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GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

Telemedizin in der Sekundärprävention: ein Feldversuch mit asthmakranken Jugendlichen

Kurzmitteilung

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  • corresponding author Thomas Huber - ubitexx GmbH, München, Deutschland
  • author Robert Diemer - Technische Universität München, Institute for Real-Time Computer Systems (RCS), München, Deutschland
  • author Johannes Kreuzer - Buschmann Labor- und Medizintechnik, München, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2008;4(3):Doc15

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mibe/2008-4/mibe000074.shtml

Published: October 28, 2008

© 2008 Huber et al.
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Zusammenfassung

Die Führung eines Asthma-Tagebuchs erfordert gerade von erkrankten Kindern und Jugendlichen sehr viel Disziplin. So sollen mehrmals täglich Peak-Flow-Werte mit Uhrzeit und Datum, eingenommene Medikamente und eventuell aufgetretene Beschwerden notiert werden, um den behandelnden Ärzten bessere Betreuungs- und Therapiemöglichkeiten zu bieten. In diesem Beitrag wird die Problematik erläutert und aufgezeigt, wie mit Hilfe einer mobilen Anwendung von InprimoTM versucht wird, die Compliance der jungen Patienten zu steigern und ihnen dabei zu helfen, gefährliche Asthmaanfälle zu vermeiden. Durch spezielle Funktionen werden an die anstehende Messungen erinnert und deren Einhaltung durch ein Belohnungssystem gefördert. Zudem wird die Systemstruktur dargestellt, wie etwa auf beunruhigende Verschlechterungen von Messwerten reagiert wird bzw. wie diese Trends definiert sind und erkannt werden können.

Schlüsselwörter: Mobile Computing, Gesundheitspflege, Tagebuch, Asthma


Einleitung

Von Kindern und Jugendlichen mit chronischem Asthma bronchiale wird meist das Führen eines Asthma-Tagebuchs als äußerst lästig empfunden und erfordert zusätzlich eine hohe Präventions-Disziplin. Ebenso hat sich in vielen praktischen Versuchen gezeigt, dass die jungen Patienten während stationärer Betreuung sehr gute Compliance zeigen, zuhause im alltäglichen Leben diese aber schnell wieder verlieren. Aber gerade die lückenlose Aufzeichnung des exspiratorischen Peak-Flow-Wertes ist dringend notwendig, um eine kontinuierliche medizinische Betreuung nachhaltig durchführen zu können. Die richtige Einstellung der Medikation sowie das frühzeitige Erkennen von negativen Trends kann das Risiko für lebensgefährliche Asthmaanfälle erheblich senken [6]. Ebenso wurde bereits in einer früheren Studie in Griechenland gezeigt, dass der Einsatz von Telemedizin zur Datenakquise, wie es zur Erstellung des Tagesbuchs notwendig ist, sehr gut angenommen wird [4]. Die dort beschriebenen Akzeptanzprobleme, die auf unzureichender Verbindungsverfügbarkeit zurückzuführen waren, sind in diesem Versuch wesentlich reduziert, da großen Wert auf robuste Datenerfassung und Übertragung wie zum Beispiel Puffermechanismen bei Netzausfall etc. gelegt wurde.

InprimoTM, ein im Rahmen von next generation media durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Innovation gefördertes Forschungsprojekt, hat das Ziel präventive Maßnahmen und Feldversuche mit Hilfe von mobiler Sensorik, Mobilfunkgeräten und einer Internetplattform durchzuführen. Im Bereich der Sekundärprävention wird das bis jetzt verwendete klassische Asthma-Tagebuch durch eine mobile Anwendung ersetzt und um verschiedene Funktionen wie die Übertragung der Daten auf einen zentralen Server und das Belohnen der Tätigkeiten durch Klingeltöne erweitert. In [1] wird gezeigt, dass die Qualität der selbst gemessenen Werte sich nicht signifikant von denen unterscheidet, die unter fachkundiger Aufsicht gemessen wurden. Selbst im Umgang mit Computern unerfahrene Testpersonen konnten die Selbstmessung durchführen und waren mit dem System sehr zufrieden.

