponsoring, dessen Bedingungen und Umfang sind bei der Ankündigung und Durchführung der Veranstaltung offen zu legen.

Mit der Neuregelung will man insbesondere den Verantwortungsbereich erweitern; die alte Regelung erfasste nämlich nur Veranstaltungen, bei denen Kammermitglieder die alleinige Verantwortung für Art, Inhalt und Präsentation der Fortbildungsveranstaltung trugen. Zudem soll mit der Neuregelung klargestellt werden, dass sich das Sponsoring auf das wissenschaftliche Programm zu beschränken hat; das Rahmenprogramm müssen die Teilnehmer komplett selber bezahlen.

Im Übrigen wird im Vergleich zur bisherigen Fassung schnell erkennbar, dass zukünftig nicht nur die Beziehungen zum Sponsor an sich offen zu legen sind; vielmehr müssen nun auch die „Bedingungen“ und der „Umfang“ des Sponsorings offen gelegt werden. Was darunter zu verstehen ist und ob sich diese Neuregelungen in der Praxis nachhaltig auswirken werden, verdeutlichen die nachstehenden Ausführungen.

2)

Infolge der Änderung der Musterberufsordnung ist auch der Kodex der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA) angepasst worden. Der Kodex wurde insbesondere dahingehend erweitert, dass zusätzlich zu der Tatsache, dass ein Mitgliedsunternehmen einen Kongress finanziell unterstützt, nun auch die Nennung von „Umfang und Bedingungen“ des Sponsoring durch den Veranstalter erfolgen sollte. Mit einem Rundschreiben macht die FSA im November 2012 die Veranstalter von wissenschaftlichen Kongressen darauf aufmerksam, dass hinsichtlich des „Umfangs“ des Sponsorings zukünftig der konkrete Betrag der Unterstützung, den das jeweilige Unternehmen für die Durchführung der Veranstaltung zur Verfügung stellt, veröffentlicht werden sollte. Ergänzend sollte unter den „Bedingungen“ als Mindestvoraussetzung ein Hinweis erfolgen, zu welchem Zweck die Zahlung gewährt wurde.

3)

Die von der FSA spezifizierten Anforderungen an eine erweiterte werbewirksame Veröffentlichung des Umfangs und der Bedingungen des Sponsorings schießen jedoch über das Ziel und den Zweck der berufsrechtlichen Neuregelungen hinaus:

a) Die Musterberufsordnung bzw. die von den Landesärztekammern umgesetzten berufsrechtlichen Neuregelungen zum Sponsoring verlangen nunmehr auch die Offenlegung der Bedingungen und des Umfangs des Sponsorings. Diese berufsrechtliche Verpflichtung richtet sich allerdings – wie bisher auch schon – ausschließlich an die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte unmittelbar, nicht aber an medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften oder Unternehmen, die Ärztekongresse organisatorisch vorbereiten und durchführen. Von den Ge- und Verboten der Ärztlichen Berufsordnungen sind also nur die kammerangehörigen Ärztinnen und Ärzte betroffen. Die intendierte Erweiterung des Verantwortungsbereichs auf einen Kreis von natürlichen oder juristischen Personen außerhalb der Ärzteschaft, also etwa medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften oder gewerbliche Kongressorganisatoren, war daher von vorneherein nicht möglich.
b) Ferner ist zu bedenken, dass die Bedingungen des Sponsorings in der Regel in den für medizinisch-wissenschaftliche Fachtagungen geltenden Industrieaussteller- und Anmeldebedingungen abgebildet werden. Es ist daher nicht erforderlich, die Bedingungen, die zwischen dem jeweiligen Sponsor und der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaft oder dem Veranstalter der Fortbildungstagung in zuweilen sehr unterschiedlicher Art und Weise ausgehandelt und vereinbart werden, im Einzelnen darzulegen und öffentlich bekannt zu machen. Hierzu reicht es aus, auf bestehende, allgemeingültige Aussteller- und Anmeldebedingungen hinzuweisen, welche die grundsätzlich geltenden Bedingungen des Sponsorings festhalten.
c) Schließlich ist die Forderung des FSA, den konkreten Betrag zu veröffentlichen, den ein Unternehmen zur Unterstützung einer ärztlichen Fortbildungsveranstaltung oder einer medizinisch-wissenschaftlichen Tagung zahlt, nicht zu erfüllen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass neben Geldzuwendungen regelmäßig auch Sachzuwendungen oder immaterielle Unterstützungen der Sponsoren erfolgen. Diese Unterstützungsleistungen können jedenfalls in vergleichbarer oder objektivierbarer Weise nicht konkretisiert und veröffentlicht werden. Es ist daher im Rahmen der Offenlegung des Umfangs des Sponsorings ausreichend, wenn darauf hingewiesen wird, dass die z.B. in alphabetischer Reihenfolge oder nach Edelmetallen differenziert aufgeführten Unternehmen Geld- oder Sachzuwendungen oder andere ideelle Unterstützungsleistungen allgemeiner Art zuwenden, ohne dies im Einzelnen näher der Höhe nach zu spezifizieren.
4)

In seinem Rundschreiben vom November 2012 betont der FSA selbst, dass die Neuregelungen des FSA-Kodex zunächst nur die eigenen Mitgliedsunternehmen binden. Die Umsetzung könne nur durch die Veranstalter ärztlicher Fortbildungsmaßnahmen und medizinisch-wissenschaftlicher Kongresse erfolgen. Soweit also bei der Planung anstehender ärztlicher Fortbildungsveranstaltungen oder medizinisch-wissenschaftlicher Jahresversammlungen zukünftig Unternehmen der Arzneimittel- und/oder Medizinprodukteindustrie eine Spezifizierung der Bedingungen und des Umfangs des Sponsorings verlangen, sollten die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften bzw. die jeweiligen ärztlichen Veranstalter darauf hinweisen, dass nur allgemeine Hinweise zum Umfang und zu den Bedingungen des Sponsorings nach den Neuregelungen der Musterberufsordnung erforderlich sind und veröffentlicht werden. Nur auf diese Weise wird einerseits dem mit der Offenlegung verfolgten Transparenzgebot Genüge getan und andererseits eine ansonsten ggf. entstehende Wettbewerbsverzerrung der beteiligten Unternehmen vermieden.