Die Kinder und Jugendlichen erhalten von ihrem Mobilfunkgerät die Aufforderung, ihre Atemwegfunktion zu messen. Das Peak-Flow-Meter überträgt dann den ermittelten Wert per Bluetooth an das mobile Gerät, welches die Daten an die Internetplattform weiterleitet. Sollte die Messung ausbleiben, so wird mittels einer Erinnerungsfunktion zur Messung erneut aufgefordert. Nach erfolgreicher Messung erhält der Patient auf seinem Mobilfunkgerät eine Rückmeldung über seinen Gesundheitszustand und zusätzliche Hinweise, beispielsweise über seine Medikation. Durch ein zielgruppengerechtes Belohnungssystem soll die Mitarbeit gefördert und somit die Compliance verbessert werden. Sollten negative Tendenzen erkannt werden, so wird automatisch ein Alarm in einem Callcenter generiert und je nach Schweregrad der Patient, die Angehörigen oder ein Arzt kontaktiert oder anderweitig darauf reagiert.

Durch dieses neue Versorgungssystem soll sich der Zustand der Kinder und Jugendlichen signifikant verbessern und vor allem das subjektive Sicherheitsgefühl gesteigert werden. Auch kann der behandelnde Arzt die Wirksamkeit der Therapie direkt durch Trendanalysen überprüfen, wodurch der Behandlungsverlauf besser und individueller gesteuert werden kann. Durch den Zugriff der Eltern auf die Peak-Flow-Werte der Asthmatiker soll die Compliance nachhaltig hochgehalten werden. Bei unvollständiger Messung oder besorgniserregenden Werten werden die Eltern ihrerseits per SMS benachrichtigt.

Die kontinuierliche, im alltäglichem Leben angewandte Betreuung soll aber nicht nur die Versorgungsqualität der jungen Patienten erhöhen: Durch dieses Sekundärpräventionssystem soll auch die Effizienz der Therapie gesteigert werden und somit eine erhebliche Vermeidung von Kosten für das Gesundheitssystem nach sich ziehen.


Problemstellung

Das Krankheitsbild Asthma wird in den nächsten Jahren noch weiter im Ranking der häufigsten Krankheiten aufsteigen [3] und folglich auch die damit verbundenen Behandlungskosten [5]. Wird eine Verschlechterung der Lungenfunktion zu spät erkannt, wird die Therapie schwierig und die Behandlung zusehends teurer [7]. Im schlimmsten Fall kann nur noch durch einen Klinikaufenthalt entgegen gesteuert werden. Im Gegensatz dazu ist aber bei einer disziplinierten Lebensweise und mit regelmäßiger Überprüfung der Lungenfunktion ein normales Leben, auch mit Sport, möglich.

Gut geschulte und kontinuierlich betreute Patienten können durch regelmäßige Medikamenteneinnahme mit der Krankheit ohne Probleme umgehen. In weitgreifenden Schulungsprogrammen, wie sie das CJD in Berchtesgaden anbietet, werden junge Patienten auf den Umgang mit Asthma vorbereitet. Allerdings – und das hat die Erfahrung leider oft gezeigt – fällt die Compliance nach dem Abschluss der Schulung bereits nach wenigen Wochen und Monaten rapide ab.

In Berchtesgaden werden deshalb akut betroffene Patienten über ein oder mehrere Jahre im Asthma-Camp betreut und regelmäßig untersucht. Weniger akute Fälle hingegen werden nur über zwei Wochen lang geschult, z.B. während der Schulferien. Nach Ablauf des Aufenthalts werden die Patienten dazu angehalten sich um die regelmäßige Messung und das Führen des Tagebuchs selbständig zu kümmern. Dabei laufen gerade weniger akut betroffene Kinder und Jugendliche Gefahr den Krankheitsverlauf zu unterschätzen und den Arztbesuch zu lange hinauszuzögern.

Schon durch die zweimalige Messung des Peak-Flow-Wertes täglich kann – über einen längeren Zeitraum hinweg gesehen – frühzeitig erkannt werden, wann sich ein Patient aus seinem physiologischen Bereich herausbewegt. Aber das selbständige Führen eines derartigen Asthma-Tagebuchs wird gerade von jungen Patienten als äußerst lästig empfunden. Aus Eigeninitiative muss das Messgerät morgens und abends genutzt werden und die ermittelten Werte per Hand in das Tagebuch eingetragen werden. Der Nutzen dieser Messung zeigt sich bei nur schwachem Krankheitsbild dem Patienten dagegen nicht. Schon nach wenigen Wochen fällt die Compliance enorm ab bis hin zur Aufgabe der Therapie. Dabei kann es aber bereits nach wenigen Monaten zu einem – meist zu spät erkannten – akuten Asthmaanfall kommen. Aufgaben wie das Erinnern und das Erstellen der Graphik kann ein Mobilfunkgerät leicht übernehmen, wodurch der gesamte Ablauf, der täglich zweimal durchgeführt werden muss, auf drei Schritte verkürzt werden kann:

1.
Einschätzung und Eintragung des eigenen Wohlbefindens
2.
Messen des Peak-Flow-Wertes mit dem Messgerät
3.
Aktivieren der Bluetooth-Funktion des Peak-Flow-Messgeräts

Alle weiteren Aktionen, wie z.B. das Versenden der Daten an den Server und die Darstellung des Trends sowie zugehörige Analysen können automatisiert durchgeführt werden.


Lösungsansätze

Nur die Abbildung einer kompletten Versorgungskette kann die vielen Aspekte im Bereich der Asthma-Überwachung darstellen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Zum Einsatz kommt ein Peak-Flow-Meter mit eingebautem Bluetooth-Modul, ein Smartphone mit Bluetooth- und GPRS(General Packet Radio Service)-Schnittstelle sowie eine Server-Applikation mit unterschiedlichen Ansichten für verschiedene Benutzertypen. Zusätzlich für die Erfassung von Kontextinformationen ist noch Bewegungssensorik vorgesehen, ebenso wie Atmungsbänder, mit deren Hilfe die Atemfrequenz und das Atemvolumen aufgenommen werden kann.

In der Applikation inprimoAsthma, welche auf dem Mobilfunkgerät läuft, wurde eine Erinnerungs-Funktion implementiert, welche das Gerät aus dem Ruhezustand heraus aktivert und einen Klingelton abspielt. Die Erinnerungszeiten werden hierbei individuell vom Arzt und Benutzer eingestellt. Dabei kann sowohl zwischen Vormittags- und Nachmittagsmessung als auch zwischen Werktag oder Wochenende unterschieden werden, so dass die Messzeitpunkte optimal an den Tagesablauf und die Schlafgewohnheiten des Patienten angepasst sind.

Vor jeder Messung wird das eigene Wohlbefinden auf einer Skala von 1–4 abgefragt, so dass eine Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands statt findet (vgl. Abbildung 2 [Abb. 2]). Auf dem Smartphone ist dabei symbolisch anhand eines Querschnitts durch die Bronchien veranschaulicht, wie stark verengt sie im Moment sind. Sowohl die zu negative Selbsteinschätzung (Hypochondrie), als auch das sich selbst zu positiv Einschätzen (zu unbedarfter Umgang mit der Krankheit) ist gefährlich.

Daran anschließend erfolgt die Messung mittels des Peak-Flow-Messgerätes. Um die Motivation der Patienten lange Zeit aufrecht zu halten werden Bonus-Punkte vergeben, wobei folgende Kriterien als Punkte-Schema herangezogen werden:

  • Die Messung erfolgt regelmäßig.
  • Der exspiratorische Wert ist stabil hoch, d.h. der Patient nimmt regelmäßig sein langzeitwirksames Medikament ein.
  • Die richtige Selbsteinschätzung des Patienten.

Bei einer Unterschätzung des eigenen Wohlbefindens werden weniger Punkte abgezogen als bei Überschätzung, da es in diesem Fall dem Asthmatiker schlechter geht als er selber meint. Für eine pünktliche Messung erhält der junge Patient zusätzlich fünf Punkte, bei mehrmaliger unregelmäßiger Messung werden fünf Punkte abgezogen. Abhängig davon können 15 bis 55 Punkte pro Messung vergeben werden, siehe Tabelle 1 [Tab. 1].

Das Peak-Flow-Meter ist ebenso wie das Smartphone in der Lage Daten zu speichern. Damit können Werte mit dem Messgerät ermittelt werden, ohne dass eine Bluetooth-Verbindung zwischen Smartphone und Peak-Flow-Meter besteht. Auch das Smartphone kann die Daten temporär zwischenspeichern und erst beim Einbuchen in ein Mobilfunknetz diese an die Server-Plattform weiterleiten.

Das Asthmatagebuch (Abbildung 3 [Abb. 3]) informiert bereits auf der ersten Seite über die wichtigsten Sachverhalte.

”Letzte empfangene Messung“: Gibt Auskunft darüber, wann zum letzten Mal eine Verbindung zum Peak-Flow-Meter bestand.
”Letzte Übertragung“: Gibt Auskunft darüber, wann zum letzten Mal Werte auf die Plattform übertragen wurden.
”Nächste Messung“: Gibt den Zeitpunkt für die nächste Erinnerung an.
”Cell-ID“: Gibt die eindeutige Identifikationsnummer der Funkzelle an, in der das Mobiltelefon momentan eingebucht ist.

Darunter findet sich ein Diagramm welches die Peak-Flow-Werte darstellt (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). Die schwarze Linie zeigt den Peak-Flow-Normalwert.

Folgende Bereiche werden unterschieden und für die Beurteilung des Zustands herangezogen:

  • grüner Bereich: Werte größer 90%
  • hellgrüner Bereich: Werte im Bereich von 80%–90%
  • gelber Bereich: Werte im Bereich von 50%–80%
  • roter Bereich: alle Werte unter 50%

Im Diagramm der Abbildung 3 [Abb. 3] werden zwei Asthmaanfälle dargestellt. Wird bei einer Messung ein Wert von 100 (roter Bereich) ermittelt, so fordert die Applikation zum Notfallplan auf. Es sollen die kurzwirksamen Medikamente eingenommen werden. Nach 10 Minuten fordert die Applikation erneut zur Messung auf. Wird danach, ebenfalls wie im Diagramm dargestellt, ein normaler Wert ermittelt, folgen keine weiteren Schritte. Die roten Punkte im Diagramm stellen eine Messung nach Medikamenteneinnahme dar. Würde der rote Punkt nicht im grünen oder hellgrünen Bereich liegen, so fordert die Applikation zu einem Arztbesuch auf.

Das Smartphone bietet auch ohne Netz eine Untermenge der Funktionalität der gesamten Übertragungskette ab, damit bestimmte Handlungsanweisungen wie beispielsweise das Durchführen des Notfallsplans auch ohne Netz erteilt werden können. Somit ist man in Notsituationen nicht auf eine Netzabdeckung angewiesen.

Ein weiterer wichtiger Punkt für das Durchführen eines Feldversuchs mit asthmakranken Kindern und Jugendlichen ist die zentrale Verwaltung der Patienten, Ärzte und anderer Benutzer. Je nach Benutzertype werden verschiedene Auswertungen und Übersichten freigegeben oder gesperrt, um die privaten Daten nicht in falsche Hände zu geben. Auch das Filtern wichtiger Ereignisse aus der enormen Flut an anfallenden Daten muss automatisch durchgeführt werden, damit die Betreuung mehrerer Asthmatiker ohne großen Aufwand möglich ist und den betreuenden Arzt dabei unterstützt.

Weitere sehr unterschiedliche Aspekte müssen ebenfalls realisiert werden:

1.
Administrativ
  • Mobile Portierung der Software auf die Mobilfunkgeräte
  • Wiederaufsetzen eines Benutzers mit seinem gewohnten Profil auf ein neues Gerät
  • Sperrung des Geräts sowie Löschen der Daten bei Verlust des Smartphones
1.
Medizinische Betreuung
  • Generierung von Alarmen bei unregelmäßig übermittelten Werten
  • Generierung von Alarmen bei medizinisch bedenklichen Werte

Wegen des großen Datenaufkommens werden nur negativ auffallende Patienten – sei es wegen schlechter Messwerte oder mangelnder Motivation – zu einer weiteren Bearbeitungsinstanz weitergeleitet. Für alle anderen, bei denen die Compliance sowie die Messwerte im guten Bereich liegen, werden keine weiteren (menschlichen) Ressourcen benötigt.


Ergebnisse

Das gesamte System läuft seit Anfang Mai 2008, wobei sich bei den ersten Probanden bereits jetzt, nach 3½ Monaten Laufzeit, ein erstes positives Fazit ziehen lässt. Die Handgriffe zur Bedienung des Systems konnten so weit vereinfacht werden, dass ein Übermitteln der Werte intuitiv und selbsterklärend abläuft.

Im Lauf des Trials wurden mehrere technische Schwachpunkte identifiziert, die inzwischen größtenteils behoben oder durch gezieltes Aufklären der Teilnehmer beseitigt werden konnten.

Die Batterien des Peak-Flow-Meters halten bei der im Testversuch festgelegten Messhäufigkeit in etwa 1½ Monate. Danach können zwar noch Werte aufgenommen werden, allerdings wird das Bluetooth-Modul nicht mit genügend Energie versorgt, so dass keine Datenübertragung stattfinden kann. Die Teilnehmer werden dazu angehalten weiterhin zu messen und möglichst bald die Batterien zu wechseln. Da das Peak-Flow-Meter als Datenspeicher fungiert, gehen dadurch keine Messwerte verloren.

Ein kompletter Messzyklus mit Selbsteinschätzung, Messung, Abholen der Daten vom Peak-Flow-Meter und Versenden der Daten auf die Plattform dauert ca. 70 Sekunden. Da dies für Schüler früh am morgen wenig reizvoll ist, wird eine stark verkürzte Variante bevorzugt. Hierbei wird nur mit dem Peak-Flow-Meter gemessen, ohne Selbsteinschätzung und Übertragung. Nur bei wirklich bedenklichen Werten wird eine Datenübertragung angestossen. Eine Messung ohne Versand dauert dann nur noch ca. 10 Sekunden. Bei der Abendmessung werden die morgens gemessenen Werte ebenfalls übermittelt, falls dies noch nicht geschehen sein sollte.

Auf dem Smartphone wurde die Konfigurations-Datei und die Datei, die als persistenter Zwischenpuffer für den Funklochpuffer-Algorithmus fungiert als Schwachstelle identifiziert. Wird das Programm inprimoAsthma während es in eine dieser beiden Dateien schreibt durch das Betriebssystem beendet, z.B. weil eine Limitierung der Systemressource Speicher vorliegt, so hinterlässt es eine nicht funktionsfähige Konfiguration. Dieses seltene Phänomen ist in den letzten 3½ Monaten bereits vier mal aufgetreten. Um diesem Verhalten entgegenwirken zu können wird von beiden Dateien nach jeder Änderung eine Kopie erstellt. Wird das Programm neugestartet und erkannt, dass die zuletzt geänderten Daten unvollständig abgelegt wurden, so kann mit der Backup-Datei fortgefahren werden. Daten gehen bei dieser Vorgehensweise nicht verloren, da die Werte auf dem Messgerät erst dann gelöscht werden, wenn sie sowohl in der Original-Pufferdatei als auch in der Backup-Pufferdatei abgelegt sind. Geschieht ein Abbruch während des Eintragens in die Pufferdatei wird beim nächsten Start der Applikation der Stand vor der Übertragung verwendet und die Daten erneut vom Peak-Flow-Meter abgeholt.

Als weitere Schwachstelle des Gesamtsystems hat sich der GPRS-Stack herausgestellt. Beim aktuellen iPhone-3G wird über die mangelnde Robustheit des UMTS-Stacks geklagt [2]. Mit ähnlichen Problemen haben auch andere Smartphones zu kämpfen. Um auf einer Mobilfunkverbindung Datenpakete versenden zu können, wird ein Mindestsignalpegel vorausgesetzt. In Folge dessen sind die Funklöcher für Datendienste durch die höheren Anforderungen an die Signalstärke größer als für Telefongespräche.

Es konnte auch während des Trials beobachtet werden wie sich Smartphones, die sich für längere Zeit in einem Funkloch befanden, nach dem Wiedereintritt in die Netzabdeckung zwar eine GSM-Verbindung aufbauen konnten, eine Datenverbindung jedoch nicht, selbst bei sehr guten Signalpegeln. Sogar ein Soft-Reset konnte dieses Problem nicht beheben. Abhilfe in diesen Fällen schaffte nur das Entfernen des Akkus für mehr als 30 Sekunden oder das Entfernen und wieder neu Einstellen der APN(Access Point Name)-Settings in den Netzwerk-Management-Einstellungen. Ob die genannten Probleme im Treiber/RadioInterface-Layer zu lokalisieren sind oder im Betriebssystem Windows Mobile konnte nicht abschließend geklärt werden.

Zwei Maßnahmen wurden durchgeführt um diesem Verhalten entgegen zu wirken.

1.
Es hat sich gezeigt, dass viele Sendeversuche in einem Funkloch den Treiber zum Absturz bringen können. Also wurde eine Funktion implementiert in der zuerst festgestellt wird ob eine GPRS-Verbindung möglich ist, danach wird eine ständig erreichbare Seite per HTTPWebRequest abgefragt. Erst wenn diese Abfrage erfolgreich war werden REST(REpresentational State Transfer)-Aufrufe zur Übermittlung der gepufferten Messwerte durchgeführt.
2.
Es wurden die Firmware-Versionen der verwendeten Smartphones überprüft und gegebenenfalls aktualisiert. Für die verwendeten Smartphones existiert sowohl ein Windows Mobile 5- als auch ein Windows Mobile 6-Image. Für beide Images gab es aktualisierte Versionen im August 2008. In den Release Notes beider Images wurden die gleichen Radio-Interface-Layer-Bugs beseitigt. Beide Images verwenden die selben, sehr aktuellen Treiber-Versionen.

Durch beide Maßnahmen konnten die bisher auftretenden Fehler eingedämmt werden, ob sie komplett auszuschließen sind kann abschließend noch nicht festgestellt werden.

Durch fehlertolerante Übertragungsmechanismen und die sofortige Aufbereitung der Ergebnisse zu einem Diagramm werden die jungen Patienten schnell und unkompliziert über deren derzeitigen Gesundheitszustand informiert. Zusätzlich dient das Belohnugssystem mit Sammeln von Punkten und bei genügend großer Punktezahl das Freischalten von kleinen Filmchen als Anreiz um die Messungen regelmäßig durchzuführen. Besonders bei der jugendlichen Zielgruppe wurde diese Form der Belohnung gut angenommen und half den Kindern, sich durch das tägliche Messen ihrer Werte nicht als Außenseiter zu fühlen.

Eine Erhöhung der Compliance oder sogar eine Kostenreduzierung der Gesundheitsausgaben kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschätzt werden.


Fazit

In diesem Feldversuch wird gezeigt, dass das klassische Asthma-Tagebuch durch eine Versorgungskette im Bereich der Sekundärprävention durch Peak-Flow–Meter, Mobilfunk- gerät und Server ersetzt werden kann. Neben dem Inhalt des Tagebuchs kommen hierbei zusätzliche Funktionalität hinzu:

Die Aufnahme der Messwerte wird durch eine Erinnerungsfunktion des Mobilfunkgeräts angestoßen. Nach durchgeführter Messung werden die Werte vom Peak-Flow-Meter mittels Bluetooth an das mobile Endgerät übertragen und an einen Server weitergeleitet. Die übermittelten Daten werden dort automatisch überprüft, analysiert und etwaige Alarme ausgelöst, welche von einem Callcenter abgearbeitet werden. Der Patient bekommt sofort eine Rückmeldung über seinen Gesundheitszustand und Hinweise über seine Medikation oder andere nützliche Empfehlungen. Ebenfalls wird der Asthmatiker bei guter Compliance mit zielgruppengerechter Belohnungen, beispielsweise Klingeltöne, für weitere gute Mitarbeit motiviert.

Der Arzt kann nun online die selektierten Messwerte seiner jungen Patienten zu jedem Zeitpunkt überprüfen und gegebenenfalls unterstützend eingreifen bzw. die Therapie anpassen. Ebenfalls erhalten die Patienten und deren Eltern selbst Zugang zu den individuellen Werten, um den Umgang mit Asthma zu verbessern und ihre Krankheit wie selbstverständlich ins alltägliche Leben und in die Familie integrieren.

In wieweit sich durch dieses System die Compliance der Kinder und Jugendlichen erhöht, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bewiesen werden, da der Feldversuch dafür erst zu kurz läuft. Auch die Effektivität des Belohnungssystems, mit welchem die jungen Patienten für die täglichen Messungen motiviert werden sollen, muss erst noch evaluiert werden, wobei aber vieles darauf hindeutet.

Die Kosten, die durch solche sekundär präventive Maßnahmen im Bereich Asthma eingespart werden können, sind erst bei großen Patientenkollektiven abzuschätzen. Mehrere verschiedener Studien haben aber dies bereits theoretisch bewiesen [6]. Der praktische Nachweis wird durch das Präventionssystems von InprimoTM erbracht werden. Dann werden die Studien mit echten Zahlen versorgt und die jetzigen Prognosen hoffentlich belegt.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Keine angegeben.


Literatur

1.
Finkelstein J, Cabrera MR, Hripcsak G. Internet-based home asthma telemonitoring: can patients handle the technology? Chest. 2000;117(1):148-55. DOI: 10.1378/chest.117.1.148 External link
2.
heise.de. Manche 3G-iPhones kränkeln: Verdacht auf UMTS-Insuffizienz. Artikel-Nr. 114264 vom 14.08.2008. Verfügbar unter: http://www.heise.de/mobil/newsticker/meldung/114264 External link
3.
Janßen C. Berufsbedingtes Asthma und Allergien im ländlichen Niedersachsen [Dissertation]. Ludwigs-Maximilian-Universität München; 2007.
4.
Mantzouranis EC. User friendliness aspects of home care telematics. Methods Inf Med. 2002;41(5):370-5.
5.
Nowak D, Volmer T, Wettengel R. Asthma bronchiale – eine Krankheitskostenanalyse. Pneumologie 1996;50(5):364-71.
6.
Pfeifer M, Werner B, Magnussen H. Telemedizinische Betreuung von Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen. Medizinische Klinik. 2004;99(2):106-10. DOI: 10.1007/s00063-004-1019-4 External link
7.
Schramm B, Ehlken B, Smala A, Quednau K, Berger K, Nowak D. Cost of illness of atopic asthma and seasonal allergic rhinitis in Germany: 1-yr retrospective study. Eur Respir J. 2003;21(1):116-22. DOI: 10.1183/09031936.03.00019502 External link